Politik

Lauterbach: „Das Ziel muss bessere Medizin sein“

  • Mittwoch, 7. September 2022
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, startet Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege (Digital-Health-Strategie). /picture alliance, Wolfgang Kumm
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, startet Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege (Digital-Health-Strategie). /picture alliance, Wolfgang Kumm

Berlin – Digitalisierung müsse vor allem als Instrument für bessere Medizin genutzt werden. Das betonte Bun­­­desgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zum heutigen Auftakt der Erarbeitung einer Digitalisie­rungsstrategie. Oftmals fehlten heute noch Informationen im Gesundheitswesen, die eine bessere Versorgung möglich machen würden.

Im April 2022 hatte Lauterbach auf der Digitalisierungskonferenz DMEA in Berlin bereits eine umfassende Digitalisierungsstrategie angekündigt. Heute startete der Prozess zur Erarbeitung der Strategie mit etwa 200 Gästen aus den Spitzen der Verbände und Institutionen im Gesundheitswesen in Berlin. Bis Anfang nächsten Jahres soll die Strategie ausgearbeitet sein.

Das Vorhaben steht bereits im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FPD. Dort heißt es: „In einer regelmäßig fortgeschriebenen Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen und in der Pflege legen wir einen besonde­ren Fokus auf die Lösung von Versorgungsproblemen und die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer.“

Nur ein partizipativer Prozess ist zielführend

Mit der Strategie soll das Rad nicht komplett neu erfunden werden, betonte Lauterbach. „Aber wir müssen in einigen Bereichen nachsteuern, während wir beschleunigen.“ Der partizipative Prozess sei als gemeinsame Erarbeitung mit Leistungserbringern, Kostenträgern, aber auch Patienten und Technikern geplant, so Lauter­bach.

„Ich freue mich auf vorliegende Beratungsprozesse, die ich sehr enge begleiten werde, weil mich das Thema brennend interessiert“, kündigte er an. Sein Traum sei, dass man mithilfe von Daten künftig sogenannte „Digital Twins“ in der Versorgung bekomme. Diese identischen Zwillinge könnten wiederum Daten generieren, um die Versorgung des Einzelnen zu verbessern.

Diesbezüglich wolle er sich in der kommenden Woche in Israel informieren. „Es soll Medizin möglich gemacht werden, die es bisher noch nicht gibt“, sagte Lauterbach. Es sei nicht das Ziel die aktuelle Gesundheitsver­sor­gung lediglich effizienter und transparenter zu machen. „Das Ziel muss bessere Medizin sein.“

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, war zu Gast. Er begrüßte, den Strategie­prozess gemeinsam anzustoßen. Er warnte aber auch vor „Over-Engineering“ und dem Drang alles zu detailliert von Anfang bis Ende zu planen und zu überdenken.

Zudem hätte es diesen gemeinsamen Strategieprozess bereits schon vor der Einführung digitaler Anwendun­gen geben sollen, kritisierte Reinhardt. Dann wäre die Motiva­tion der Handelnden von Anfang an größer ge­wesen, einen Mehraufwand im Zuge der Digitalisierung mitzu­tragen, so Reinhardt.

Pflege warnt vor Mehrbelastung durch die Digitalisierung

Auch Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, warnte vor Doppelbelastungen der Pflegekräfte im Zuge der Digitalisierung. Dies müsse sich bald ändern, denn aktuell bedeuteten digitale Prozesse vor allem Mehrarbeit für alle Beteiligten. Dieses Problem habe er bereits auf dem Schirm, sagte Minister Lauterbach dazu.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) denke mit der Gematik aktuell darüber nach, wie diese Prozesse weiter entbürokratisiert werden könnten. Das BMG sei zudem bereit, bereits eingeschlagene Pfade auch wie­der zu verlassen, wenn es dafür gute Gründe gebe, so Lauterbach.

Die Abteilungsleiterin für Digitalisierung im BMG, Susanne Ozegowski kündigte weitere Details zum Zeitplan an. Das BMG habe für die Erarbeitung der Strategie bereits erste Experteninterviews durchgeführt. „Wichtig war es uns, herauszukristallisieren, um welche wesentlichen Kernstränge wir uns kümmern müssen“, sagte Ozegowski.

Konsultationsverfahren soll online laufen

Im nächsten Schritt stehe ein Online-Konsultationsverfahren an, erklärte Ozegowski. Die Verbände und Interessensvertreter hätten bereits digital einen entsprechenden Fragebogen erhalten. „Nutzen Sie das! Das ist die Chance breit Input zu geben und auf Basis dieses Inputs wollen wir das weitere Vorgehen aufbauen.“

Bis zum 28. September sollen die Online-Fragebögen eingesendet werden. Vor der Auswertung der Ergebnis­se seien außerdem Fachforen für den weiteren Austausch geplant. Ozegowski betonte: „Wir sind definitiv nicht die Erstbesteiger des Gipfels, da gibt es einige vor uns. Aber wir ziehen jetzt zusammen los, um den Gipfel zu erklimmen und passen auf, dass wir keinen vom Grat herunterwerfen, sondern oben gemeinsam ankommen.“

Vorbild Israel

Beispielsweise Israel hat die Nase vorn hinsichtlich der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Ran Balicer von der Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen Israel gab beim Auftakt einen Einblick in aktuelle Projekte und Vorgehensweisen des dortigen Gesundheitssystems.

So ist es in Israel bereits seit 2015 möglich, dass Patienten aufgrund von Datenanalysen proaktiv einen Anruf von Arztpraxen erhalten. Mit diesem Anruf werden Patienten, die ein hohes Risiko haben, etwa an Grippe oder an COVID-19 zu erkranken, informiert und über konkrete Behandlungsmöglichkeiten oder Impfungen aufge­klärt und in die Praxis einbestellt.

Zurzeit funktioniere dieses Vorhersage-Modell auch für die Behandlung mit Paxlovid, erklärte Balicer. Ein KI-basiertes System suche automatisch alle COVID-19-Fälle heraus, die sich am gestrigen Tag angesteckt hatten und deren Risiko für einen schweren Verlauf erhöht ist. Diese Personen erhalten einen Anruf, ob sie Paxlovid nehmen möchten. Falls gewünscht, werde das Medikament am kommenden Tag nachhause geliefert.

cmk

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