Politik

Lauterbach verteidigt geplante Hotspotregelung

  • Dienstag, 15. März 2022
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). /picture alliance, Carsten Koall
/picture alliance, Carsten Koall

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den Entwurf für das neue Infektions­schutz­­gesetz und die darin geplanten Hotspotregelung verteidigt. Er appellierte erneut an die Länder, die Schutz­maßnahmen nicht schon zum 20. März auslaufen zu lassen, sondern die Übergangsfrist bis zum 2. April zu nutzen.

„Politik ist das Finden eines Kompromisses, der funktionieren muss“, sagte er heute im ARD-„Morgenma­gazin“. Einen solchen Kompromiss habe er mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ausgehan­delt. „Wir sind nicht in der Situation, dass man jetzt alle Maßnahmen fallen lassen könnte“, sagte er.

Bundes­weite Maßnahmen seien jedoch nicht mehr so gut begründbar wie vorher, da sich die Coronalage trotz insgesamt hoher Fallzahlen regional unterscheide. Mit der geplanten Neufassung des Gesetzes hätten die Länder die Möglichkeit, geltende Maßnahmen bis zum 2. April zu verlängern.

Einen „Freedom Day“ werde es somit nicht geben. Um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekom­men, müssten die Länder die neue Hotspotregelung aber auch nutzen, sagte Lauterbach. Zur Not bedeute das auch, ein ganzes Bundesland zum Coronahotspot zu erklären, wie es beispielsweise in Bayern erwo­gen wird.

Auf die Frage, ob Änderungen am Infektionsschutzgesetz noch möglich sind, sagte Lauterbach: „Wir dis­ku­tieren natürlich, wir haben auch mit den Fraktionen gestern bis spät in die Nacht verhandelt. Es geht heute weiter, es sind noch Änderungen möglich. Aber ich will einfach das, was wir haben, noch einmal verteidigen: Wenn die Hotspotregelung wirklich von allen genutzt wird, dann können wir damit wirklich viel machen.“

Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt rief in der Diskussion um mögliche Lockerungen zur Beibehaltung der Hygienestandards auf. „Das Einhalten der AHA-Regeln und insbesondere das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes sind weiterhin wichtige Schutzinstrumente“, erklärte Kammerpräsident Uwe Ebmeyer.

Er verwies darauf, dass die Situation in den Krankenhäusern aktuell wieder zunehmend angespannt sei, da sich viele Patienten zusätzlich zu ihrer eigentlichen Erkrankung mit dem Coronavirus infiziert hätten. Zum erhöhten Behandlungs- und Pflegeaufwand komme erschwerend hinzu, dass auch beim medizini­schen Personal ein erhöhter Krankheitsstand zu verzeichnen sei.

Virologen halten das geplante Auslaufen vieler Coronamaßnahmen für punktuell zu weitgehend, sind sich in der Gesamtbewertung aber uneinig. „Man muss nüchtern sehen, dass die Inzidenzen nicht mehr fallen, sondern eher steigen“, sagte der Freiburger Virologe Hartmut Hengel dem Südkurier. Breite sich die Omikron-Untervariante BA.2 weiter aus, müsse man befürchten, dass die Zahlen noch weiter stiegen.

Der Bund plane nur noch mit Coronahotspots als Ausnahmeregelung, obwohl „eine breite Welle bis in den Sommer hinein“ möglich scheine, sagte Hengel. „Wie definiert man denn da Hotspots?“ Ihm fehle ein langfristigeres Denken, sagte der Leiter der Virologie am Universitätsklinikum Freiburg. „Die Pandemie ist nicht vorüber, wir sind eher mittendrin. Wir sollten uns vorsehen, sonst werden wir wieder Opfer unseres Wunschdenkens.“

Der Virologe Thomas Schulz von der Medizinischen Hochschule Hannover sieht die geplanten Locke­rungen hingegen unkritisch. „Aus meiner Sicht ist die einzige Maßnahme, die erhalten bleiben sollte, die Maskenpflicht“, sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. „Sie sollte es weiterhin nicht nur in Bus oder Bahn, sondern auch in Geschäften geben. Sie bietet doch einen guten Schutz vor Ansteckung. Auch in Schulen wäre sie sinnvoll.“

​Die Unionsfraktion im Bundestag warf der Regierung unklare Entscheidungskriterien für die künftigen Coronamaßnahmen vor. „Die geplante Hotspotregelung ist nichts als heiße Luft, denn keines der Krite­rien für die Aktivierung ist klar definiert“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher Tino Sorge der Augsburger Allgemeinen. Im Frühjahr werde es einen „Flickenteppich regionaler Regeln“ geben.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte, die Ampel-Parteien seien weder Team Vorsicht noch Team Freiheit noch Team Augenmaß, sondern „Team Blindflug“. Der schrittweise Ausstieg aus den bisherigen Beschränkungen sei richtig. Aber überstürzt, Hals über Kopf und über Nacht - das sei eindeutig der falsche Weg, sagte er in einer Regierungserklärung im Landtag.

Das neue Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass es auch nach dem Auslaufen der bisherigen Coronare­geln am 19. März eine Reihe von Basisschutzmaßnahmen geben soll, darunter Testpflichten sowie die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr.

Weitergehende Maßnahmen wie die Maskenpflicht in Innenräumen sollen künftig nur noch in Corona­hotspots möglich sein. Der Bundestag befasst sich morgen erstmals mit der Vorlage; am Freitag sollen Bundestag und Bundesrat sie beschließen.

afp/dpa

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