Krankenhausreform: Auswirkungen der finanziellen Anreizsysteme sind nicht absehbar

Berlin – Die finanziellen Anreize, die die Krankenhausreform des Bundes setzt, führen zu einem Blindflug im Bereich der Anreizsetzung. Das sagte der Gesundheitsökonom Andreas Beivers von der Hochschule Fresenius München gestern auf dem Spreestadtforum in Berlin.
Für die Krankenhäuser gebe es nun Anreize durch das Vorhaltebudget, das Pflegebudget und die Rest-DRG, so Beivers. Welche Auswirkungen diese Anreize auf Hausebene hätten, sei heute jedoch heute ebenso wenig absehbar wie eine Antwort auf die Frage, welche Häuser zu den Gewinnern und welche zu den Verlierern der Reform gehörten.
Grundsätzlich gehe er mit den groben Zügen der Reform d’accord, betonte Beivers. „Der Umbau der Versorgungslandschaft ist eine Mammutaufgabe, die wir dem System schuldig sind. Und die Grundidee der Leistungsgruppen ist absolut richtig: Nur die Krankenhäuser sollen Leistungen erbringen, die die Kapazitäten nachweisen können, die für eine gute Qualität der Leistungserbringung notwendig sind.“
Krankenhausreform ist ein Bürokratiemonster
Es gebe aber auch verschiedene Nachteile, die die Reform mit sich bringe. „Die Reform ist ein Bürokratiemonster“, kritisierte Beivers. Das unterstrichen alleine die 12.000 Seiten des Groupers, mit denen die derzeitigen Krankenhausleistungen den 65 neuen Leistungsgruppen zugeordnet werden können.
Auch die Berechnung der Vorhaltepauschale sei viel zu bürokratisch. „Die Einführung von Vorhaltepauschalen und auch die Zuweisung von Versorgungsstufen erfordern regelmäßige Qualitätskontrollen und bürokratische Überprüfungen“, so Beivers. „Statt der erhofften Bürokratieentlastung könnte das System deshalb neue Hürden schaffen, die Zeit und Ressourcen binden.“
Krankenhäuser könnten sich darüber hinaus darauf konzentrieren, Leistungen anzubieten, die durch Vorhaltepauschalen besser vergütet werden, auch wenn dies nicht den tatsächlichen Versorgungsbedarf der Region widerspiegelt.
„In Regionen oder Fachbereichen, wo die Nachfrage tatsächlich gering ist, könnten durch Vorhaltebudgets unnötige Überkapazitäten entstehen, die Ressourcen binden und nicht optimal genutzt werden“, meinte Beivers. Zudem liege die Vorhaltepauschale – inklusive Pflegebudget – mit 60 Prozent zu hoch. 40 Prozent wären besser gewesen – so, wie es die Expertenkommission für die Krankenhausreform ursprünglich auch vorgeschlagen hatte.
Kleinere Häuser in Existenzgefahr
„Insbesondere kleinere und ländliche Krankenhäuser könnten aufgrund der neuen Finanzierungsmechanismen in ihrer Existenz gefährdet sein“, fuhr Beivers fort. „Durch die stärkere Konzentration auf spezialisierte Versorgungsstufen und die Definition von Leistungsgruppen könnten Einrichtungen, die nicht alle Anforderungen erfüllen, ihre Berechtigung für bestimmte Leistungen verlieren.
Auch könnten Fachabteilungen, die nicht die kritische Masse an Behandlungsfällen erreichen, finanziell benachteiligt werden. „Die Schließung solcher Abteilungen könnte zu einem Verlust spezialisierter Behandlungsangebote in den Regionen führen“, meinte Beivers.
Er plädierte dafür, der Bevölkerung Krankenhausschließungen gut zu erklären. „Manche Krankenhausschließungen sind sinnvoll. Aber nicht alles, was normativ richtig ist, ist auch immer politisch klug“, so der Gesundheitsökonom. „Wir werden eine intensive Diskussion mit der Bevölkerung haben. Denn die Sicherung der Versorgung ist auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Demokratie.“
Zeitplan ist knapp
Beivers wies darauf hin, dass der Zeitplan für die Umsetzung der Reform in den Ländern knapp sei. „Belastbare Bedarfsanalysen liegen in vielen Bundesländern noch nicht vor“, sagte er. „Weitere Analysen auf Leistungsgruppenebene sind nur mit dem zertifzierten InEK-Grouper möglich.“ Vor kurzem hat das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), das den Grouper entwickelt hat, erste Softwarehersteller zertifiziert.
Krankenhäuser könnten Leistungsgruppen nur dann beantragen, wenn sie sich zuvor eine grundlegende Medizinstrategie überlegt haben, meinte Beivers. „In vielen Bundesländern müssen die Anträge für die Leistungsgruppenverteilung für das Jahr 2027 schon bis Mitte des Jahres 2025 bei der jeweiligen Landesplanungsbehörde gestellt werden. Dies könnte an vielen Stellen zu einem Zeitproblem in der pragmatischen Umsetzung führen.“ Auch bleibe kaum ausreichend Zeit für regionale Versorgungsdialoge.
Ungleichgewicht zwischen reichen und armen Regionen
Der Münchner Ökonom wies auf weitere Probleme hin, die im Rahmen der Umsetzung der Reform entstehen könnten. Es bestehe die Gefahr, dass Krankenhäuser Rückforderungen an die Länder stellten, wenn sie in der Vergangenheit in einen bestimmten Fachbereich investiert haben, den sie nun nicht als Leistungsgruppe zugewiesen bekommen.
Zudem könne es mittelfristig dazu kommen, dass weniger finanzstarke Kommunen die Defizite ihrer Krankenhäuser nicht mehr ausgleichen könnten. Die Folge könne ein Ungleichgewicht in der Versorgung zwischen reicheren und ärmeren Regionen sein.
Schließlich kritisierte Beivers, dass die Hälfte der Mittel für den Transformationsfonds, aus dem der Strukturwandel finanziert werden soll, aus Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht aus Steuermittel aufgebracht werden soll. „Wir alle wissen, dass diese Gelder eigentlich über Steuermittel zu finanzieren sind“, sagte er und schlug vor, zum Beispiel auch in Deutschland, wie in anderen Ländern, eine Zuckersteuer zu erheben, deren Erlöse dann in den Transformationsfonds fließen könnten.
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