Politik

NS-„Euthanasie“ und Zwangs­sterilisationen: Forschung soll intensiviert werden

  • Freitag, 31. Januar 2025
/picture alliance, Marijan Murat
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Berlin – Die Verbrechen der Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderung und psychisch Kranken sollten stärker als bisher erforscht werden. Diesen Auftrag hat der Bundestag vorgestern Abend an die Bundesregierung erteilt.

SPD, Union, Grüne und FDP riefen die Bundesregierung auf, ein Projekt zu initiieren, um bundesweit Patienten­akten (Krankengeschichte und Verwaltungsakten) und Personalunterlagen der Täter zu lokalisieren, zu sichern und zu konservieren, um sie für Forschung, Bildung und Anfragen nutzbar zu machen.

Dabei soll es sowohl um Akten gehen, die sich in öffentlicher Hand befinden, als auch um Datenbestände in privaten Institutionen oder Archiven von Einrichtungen wie etwa der Wohlfahrtspflege und der Kirchen. Die Archivierung der originalen Unterlagen in Gedenkstätten und Erinnerungsorten soll auch künftig dezentral erfolgen, um keine Doppelstrukturen zu schaffen.

Das Projekt soll unter der Beteiligung der Gedenkstätten an den Orten ehemaliger „Euthanasie“-Tötungsanstalten, des Instituts für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin an der Berliner Charité, der Verbände von Men­schen mit Behinderungen sowie geeigneter Vertreter der „Disability Studies“ durchgeführt werden. Zudem soll es eine nationale Fachtagung geben.

Darüber hinaus rufen die vier Fraktionen die Bundesregierung auf, die Gedenkstätten an den Orten der ehema­ligen „T4“-Tötungsanstalten auch in Zukunft nachhaltig zu unterstützen, um die bauliche Substanz vor Ort zu erhalten und um die zunehmenden Herausforderungen bei der Aufarbeitung von Archivmaterialien und den zu leistenden Beratungsaufgaben bewältigen zu können.

Die Antragsteller fordern den Bundestag darüber hinaus auf, die Opfer der NS-„Euthanasie“ und die Opfer von Zwangssterilisation als Verfolgte des NS-Regimes anzuerkennen. Das ist bisher nicht passiert. Betroffene haben bislang keinen rechtlichen Anspruch etwa auf Entschädigungen oder Hilfen.

Im Zuge der sogenannten „Aktion T4“ wurden mehr als 70.000 Morde an Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten während der nationalsozialistischen Diktatur verübt. „T4“ ist benannt nach der Adresse der damaligen „Zentraldienststelle T4“ an der Tiergartenstraße 4, wo sich heute der Gedenk- und Informa­tions­ort befindet.

Diese Dienststelle war vom nationalsozialistischen Regime mit der Durchführung der Ermordungen von Men­schen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten beauftragt worden. Durchgeführt wurden die Ermor­dungen von Ärzten und Pflegekräften.

Insgesamt wurden in Einrichtungen des Deutschen Reichs 200.000 Menschen in verdeckten Aktionen ermordet. Europaweit wird von 300.000 Tötungen ausgegangen. Hinzu kommen 400.000 Opfer von Zwangs­sterilisie­run­gen.

EB

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