Neue Debatte um nachhaltige Finanzierung zur Pflegeversicherung

Berlin – Die Pflegeversicherung sei „nicht insolvent“ und dies drohe auch nicht. Das betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute in Berlin. Vorausgegangen war ein Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), demzufolge noch im Februar die Zahlungsunfähigkeit drohe – wenn nicht eingegriffen werde.
Die Bundesregierung bürge dafür, dass die Pflegebedürftigen und die Angehörigen sich auch in Zukunft darauf verlassen könnten, dass die Pflegeversicherung für die Versorgung bezahle, stellte Lauterbach dazu klar. Er räumte aber zugleich ein, dass die Pflegeversicherung derzeit finanziell erheblich unter Druck stehe. Man habe eine „Schwäche bei den Einnahmen“ sowie steigende Kosten zu verzeichnen.
Die „unbefriedigende“ Einnahmesituation liege an der aktuell schwachen konjunkturellen Situation. Auf der Kostenseite machten sich der starke Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen sowie die – politisch gewollten – gestiegenen Pflegelöhne bemerkbar.
Lauterbach kündigte an, „in wenigen Wochen“ das Konzept für eine größere Pflegereform vorstellen zu wollen. Man sei hierzu „in der Feinabstimmung“. Dabei kämen alle fraglichen Punkte auf den Tisch.
Der Minister nannte beispielhaft die Etablierung neuer Versorgungsformen, eine Stärkung der pflegenden Angehörigen sowie Aspekte der Finanzierung – wozu neben der Frage der genauen Beitragssätze für 2025 auch die Klärung einer möglichen Einführung von „Vollkaskoelementen“ gehöre.
Bei konkreten Nachfragen verwies Lauterbach auf die angekündigte Vorstellung des Reformkonzepts. Vorher werde man keine detaillierten Aussagen zu einzelnen Maßnahmen treffen.
Der GKV-Spitzenverband, der auch die Pflegekassen vertritt, hatte schon im Juni ein Minus von 1,5 Milliarden in diesem und 3,4 Milliarden Euro im nächsten Jahr prognostiziert.
Rechnerisch entspräche das einer Beitragssatzanhebung von 0,2 Punkten zum nächsten Jahr – der Verband korrigierte aber heute diese Berechnung auf 0,25 Prozentpunkte nach oben. Wenn andere Reformen ausblieben, sei mindestens so viel notwendig, damit die Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung gesichert bleibe.
„Die Finanzsituation der sozialen Pflegeversicherung ist schlecht und das kann niemanden wirklich überraschen. Seit vielen Monaten wird von allen Seiten davor gewarnt, dass die Beitragseinnahmen der Pflegeversicherung nicht mit den Ausgaben Schritt halten können“, sagte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.
Aus Sicht der Kassen bieten sich zwei Sofortmaßnahmen zur kurzfristigen Stabilisierung der Pflegeversicherung an: So sollten die rund 5,3 Milliarden Euro Sonderausgaben aus Coronazeiten durch den Bund ausgeglichen werden.
Zudem werde die Pflege durch die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige massiv belastet. Dies summiere sich für 2024 auf rund 4 Milliarden Euro, für 2025 rechne man mit 4,5 Milliarden Euro. Auch hier sei eine Gegenfinanzierung aus Bundesmitteln zu fordern.
Der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, wandte sich gegen Beitragserhöhungen in der Pflegeversicherung. Die fehlenden elf Milliarden Euro müssten aus Steuermitteln finanziert werden, weil der Pflegeversicherung versicherungsfremde Kosten aufgebürdet worden seien, so der frühere bayerische Gesundheitsminister.
Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) mahnte eine nachhaltige Reform der Pflegeversicherung an. „Wer jetzt mit dem Rücken zur Wand schnelle Beitragserhöhungen beschließt, löst keine strukturellen Probleme, aber verschärft die soziale Ungleichheit im Land“, sagte sie.
Die Bundesregierung und Bundesgesundheitsminister Lauterbach müssten jetzt Weichen für eine Reform stellen. „Bis heute hat der Bundesgesundheitsminister dazu leider kein Konzept vorgelegt, das fällt ihm jetzt auf die Füße.“
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