Lambrecht verweist in Triagedebatte auf Experten und Ethikrat

Düsseldorf/Berlin – In der Debatte um eine mögliche Befassung des Bundestages mit der drohenden Triage in Kliniken verweist Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf bestehende Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften und des Deutschen Ethikrates.
Wie und mit welchen intensivmedizinischen Maßnahmen Patienten behandelt werden, sei „eine ärztliche Entscheidung im Einzelfall, die allein nach medizinischen Kriterien getroffen werden kann“, sagte Lambrecht der Rheinischen Post heute.
Die medizinischen Fachgesellschaften und der Deutsche Ethikrat hätten Empfehlungen ausgesprochen, an denen sich Ärzte bei einer großen Zahl von Coronapatienten in den Kliniken orientieren könnten, so Lambrecht. Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass „jedes Leben gleich schützenswert ist und dass es nicht gegen ein anderes Leben abgewogen werden darf“. Auch der Ethikrat habe ausgeführt, dass die Menschenwürde dem Staat verbiete, in akuten Krisen nach Überlebenschancen und Sterberisiken zu unterscheiden.
Die Ministerin wörtlich: „Wenn Ärzte in einer solchen Extremsituation eine Entscheidung treffen müssen, darf von ihnen nichts Unmögliches verlangt werden.“ Es sei herrschende Auffassung unter Juristen, dass strafrechtliche Sanktionen ausscheiden, wenn Ärzte in kritischen Entscheidungslagen aus nachvollziehbaren medizinischen Gründen handeln. Jeder Erkrankte solle die bestmögliche medizinische Behandlung erhalten.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach lehnte eine Befassung des Parlaments mit der Triage als „völlig abwegig“ ab. Alle deutschen Krankenhäuser hätten funktionierende Triagepläne und könnten das am besten selbst organisieren. Nicht jedes Triagesystem passe für jede Klinik. Eine Überlastung einzelner Intensivstationen sei am besten zu vermeiden, indem man Patienten in andere Häuser verlegt, sagte Lauterbach. Das geschehe auch bereits. Von einer drohenden Triage in mehreren Regionen sei man weit entfernt.
Meldungen, wonach ein Krankenhaus in Sachsen offenbar schon auf die gefürchtete Triage zurückgreifen musste, haben eine politische Diskussion über die rechtlichen Grundlagen ausgelöst. Der Begriff bedeutet, dass Mediziner wegen knapper Ressourcen entscheiden müssen, wem sie zuerst helfen.
Behindertenverbände hatten beklagt, dass Menschen mit Behinderung benachteiligt werden könnten. Sie forderten eine Befassung des Bundestages. Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warf der Politik vor, die Ärzte mit der Entscheidung im Stich gelassen zu haben.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: