Mutterschutz für Selbstständige rückt näher

Berlin – Das Thema Mutterschutz für Selbstständige kommt langsam in Bewegung. Wie kürzlich bekannt wurde, arbeitet das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) derzeit an einer Finanzierungslösung, um auch Selbstständigen gesetzlich geregelte Mutterschutzfristen zu ermöglichen.
„Ich gehe davon aus, dass wir Anfang nächsten Jahres dem Parlament dazu einen Vorschlag vorlegen werden“, kündigte Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) Ende September an. Doch die Umsetzung gestaltet sich Prien zufolge noch schwierig.
Ein solidarisches Umlagesystem, wie es beim Mutterschutz für Beschäftigte im Einsatz ist, gibt es bei Selbstständigen nicht und eine zusätzliche finanzielle Belastung soll der Familienministerin zufolge möglichst vermieden werden. Gesucht werde deshalb nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten.
Für Selbstständige gibt es bisher keinen gesetzlich verankerten Mutterschutz – sie müssen sich um die finanzielle Absicherung kurz vor und nach der Geburt selbst kümmern und dürfen auch in dieser schutzbedürftigen Zeit weiterarbeiten. Dies kann Auswirkungen auf die Gesundheit haben und je nach Beruf auch zu einem erhöhten Risiko für Infektionskrankheiten beitragen – etwa bei selbstständig tätigen Ärztinnen.
Finanzielle Ausnahmeregelungen und eingeschränkte Unterstützung für Schwangere und frisch gebackene Mütter gibt es lediglich für freiwillig gesetzlich Krankenversicherte mit Anspruch auf Krankengeld, Privat- und Familienversicherte, Versicherte in der Künstlersozialkasse und in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau.
Um die Lücke zu schließen und auch Selbstständigen gesetzlich geregelte und bezahlte Mutterschutzfristen zu ermöglichen, soll das Mutterschutzgesetz, das im Juni dieses Jahres bereits in anderen Bereichen reformiert worden war, nun an dieser Stelle erweitert werden.
Dies war auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD so festgehalten worden: „Wir wollen einen Mutterschutz für Selbstständige analog zu den Mutterschutzfristen für Beschäftigte einführen“, heißt es darin. Dafür würden zeitnah umlagefinanzierte und andere geeignete Finanzierungsmodelle geprüft, Konzepte für die Absicherung betroffener Betriebe mit der Versicherungswirtschaft entwickelt und Aufklärungskampagnen zum Mutterschutz umgesetzt.
Bündnis fordert zeitnahen Gesetzentwurf
Um Bewegung in das im Koalitionsvertrag geplante Vorhaben der Bundesregierung zu bringen, hat das Bündnis Mutterschutz für Selbstständige in der vergangenen Woche Aktionstage veranstaltet und ein Forderungspapier vorgelegt. Plädiert wird darin vor allem für einen zeitnahen Gesetzentwurf und einen geeigneten Finanzierungsrahmen.
„Der Mutterschutz für Selbstständige muss gesetzlich verankert und durch praxisorientierte, finanzielle und strukturelle Maßnahmen realisiert werden“, heißt es im Forderungspapier. „Die Schutzziele – Gesundheit von Mutter und Kind, Sicherung der beruflichen Teilhabe und Schutz vor geschlechtsspezifischer Benachteiligung – müssen unabhängig von der Beschäftigungsform gelten“.
Plädiert wird für die Anpassung des Versicherungsvertragsgesetzes zur Absicherung von Betriebsausfällen, branchenspezifische Lösungen für Absicherungsmodelle, eine solidarische Finanzierung, steuerliche Entlastungen und Förderprogramme. Einkommensausfälle müssten mit Mutterschaftsgeld und Mutterschutzlohn abgesichert werden, heißt es im Papier.
Für die sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt schlägt das Bündnis auch für selbstständige Frauen „einen wirtschaftlichen Ausgleich bei eigenverantwortlicher Arbeitsbefreiung von der beruflichen Tätigkeit“ vor. Es müsse jedoch die Möglichkeit bestehen, innerhalb der Schutzfrist freiwillig arbeiten zu können, um das Fortbestehen des Unternehmens zu sichern.
Bündnisinitiatorin Johanna Röh zufolge drängt die Zeit. Die Schwangerschaft von Selbstständigen müsse insgesamt in den Fokus rücken, betonte sie im Rahmen der Aktionen. Es sei längst überfällig geworden, den Mutterschutz in Deutschland zu reformieren. Viele Frauen entschieden sich aufgrund der finanziellen und gesundheitlichen Unsicherheiten im Mutterschutz bereits gegen die Selbstständigkeit.
Röh empfand die Unterstützung am Aktionstag als sehr positiv. Trotzdem kritisierte sie, dass es politisch noch keinen konkreten Ansatz gebe, wie es weitergehen könne.
Gitta Connemann (CDU), Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung und Schirmherrin der Aktionen, sprach sich im Namen der Bundesregierung für eine Lösung für den Mutterschutz für Selbstständige noch in dieser Legislatur aus. Mutterschutz dürfe kein Pleiterisiko sein, betonte sie. „Ohne Selbstständige keine Wirtschaft, keine Zukunft. Für mich ist eine finanzielle Entlastung selbstständiger Frauen daher eine klare Investition in die Zukunft unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft“, so Connemann.
„Unzureichende Mutterschaftsleistungen, fehlende Vertretungsstrukturen und der Ausschluss aus wichtigen Versicherungsleistungen führen zu wirtschaftlichen und gesundheitlichen Risiken für schwangere Selbstständige“, warnt auch das Bündnis.
Die Absicherungslücke benachteilige selbstständige Frauen im Wettbewerb und hemme die unternehmerische Vielfalt. „Wir fordern daher von der Politik eine umfassende Reform. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichen für eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode zu stellen.“
Unterstützt wird das Bündnis von 45 Organisationen, darunter auch der Deutsche Ärztinnenbund und der Deutsche Hebammenverband. Es war auf Initiative von Johanna Röh, Tischlermeisterin und Mutter, entstanden. Nach einer Petition mit über 110.000 Unterschriften wurde ihr Anliegen in den Koalitionsvertrag 2025 aufgenommen.
5,8 Prozent der Frauen in Deutschland sind selbstständig tätig. 2024 waren dies nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) insgesamt 1,17 Millionen Personen. Angaben des Bündnisses Mutterschutz für Selbstständige zufolge werden jährlich rund 27.000 Selbstständige schwanger.
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