Kostendämpfung hinter den Kulissen erneut Thema

Berlin – Die Bundesregierung wird im kommenden Jahr wieder über Kostendämpfungsmaßnahmen nachdenken. Das erwartet der Leiter der Abteilung „Arzneimittel, Medizinprodukte, Biotechnologie“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), Thomas Müller. „Hinter den Kulissen ist das heute schon ein Thema“, berichtete Müller heute auf der Mitgliederversammlung des Verbands Pharma Deutschland in Berlin.
Das BMG und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seien sehr innovationsoffen. Der Minister müsse aber auch die Budgets im Auge behalten. „Und für 2025 sehe ich da dunkle Wolken über der Gesundheitspolitik aufziehen“, sagte Müller.
Die Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland, Dorothee Brakmann, kritisierte, dass die Politik in finanziell schwierigen Zeiten reflexartig Kostendämpfungsmaßnahmen im Arzneimittelbereich umsetzen wolle.
Sinnvoller sei es, mit der Pharmabranche über Möglichkeiten zu sprechen, die Ausgaben zu reduzieren. Pharma Deutschland habe zum Beispiel den Vorschlag gemacht, bestimmte Arzneimittel aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Auf diese Weise könnten 1,4 Milliarden Euro eingespart werden, sagte sie.
Allerdings müssten die Menschen das, was gesetzliche und private Krankenversicherung einsparen würden, dann aus eigener Tasche bezahlen. Das blieb unerwähnt.
Generikapreise sollen weiter steigen
Müller betonte zugleich, dass das BMG die Pharmabranche weiter stärken wolle – wie mit der Nationalen Pharmastrategie und dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht. „Die Bundesregierung hat erkannt, dass das Vergütungsniveau bei den Generika vorsichtig angehoben werden muss“, sagte Müller.
Im Bereich der Kinderarzneimittel sei dies mit dem ALBVVG angestoßen worden. Seither sind Festbeträge und Rabattverträge bei Kinderarzneimitteln aufgehoben und die Preise können einmalig um 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrags angehoben werden.
„Das reicht aber noch nicht aus“, meinte Müller und prognostizierte, dass die Vergütung von Generika auch von der kommenden Bundesregierung aufgegriffen werde. Dabei werde es auch darum gehen, wie man die Ausgaben für neue Arzneimittel und für Generika ausbalancieren könne.
Umweltauflagen problematisch für Mittelständler
Zudem betonte Müller, dass die Politik darauf achten müsse, dass Pharmastandorte in der Europäischen Union nicht durch zu hohe Umweltauflagen kaputtgemacht würden. „Große Firmen können die regulatorischen Auflagen besser bedienen“, sagte Müller.
„Für Mittelständler ist das aber sehr aufwändig.“ Er spielte damit auf die Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie an, die die Europäische Union in diesem Jahr auf den Weg gebracht hat und die noch in nationales Recht umgesetzt werden muss.
Es sei ein wichtiges Ziel des Verbands, die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht zu begleiten, erklärte der Vorstandsvorsitzende von Pharma Deutschland, Jörg Wieczorek. Grundsätzlich seien die wichtigsten Themen für den Verband in den kommenden Jahre die Sicherung des Produktionsstandortes und der Abbau der bürokratischen Hürden für die Produktion, die Zulassung und den Vertrieb von Arzneimitteln.
Neue EU-Richtlinie wird Arzneimittel verteuern
Die Kommunalabwasserrichtlinie der EU sieht vor, den Großteil der Kosten für die europaweite Einführung einer vierten Klärstufe in den Kläranlagen der Pharmabranche und der Kosmetikbranche zuzuweisen.
Wieczorek kündigte an, dass der Verband die Politik und die Öffentlichkeit über die finanziellen Folgen für das deutsche Gesundheitssystem informieren werde. „Wird die Richtlinie in der jetzigen Form in deutsches Recht umgesetzt, werden Bau und Betrieb der vierten Klärstufe in den Klärwerken ungefähr zwei Milliarden Euro pro Jahr kosten“, erklärte Wieczorek.
„Die Kosten der Finanzierung der Klärstufe“, so Wieczorek weiter, „verteuern die Arzneimittel. Das sind vor allem Antibiotika und Analgetika und damit die Arzneimittel, die in großen Mengen benötigt werden und die unter hohem Preisdruck stehen.“ Die Belastung von Antibiotika und anderen Generika mit rund zwei Milliarden Euro pro Jahr würde die angespannte Situation im Gesundheitsfinanzierungssystem weiter verschärfen.
Deutschland gegen Änderung des Unterlagenschutzes
Müller berichtete darüber hinaus aus dem Europäischen Rat, in dem derzeit über das Zusammenspiel zwischen Anreizen für Innovationen und dem Zugang zu Arzneimitteln diskutiert werde. „Wir haben viele Mitgliedstaaten, die sich Sorgen machen, dass neue Arzneimittel nach ihrer Zulassung erst sehr spät in ihren Ländern verfügbar sind“, sagte Müller. Die Kommission habe vorgeschlagen, den Unterlagenschutz an die Markteinführung von Arzneimitteln in sämtliche EU-Staaten zu knüpfen.
„Deutschland hat sich dagegen ausgesprochen“, erklärte Müller. „Wir möchten den Unterlagenschutz und den Schutz des geistigen Eigentums nicht antasten, weil dies wesentliche Instrumente sind, um Innovationen zu den Patienten zu bringen.“
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