Nur kurzes Zeitfenster für Reformen beim Bevölkerungsschutz

Berlin – Für grundlegende Reformen im Krisenmanagement sieht der neue Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, nun ein sehr kurzes Zeitfenster.
„Das Fenster für die derzeit durch die Pandemie veränderte Wahrnehmung beim Thema Katastrophenschutz ist jetzt etwa sechs Monate offen“, sagte Schuster bei einer Veranstaltung der Bundestagsfraktion der Grünen zum „Systemupdate gesundheitlicher Bevölkerungsschutz“.
Nach der Vorstellung seines Konzeptes für die Zukunft des Bundesamtes mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vergangene Woche, wirbt Schuster jetzt besonders bei den Bundesländern dafür, enger zusammenzuarbeiten. „Es gibt gerade ein Klima, einiges zusammen zu schaffen.“
Daher wolle er nun nicht über juristische Fragen von Zuständigkeiten diskutieren und damit Zeit verlieren. „Wichtiger als die Rechtsgrundlage ist die Frage, auf welcher Stufe der Bevölkerungsschutz in der Priorisierung der Politik ist“. So gebe es aus seiner Sicht gerade in der medizinischen Taskforce einen Bewusstseinswandel, die derzeitige Pandemiesituation als Bewusstseinswandel zu nutzen.
Laut Schuster gebe es bundesweit beispielsweise keine Auskunft darüber, welche Reserven an Gütern, Versorgungsmaterialien, Rohstoffe oder anderes von den einzelnen Ländern sowie bei den Hilfsorganisationen vorgehalten werden und eingelagert sind. Hier wolle er – auch ohne gesetzliche Änderung – nun einen „360-Grad-Blick“ zwischen Bund, Ländern und Organisationen schaffen.
Er treffe mit seinen Vorschlägen „auf offene Türen“, so Schuster. Die an der Diskussion beteiligten Grünen Bundestagsabgeordneten, dazu zählen die Gesundheitsexperten Kordula Schulz-Asche und Janosch Dahmen sowie die Sprecherin für Innenpolitik Irene Mihalic, hatten vor allem zu notwendigen Gesetzesänderungen Fragen. Hier riet Schuster zum Pragmatismus und Gesprächen mit möglichst vielen Landesvertretern.
Auch Detlef Cwojdzinski vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) und derzeit verantwortlicher für die Projektsteuerung der Berliner Impfzentren, plädierte für mehr Zusammenarbeit und vor allem mehr Übungen für Krisenfälle. „Wir brauchen eine neue Übungskultur in Deutschland, die jeweils nicht ein so riesiger Aufwand sind.“ Ebenso sollten alle Bundesländer regelmäßig eigene Risikoanalysen erstellen und diese auch gegenseitig abgleichen.
In der Pandemie ist derzeit vor allem der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) im Blickfeld. Aus der Erfahrung von Ute Teichert, die Vorsitzende des Berufsverbandes der Ärztinnen und Ärzte im ÖGD, hängt bei der Kommunikation in solchen Krisenzeiten viel davon ab, ob die Institutionen in Netzwerken denken.
„Außerdem muss mit einer Sprache gesprochen werden: Gesundheits- und Innenexperten haben oft eine ganz andere Sprache, wie sie Krisen bewältigen wollen. Daher muss die wesentliche Grundlage sein, sich besser verständigen zu können.“ Die Akademie für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, deren Direktorin Teichert ist, biete dafür auch Fortbildungen an – wird derzeit aber nur von zehn Bundesländern finanziert.
„Hier muss darüber nachgedacht werden, ob Fortbildungen auf nationaler Ebene stattfinden müssen.“ Speziell bei der Pandemie erklärte Teichert, dass die Frage der Freiwilligen zur Unterstützung der Ämter wie mit der Initiative „Studis4ÖGD“ zwar gut sei, aber oft schwierig in der Organisation.
So meldeten Ämter ihr zurück, dass zwar viele Leute sich für eine Mitarbeit interessieren, aber eben auch „ständig neue Mitarbeiter eingearbeitet werden müssen.“ Auch kritisierte sie, dass Bund, Länder, jede Kommune sowie viele andere Institutionen eigene Telefonhotlines geschaltet haben. „Jeder baut so was alleine auf, jeder geht da anders vor.“ Sie regte an, auch im künftigen Bevölkerungsschutz daran zu denken, wie man Informationen am Telefon für Bürger besser organisieren könnte.
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