NRW-Krankenhausreform: Umstrukturierung vor allem im „Mittelbau“ der Versorgung

Düsseldorf – Die Zuteilung der Leistungsgruppen in Nordrhein-Westfalen (NRW) führt vor allem zu einer Veränderung der Krankenhausstruktur im teilspezialisierten Bereich, also im „Mittelbau“ der Versorgung. Dazu gehören etwa elektive Eingriffe, wie das Einsetzen von künstlichen Knie- oder Hüftgelenken, und die Behandlung von Krebserkrankungen. Das zeigt eine Analyse des Science Media Center (SMC).
In der Grundversorgung strebt das Land im Westen Deutschlands demnach kaum Veränderung in den Kliniken an. Auch im hochspezialisierten Bereich gibt es nur wenige Verschiebungen von Leistungsgruppen zwischen den Standorten. Dies ist mit einer bereits hohen Konzentration zu erklären.
Die Analyse zeigt weiter, dass aufgrund der Verteilung der neuen Leistungsgruppen keine konkreten Klinikschließungen erkennbar sind. „Für viele Krankenhäuser bedeutet die Reform aber eine Herausforderung“, schreibt das SMC.
Denn sie müssten sich anpassen und möglicherweise ihr bisheriges Angebot stark einschränken oder erweitern, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dies habe auch Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Kliniken, so das SMC.
Die Zuweisung der Leistungsgruppen werde zudem zu einer Umverteilung der Patientenströme führen, was den Wettbewerb unter den Kliniken verschärfen dürfte, erklärte das SMC. Das Klinikpersonal werde sich außerdem eher in Richtung von Kliniken mit vielen Leistungsgruppen und hohen Fallzahlen orientieren.
In Nordrhein-Westfalen läuft die Krankenhausplanung anhand der Zuteilung von Leistungsgruppen bereits seit einiger Zeit. Gesundheitsverbände, die Selbstverwaltung und das Landesgesundheitsministerium in Düsseldorf (MAGS) haben die Leistungsgruppen in einem jahrelangen Prozess gemeinsam entwickelt.
Diese gelten als Blaupause für die geplante bundesweite Krankenhausreform, die derzeit diskutiert wird. Die Leistungsgruppen geben genaue Vorgaben zu personeller und technischer Ausstattung vor. Nur wer eine solche Leistungsgruppe zugeteilt bekommen hat, darf auch die entsprechende Leistung erbringen. Ziel ist eine bessere, aber auch effizientere Patientenversorgung.
Die vorläufige Entscheidung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums zur Zuteilung der Leistungsgruppen und Genehmigung konkreter Fallzahlen liegt seit Mitte Juni vor. Zuvor hatten Krankenhäuser und Krankenkassen eine entsprechende Verteilung der Leistungsgruppen und zugehörigen Fallzahlen verhandelt. Derzeit können die Krankenhäuser in NRW auf die vorläufige Zuteilung Stellung nehmen. Bis Ende des Jahres soll eine endgültige Zuteilung erfolgen.
Kaum Einschränkung der Grundversorgung
Die Entscheidung über die Genehmigung der beantragten Leistungsgruppen erfolgt vor allem nach der Erfüllung der Mindestkriterien der Leistungsgruppen. Teilweise werden mehr Fallzahlen genehmigt, etwa weil ein anderes Haus in der Region geschlossen wurde und die umliegenden Kliniken die Versorgung auffangen müssen. Und: Etwa jede zehnte Klinik – von den insgesamt 553 Klinikstandorten in NRW – bekommt dem SMC zufolge mehr als die Hälfte ihrer beantragten Leistungsgruppen nicht genehmigt.
Dass die Grundversorgung nicht stark eingeschränkt werden soll, zeigt etwa die Verteilung der Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin oder Allgemeine Chirurgie. Von 306 Kliniken, die in NRW künftig Allgemeine Innere Medizin anbieten wollen, werden lediglich elf nicht in der vorläufigen Zuteilung des Landes berücksichtigt, zeigt das Analysetool vom SMC.
Bei der Allgemeinen Chirurgie werden zehn Kliniken von 285 nicht in die Planung mit aufgenommen. Bei den Geburten sieht es ähnlich aus. Von 133 Kliniken, die künftig Geburten ermöglichen wollen, sollen sechs nicht an der Versorgung teilnehmen.
Verlierer sind etwa das St. Josefs-Krankenhaus Hilden oder das Asklepios Krankenhaus Sankt Augustin, die alle drei grundversorgenden Bereiche künftig nicht anbieten dürfen sollen. Keine Allgemeine Innere und Chirurgie sollen zudem etwa das St. Johannes Hospital in Hagen, das Krankenhaus Rahden oder das St. Marien Krankenhaus in Ratingen leisten dürfen.
Auffällig ist auch, dass für die Allgemeine Innere und Chirurgie in den städtischen Gebieten und Ballungsgebieten so gut wie keine Standorte wegfallen. Insbesondere in und um Köln fallen keine Standorte weg oder sind weniger Fallzahlen für Kliniken genehmigt worden als beantragt. Dem gegenüber steht die oft genannte Kritik, dass Ballungsgebiete in NRW häufig überversorgt und ländliche Regionen eher unterversorgt seien.
Wenig Konzentration von pädiatrischen Bereichen
Stationäre pädiatrische Einrichtungen sind bereits relativ dünn verteilt, hier sieht das Land NRW keine Konzentration vor. Bei der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin fallen von den 71 Kliniken, die Leistungsgruppen beantragt haben, nur zwei weg. Ähnlich ist es bei der allgemeinen Kinder- und Jugendchirurgie geplant. Auch hier werden vermutlich nur zwei Standorte von den beantragten 71 Kliniken nicht beauftragt.
In der spezialisierteren Versorgung und insbesondere bei elektiven Eingriffen sieht die künftige Krankenhausplanung anders aus. Konzentrieren will das Land vor allem in den Bereichen Endoprothetik Hüfte und Knie.
Von 235 Klinikstandorten haben für den Einsatz von künstlichen Hüftgelenken nur knapp die Hälfte der Kliniken (126 Kliniken) die Erlaubnis zur Behandlung erhalten. Von 212 Kliniken für das Einsetzen von künstlichen Kniegelenken sind es ebenfalls lediglich 126 Kliniken. Dabei hat das MAGS offenbar eine Art Mindestmenge von 100 Fällen pro Jahr festgesetzt (bis auf vereinzelte Ausnahmen).
Auffällig ist, dass hinsichtlich dieser beiden Leistungsgruppen offenbar viel in Ballungsgebieten konzentriert werden soll. Das Universitätsklinikum Düsseldorf darf zudem künftig keine Endoprothetik Knie und Hüfte mehr erbringen. Sie hatte 65 beziehungsweise 80 Fälle beantragt und vom Land jeweils 0 Fälle zugeordnet bekommen.
Tiefe Rektumeingriffe mindestens alle zwei Wochen
Bei der Leistungsgruppe „Tiefe Rektumeingriffe“, bei der eine hohe Expertise gefordert ist, erhielten nur 80 von 178 Kliniken den Zuschlag (45 Prozent). Bei dieser Gruppe werde deutlich, dass Kliniken den Bedarf dieser Operationen oft falsch einschätzten, schreibt das SMC.
Im Regierungsbezirk Düsseldorf liege auf der Planungsebene insgesamt eine Überzeichnung durch die beantragenden Krankenhäuser vor, sodass zur Sicherstellung der Versorgung nur der Teil des prognostizierten Bedarfes berücksichtigt werden könne, hieß es demnach in der Anhörung der Bezirksregierung Düsseldorf.
Für die Erbringung der Leistungsgruppe wurden nur leistungsstarke Kliniken berücksichtigt, die derlei Eingriffe im Durchschnitt mindestens alle zwei Wochen oder öfter durchführen. Klar wird auch, dass Kliniken die zuletzt niedrige Fallzahlen hatten, die Leistungsgruppe künftig nicht mehr durchführen sollen. Erst ab etwa zwanzig Fälle pro Jahr werden sie in der Krankenhausplanung berücksichtigt (siehe Grafik).

Ein weiteres Beispiel, das die Konzentration in den spezialisierten Bereichen zeigt, ist die Behandlung von Brustkrebs. Die zugehörige Leistungsgruppe Senologie sollen künftig 75 von 103 beantragten Kliniken in NRW erbringen dürfen. Hier hat das MAGS eine Mindestzahl an 100 Fallzahlen pro Jahr angesetzt. Dies läuft konform mit der Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), das Kliniken ab 2025 mindestens 100 Eingriffe pro Jahr zur Behandlung von Brustkrebsoperationen erbringen müssen.
Auch etwa bei der Thoraxchirurgie soll konzentriert werden. So ist ein Drittel der Klinikstandorte von den 54 beantragten Kliniken nicht mehr bei der Erbringung der Leistungen dabei (18). Die Mindestmenge hat das MAGS auf 75 Fälle pro Jahr angesetzt und geht damit ebenfalls konform mit der G-BA Regelung zur Operation von Lungenkrebs, die auf diese Zahl ab 2025 gesetzt wurde.
Organtransplantationen wird an einzelnen Standorten konzentriert
Konzentration ist zudem auch bei der Erbringung von Organtransplantationen vorgesehen. Lungentransplantationen sollen künftig nur noch das Universitätsklinikum Essen und das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen erbringen dürfen.
Zwei weitere Standorte, die Uniklinik Köln und das städtische Krankenhaus Köln-Merheim sind für diese Leistung künftig nicht vorgesehen. Herztransplantationen werden laut der vorläufigen NRW-Planung nur noch am Herz- und Diabestzentrum NRW und dem Universitätsklinikum Düsseldorf stattfinden. Die Unikliniken Essen, Bonn und Köln sind hierfür nicht vorgesehen.
In anderen spezialisierten Bereichen gibt es hingegen kaum Konzentration. Beispielsweise bei der Herzchirurgie wird nur ein Klinikstandort von den beantragten 16 Kliniken von der Versorgung künftig ausgeschlossen. Das betrifft der Darstellung der SMC-Daten nach den Standort der Cardio Clinic Köln, der zur Uniklinik Köln gehört. An der Uniklinik Köln selbst bleibt die Herzchirurgie erhalten.
Auch bei der Augenheilkunde und den Haut- und Geschlechtskrankheiten sollen die meisten Kliniken die Leistungen auch erbringen dürfen. In der Augenheilkunde haben neun von 48 Kliniken keinen positiven Bescheid erhalten und bei der Dermatologie sind es lediglich zwei von 24 Krankenhäusern, die keine Leistung erbringen dürfen.
Auch in der Leistungsgruppe Kinder-Hämatologie und -Onkologie - Leukämie und Lymphome werden fast alle Krankenhäuser für die künftige Versorgung berücksichtigt. Bei der Herzchirurgie für Kinder und Jugendliche wird auf keinen der sechs angemeldeten Standorte verzichtet.
Hinweis d. Red.: In der ursprünglichen Fassung hieß es, bei der Herzchirurgie werde nur ein Klinikstandort von den beantragten 16 Kliniken von der Versorgung künftig ausgeschlossen, die Uniklinik Köln. Das war missverständlich formuliert. Die Aussage bezieht sich auf den Standort Cardio Clinic Köln.
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