Politik

Merkel mahnt bundesweit einheitliches System zur Kontakt­nach­ver­folgung an

  • Donnerstag, 21. Januar 2021
Angela Merkel /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Michael Kappeler
Angela Merkel /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Michael Kappeler

Berlin – Die Gesundheitsämter in Deutschland sollten sich alle für ein einheitliches System zur Kontakt­nachver­folgung von Infektionen auf das Coronavirus SARS-CoV-2 verständigen. Sie plädiere dafür, dass dies „sehr kurzfristig“ geschehe, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute vor Journalisten in Berlin auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.

Ansonsten werde die Weiterentwicklung des Systems „nie harmonisch“ sein, weil es zu unterschiedlichen Ent­wick­lungsstufen von Software und Schnittstellen komme. „Ein bundeseinheitlicher Ansatz wäre hier schon gut“, sagte sie.

Die Kanzlerin gestand heute auch ein, dass es Nachholbedarf gibt und Zeitpläne nicht eingehalten wer­den konnten. So sei eigentlich mit den Ministerprä­si­denten vereinbart gewesen, mit SORMAS ein ge­mein­­sames Kontakt­nachver­folgungsystem einzusetzen. „Das ist leider bis Anfang Januar nicht gelungen“, so Merkel. Grund sei, dass einige Länder gesagt haben, sie hätten gleichwertige Systeme und wollten Schnittstellen bauen.

Nun habe man aber festgelegt, dass bis Ende Februar alle Gesundheitsämter SORMAS installiert haben müssen. Aber den Gebrauch von SORMAS könne man „mitten in der größten Anstrengung, die die Ge­sundheitsämter erleben“, jetzt nicht einfach etwa von MIKADO auf SORMAS umstellen, räumte sie ein.

Die Kanzlerin betonte zugleich, sie bleibe weiter mit den Gesundheitsämtern im Gespräch. Es brauche verstärkte Anstrengungen bei den Kontaktnachverfolgungen. Wer ein digitales System wie SORMAS ins­talliert habe, könne sehr viel einfacher in Callcentern die Kontaktnachverfolgung regeln. Dafür wolle man in den Semesterferien auch Studenten gewinnen.

In Bezug auf die Impfungen sicherte Merkel zu – wenn alles mit Blick auf geplante Lieferungen und Zu­lassungen weiterer Impfstoffe klappe – „bis Ende des Som­mers jedem Bürger ein Impfangebot“ machen zu können. Sie verwies darauf, dass der Sommer kalendarisch bis zum 21. September geht.

„Ich verstehe die Ungeduld“, sagte Merkel. Sie nahm zugleich den Mainzer Impfstoffentwickler Biontech in Schutz und verteidigte erneut die gemeinsame europäische Impfstoffbeschaffung. Es wäre „furchtbar“, wenn es sonst in Deutschland schon Impfungen gegeben hätte, in kleineren Ländern aber nicht. „Bei der Impfstoffbestellung finde ich, dass wir das Menschenmögliche getan haben.“

Sie betreibe kein Produktionswerk für Impfstoffe und könne daher die Produktion selbst nicht garantie­ren. Die Bundesregierung unterstütze aber etwa den Aufbau eines Biontech-Werks in Marburg, das wei­te­re Kapazitäten schaffe.

Merkel betonte die Erwartung, dass für das erste Quartal insgesamt zugesagte Liefermengen trotz Um­bauten in einer Abfüllanlage des Biontech-Partners Pfizer kommen. Auf die Frage, wie schnell eine Her­denimmunität in Deutschland zu erreichen sei, sagte sie, es sei Entscheidung der Bürger, wie viele sich impfen lassen. Für Kinder gebe es auch keine Impfungen, erläuterte sie.

Merkel wandte sich dagegen, dass es für Geimpfte bereits Ausnahmen von Coronabeschränkungen geben könnte. „Wir wissen nicht, ob der Geimpfte andere anstecken kann. So lange stellt sich die Frage von Privilegien überhaupt nicht.“

Geduld wird auf „extrem harte Probe gestellt“

Die Bundeskanzlerin zeigte auch Verständnis für Unmut und Frustrationen in der Pandemie. „Diese Pandemie ist eine Jahrhundertkatastrophe im Sinne einer Naturkatastrophe. Diese Pandemie wird mit Recht von allen als eine Zumutung empfunden“, sagte sie.

Mit Blick auf die vielen Einschränkungen etwa für Familien, Kultur und Wirtschaft fügte sie hinzu: Es „wäre ganz verwunderlich, wenn da nicht wirklich auch die Geduld auf eine extrem harte Probe gestellt wird und das ist uns doch auch bewusst.“ Der Winter zerre an den Nerven von allen.

Die Entscheidung für ein hohes Datenschutzniveau bei der Corona-Warn-App verteidigte die Kanzlerin heute erneut. Dieses sei sehr wichtig für die Akzeptanz der App, sagte sie. „Eine Corona-Warn-App für sehr viel weniger Nutzer mit einem geringeren Datenschutz wäre auch nicht gut.“

Man habe sich für den dezentralen Ansatz entschieden, sagte Merkel, die die Funktion der App an einem Beispiel verdeutlichte. Wenn jemand in der Straßenbahn gesessen habe, der später positiv auf das Coro­navirus getestet werde, würden die Menschen, die dort in seiner Nähe waren, über ihre Apps gewarnt – vorausgesetzt, der Infizierte meldet seine Infektion in der App. Das geschieht anonymisiert.

Würde man auf diese Anonymisierung verzichten, dann würden die Handynummern aller, die sich in der Nähe aufgehalten hätten, sichtbar und diese Menschen könnten vom Gesundheitsamt angerufen werden. „Ob es die Gesundheitsämter soviel entlasten würde, weiß ich nicht“, sagte Merkel.

Zudem müsse die Regierung mit den Anbietern der Betriebssysteme auf den Smartphones zusammenar­beiten und deren Datenschutzvorkehrungen beachten. Bei einem zentralen Ansatz müsse eine App ganz anders angelegt werden. Eine solche App würde dann mit hohem Stromverbrauch laufen und würde von Apple auch nicht unterstützt.

may/bee/dpa/afp

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