Neubesetzung des Deutschen Ethikrats verzögert sich weiter

Berlin – Es ist ein Novum: Der Deutsche Ethikrat ist nicht arbeitsfähig. Der Grund dafür ist die immer noch ausstehende Nominierung neuer Ratsmitglieder durch die Bundesregierung. Das ist ungewöhnlich, denn bereits Ende April sind viele Mitglieder des interdisziplinär besetzten Gremiums turnusmäßig ausgeschieden.
Der Bundestag hat letzte Woche seine Vorschläge für elf der neuen Kandidatinnen und Kandidaten verabschiedet, die noch fehlenden zehn von der Regierung zu nominierenden Mitglieder hätten heute vom Bundeskabinett bestätigt werden können – doch dies blieb aus. Unklar ist bislang auch, ob dies am kommenden Mittwoch geschehen wird.
Joachim Vetter, der Leiter der Geschäftsstelle des Ethikrats, ist angesichts dieser Hängepartie „nur noch sprachlos“, wie er heute gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt einräumt. Die für die kommende Woche geplante Jahrestagung des Deutschen Ethikrats zum Thema Einsamkeit kann trotzdem stattfinden, wenngleich mit geringer personeller Besetzung.
Derzeit sind mit der Theologin Elisabeth Gräb-Schmidt, dem Physiker Armin Grunwald, dem Bioethiker und Philosophen Mark Schweda und der Philosophin und IT-Expertin Judith Simon allerdings lediglich vier Mitglieder im Ethikrat verblieben, deren Amtszeit noch nicht beendet ist. 20 Mitglieder sind hingegen turnusmäßig ausgeschieden, unter ihnen die bisherige Vorsitzende Alena Buyx, Ärztin und Medizinethikerin an der Technischen Universität München.
Die Organisation der Ratsarbeit ist aufgrund der Gemengelage wahrlich eine Herausforderung für Vetter, der seit 16 Jahren die Geschäftsstelle des Ethikrates mit seinen wechselnden Mitgliedern leitet. Zeit, sich auf neue Ratsmitglieder innerhalb der Regierung zu verständigen, wäre jedenfalls genug gewesen, denn die Neubesetzung folgt einem festen Rhythmus. Die Amtszeit eines gewählten und berufenen Mitglieds beträgt vier Jahre, wobei danach noch eine einmalige Wiederwahl für eine weitere Amtszeit möglich ist. „Eine Situation wie jetzt hat es bei Neu- und Wiederwahlen der Ethikratmitglieder noch nie gegeben“, so Vetter.
Und diese Situation wird wohl auch noch andauern: Eine Neukonstitution des Rates ist Vetter zufolge nämlich frühestens im Juli – also mit bestenfalls etwa dreimonatiger Verzögerung – möglich. Und dies auch nur, wenn die Bundesregierung jetzt schnell ihrer Aufgabe nachkommt und Vorschläge unterbreitet. Andernfalls könne es zu Verzögerungen bis nach der Sommerpause kommen.
Zum Hintergrund: Entsprechend des Ethikratgesetzes muss die Hälfte der eigentlich 26 Ratsmitglieder von der Bundesregierung vorgeschlagen werden, die andere Hälfte vom Parlament. Letzteres erfolgte in der vergangenen Woche. Doch erst, wenn auch die Vorschläge der Regierung feststehen, kann Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den neuen Ethikrat berufen.
Nicht unproblematisch war schon die Wahl der Kandidaten der Fraktionen in der vergangenen Woche durch den Bundestag. Das Parlament nahm zwar die Vorschläge von SPD (die Soziologin Jutta Allmendinger und Psychologin Cornelia Betsch sowie die Pflegewissenschaftlerin Annette Riedel), den Grünen (die Umweltethikerin Uta Eser und Genderwissenschaftlerin Ute Kalender) und der FDP (den Ökonomen Nils Goldschmidt und die Rechtswissenschaftlerin Frauke Meta Rostalski) sowie die Vorschläge der CDU/CSU (die Theologinnen Petra Bahr und Kerstin Schlögl-Flierl, den Mediziner Winfried Hardinghaus und den Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing) an.
Der von der AfD vorgeschlagene Gynäkologe Ronald Weikl wurde allerdings abgelehnt. Der Grund: Er hatte in der Coronapandemie unrechtmäßig Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt und war dafür 2022 vom Landgericht Passau zu einem Jahr Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden.
Dem Deutschen Ethikrat werden in der nächsten Amtsperiode daher auch nur 25 – und nicht wie im Gesetz vorgesehen 26 – Ratsmitglieder angehören.
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