Politik

Lauterbach will Vermittlungs­ausschuss bei der Krankenhausreform vermeiden

  • Montag, 9. September 2024
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) /axentis.de, Georg Johannes Lopata
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) /axentis.de, Georg Johannes Lopata

Berlin – Ein Vermittlungsverfahren im Zuge der Krankenhausreform soll verhindert werden. Das erklärte Bun­desgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute auf dem Krankenhausgipfel der Deutschen Kranken­haus­gesellschaft (DKG).

In den Vermittlungsverfahren seien oft fachfremde Politiker beteiligt, deshalb seien die Ergebnisse aus sol­chen Verfahren häufig auch fachfremder, als wenn man sich vorher geeinigt hätte, so Lauterbach. Entspre­chend solle im parlamentarischen Verfahren auf die Wünsche der Bundesländer eingegangen werden, kün­digte der Minister heute an.

Damit spielt er auf den seit Monaten bestehenden Streit um die Krankenhausreform an. Einige Bundesländer hatten deshalb bereits mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses gedroht, um ihre Forderungen im Ge­setzgebungsprozess durchzusetzen. Diese hatte Minister Lauterbach bislang kaum berücksichtigt.

Für Fachkliniken soll es etwa andere Regeln geben als bislang im Entwurf des Krankenhausversorgungsver­besserungsgesetz (KHVVG) vorgesehen. Damit sollen sie künftig nicht allgemeine Leistungsgruppen und ent­sprechende personelle und technische Ausstattung vorhalten müssen, erklärte Lauterbach.

Zudem sollen etwa Krankenhäuser, die Kinder mit Behinderungen versorgen, von den geplanten Vorhalte­pauschalen ausgenommen werden. Entsprechende Möglichkeiten eines Selbstkostendeckungsprinzips für einige Kliniken hatte er bereits vergangene Woche in Spiel gebracht.

Auf diese „klugen und sinnvollen“ Wünsche der Länder werde man eingehen und für die geplante zweite und dritte Lesung im Bundestag in das KHVVG einbauen, betonte Lauterbach heute.

Der mögliche Termin für die Anrufung des Vermittlungsausschusses wäre der 22. November, erklärte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß. An diesem Tag tagt der Bundesrat nach der möglichen avisierten zweiten/dritten Lesung des KHVVG am 18. Oktober.

Das Gesetz dürfe aber nicht im Bundesrat aufgehalten werden, sagte Gaß. „So weit darf es nicht kommen.“ Kritik gab es heute auch von der brandenburgischen Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Sie bemängelte den knappen Zeitplan und nannte ihn „völlig unrealistisch“.

Weitere Probleme in der Umsetzung

Lauterbach räumte weiter ein, dass sich die Reform auch an anderer Stelle nochmal verändern könnte. So gebe es Schwierigkeiten in der Umsetzung von „zwei, drei Leistungsgruppen“, sagte Lauterbach heute. Prob­leme gebe es etwa bei den geplanten Leistungsgruppen spezielle Geriatrie und spezielle Kinderchirurgie.

Wenn man sehe, dass diese Leistungsgruppen nicht funktionierten, dann werde man diese lassen und sich stattdessen dem Leistungsgruppenkonzept aus Nordrhein-Westfalen annähern, so Lauterbach. Das NRW-Konzept sieht 60 somatische Leistungsgruppen ohne die beiden genannten vor.

Man arbeite zudem weiter an der Folgenabschätzung zur Krankenhausreform, erklärte Lauterbach. Dieses Instrument solle Ende September zur Verfügung stehen. Damit spielt er auf ein Analysetool an, an dem Mit­glieder der Regierungskommission Krankenhäuser sowie Vertreter des GKV-Spitzenverbandes arbeiten. Erste Ergebnisse des Simulationsmodells hatte der Leiter der Regierungskommission, Tom Bschor, dem Deutschen Ärzteblatt im April erläutert.

Weitere Änderungen für die Krankenhausreform schlug Gaß vor. Er appellierte an die Bundestagsabgeordne­ten, das KHVVG entsprechend nachzubessern. Gaß ist vor allem die geplante Vorhaltefinanzierung ein Dorn im Auge.

„Es gibt keine fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung“, sagte Gaß und spielte auf die Regelung im KHVVG an, dass Bundesländer den Krankenhäusern entweder Planfallzahlen für Leistungsgruppen zuteilen müssen oder die Vorjahresfallzahlen gelten, um die Vorhaltefinanzierung zu berechnen und auszuzahlen.

Zuweisung der Planfallzahlen schwierig

Der parlamentarische Staatssekretär im BMG, Edgar Franke (SPD), wies in dieser Debatte auf eben diese Zu­weisung der Planfallzahlen hin. Gaß zufolge sei das „nett aufgeschrieben“, werde aber niemals in die Realität umgesetzt. Denn das würde bedeuten, dass bei der Erhöhung der Planfallzahlen für manche Krankenhäuser eine Reduzierung der Zahlen in anderen Kliniken benötigt werde.

Auch Franke räumte heute überraschenderweise ein: „Es wird keine Entökonomisierung geben.“ Vorjahresfall­zahlen werden schon ein Maßstab für die geplanten Vorhaltevergütungen sein, so Franke. Denn man könne nicht völlig entökonomisieren.

Ökonomie sei auch nicht unethisch im Bereich der Gesundheit, stattdessen solle mit der Krankenhausreform der wirtschaftliche Druck auf die Kliniken reduziert werden. Damit drückte er sich anders aus als Lauterbach, der mantraartig in den vergangenen Monaten immer wieder eine Entökonomisierung im stationären Bereich durch die geplante Krankenhausreform versprochen hatte.

Pauschale Zuschläge für unabhängige Finanzierung

Eine unabhängigere Finanzierung könnte etwa eine Aufstockung der Zuschläge für Krankenhäuser für die Not­fallversorgung sein, schlägt Gaß vor. Auch hinsichtlich der Aus- und Weiterbildung könnten Krankenhäuser künftig pauschale Unterstützungen erhalten, um diesen Bereich künftig besser finanzieren zu können, sagte er weiter. Es gebe viele Bereiche, die man unterstützen könne, ohne Fallzahlen zu berücksichtigen, so Gaß.

Wenn das nicht gemacht werde, drohe eine Wartelistenmedizin, sagte Gaß. Dieser Befürchtung stellte sich Lauterbach entgegen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir davon weit entfernt sind“, sagte er. Es gebe zwar erheb­liche Verzögerungen Termine zu bekommen, dies betreffe aber nicht den Krankenhaussektor, so Lauterbach.

„Die geplante Vorhaltefinanzierung ist keine Vorhaltefinanzierung, sondern eine Art nachgelagerte Fallpau­schalen“, kritisierte auch der Bundestagsabgeordnete von der Gruppe Die Linke, Ates Gürpinar. Er erklärte, die Krankenhausreform sei nicht mit Änderungsanträgen zu retten, sondern gehe in die falsche Richtung.

Erst müsse man die Krankenhäuser finanziell stützen und dann könnte man reformieren, schlug er vor. „Wenn man will, dass die Reform greift, braucht man etwas für den Übergang, damit die Reform auch greifen kann.“

Dem CDU-Bundestagsabgeordneten und gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, zufolge braucht es nach wie vor eine Auswirkungsanalyse sowie eine Bedarfsanalyse der Krankenhausreform. Länder müssten darüber hinaus mehr Öffnungsklauseln erhalten, um Ausnahmen von den Leistungsgruppen für bestimmte Kliniken zu ermöglichen.

Er kritisierte zudem, wie das BMG mit den Bundestagsabgeordneten umgehe. So dürften wichtige Informatio­nen zu den geplanten Rechtsverordnungen oder möglichen Auswirkungsanalysen, wie der derzeit entwickelte Grouper, nicht erst am Abend vor wichtigen Abstimmungen im Bundestag die Parlamentarier erreichen. Dies sei aber schon länger Praxis, kritisierte er.

Der Bundestagsabgeordnete und Grünen-Berichterstatter für Krankenhauspolitik, Armin Grau, verteidigte im Nachgang des Gipfels die Reform. Sie werde die Qualität stärken, falschen ökonomischen Anreize entgegen­wirken und die finanzielle Planungssicherheit für die Kliniken verbessern, so Grau.

Da die wirtschaftliche Situation vieler Kliniken angespannt sei, dulde die Krankenhausreform keinen weiteren Aufschub. „Ohne eine wirksame und zeitnahe Krankenhausreform würden noch viel mehr Krankenhäuser in existenzielle wirtschaftliche Not geraten und ein unkontrolliertes Kliniksterben wäre die Folge.“

Er kündigte aber auch an, dass man das Gesetz noch entsprechend nachschärfen wolle, wo es notwendig sei, um Qualität und Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser im Sinne der Patienten sowie des Personals verlässlich und flächendeckend in unserem Land zu steigern.

„Hierzu werden wir auch in einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss die Einschätzungen von Expertinnen und Experten sowie der Verbände aus der Praxis berücksichtigen.“ Diese Anhörung ist für den 25. September geplant.

cmk

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