Politik

Marburger Bund und DGINA fordern Reform der Notfallversorgung aus einem Guss

  • Donnerstag, 9. Juni 2022
/gpointstudio, stock.adobe.com
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Berlin – Der Marburger Bund (MB) und die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) fordern von der Politik eine Gesamtreform der Notfallversorgung.

In einem neuen Positionspapier warnen sie davor, in Teilbereichen wie der Ersteinschätzung schon jetzt Fakten zu schaffen. „Solange nicht geklärt ist, wie die unterschiedlichen Versorgungsebenen in der ambulanten Notfallversorgung vernetzt werden sollen und welches Leistungsspektrum sie aufweisen, ist die Etablierung eines neuen Ersteinschätzungssystems zur Patientensteuerung losgelöst von einem Gesamtkonzept nicht sinnvoll“, heißt es in dem gemeinsamen Papier.

Nötig sei vielmehr ein integratives Konzept, nach dem die niedergelassenen Ärzte zusammen mit den Notaufnahmeärzten eine umfassende Versorgung gewährleisteten. MB und DGINA sprechen sich für eine validierte, standardisierte Ersteinschätzung der Patientinnen und Patienten nach ihrer Behand­lungsdringlichkeit aus, die für Rettungsdienste, Notdienstpraxen, gemeinsame medizinische Anlaufstellen und für die Rettungsleitstellen verbindlich ist.

„Durch standardisierte Behandlungsabläufe in der Notfallversorgung kann der Sorge vor Qualitäts­unterschieden begegnet werden“, argumentieren sie. „Zwingend notwendig“ sei ein einheitliches IT-gestütztes System, das die standardisierte Vorgehensweise, die einheitliche Dokumentation und durchgängige Informationsketten sicherstelle, so MB und Fachgesellschaft.

Wichtig sei außerdem, dass die Strukturen der Notfallversorgung das Patientenverhalten berücksichtigten und niederschwellig für alle erreichbar blieben. Dies erfordert laut dem gemeinsamen Papier gemeinsame Anlaufstellen an allen Krankenhausstandorten, an denen Notfallversorgung in relevantem Umfang stattfindet.

„Wie in benachbarten europäischen Ländern, sollten Notdienstpraxen zentral und nach Möglichkeit am Krankenhaus verortet sein. Das hat den Vorteil, dass alle diagnostischen Möglichkeiten eines Krankenhauses bei entsprechender Indikation auch der ambulanten Notfallversorgung zur Verfügung stehen und bei Bedarf rasch eine stationäre Aufnahme erfolgen kann“, erläuterten MB und DGINA.

Sie betonen, eine Finanzierung allein aus Mitteln der bisherigen Vergütungssysteme werde nicht ausreichen. „Die Neuausrichtung wird regional auch bauliche Maßnahmen erfordern und muss durch zusätzliche Mittel von Bund, Ländern und Kommunen verbindlich unterstützt werden“, fordern sie.

„Alles überall kann nicht vorgehalten werden. Vor dem Hintergrund knapper und endlicher Ressourcen muss jeglicher Eindruck vermieden werden, es sollten Parallelstrukturen mit 24/7-Diagnostik und -behandlung aufgebaut werden. Dazu ist die Situation schon regional zu unterschiedlich“, kommentierte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), das Positionspapier von MB und DGINA.

Vor allen Dingen könne man nicht auf eine Gesamtreform warten, wie sie die Verfasser des Papiers sich wünschen, so Gassen. Auch müsse vor dem Hintergrund „knapper und sehr endlicher personeller Ressourcen jeglicher Eindruck vermieden werden, es sollten Parallelstrukturen aufgebaut werden.“

„Die Personalressourcen sind insbesondere in den Krankenhäusern teilweise dramatisch knapp. Das gilt nicht nur für die Pflege, sondern auch für den ärztlichen Bereich“, sagte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV. Leitlinie allen Handelns müsse sein, knappe Ressourcen gezielt anzubieten und einzusetzen. Schon deshalb sei es auch wichtig, ein vorgeschaltetes, verpflichtendes, einheitliches und validiertes Ersteinschätzungsverfahren „so schnell wie möglich“ einzuführen.

Immerhin – so die KBV-Vorstände - würden MB und DGINA nicht mehr davon sprechen, dass an allen Krankenhäusern auch eine Notfallversorgung stattfinden müsse.

hil

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