Organspende: Irreversibler Hirnfunktionsausfall ist zwingende Voraussetzung

Berlin – Zwingende medizinische Voraussetzung für eine postmortale Organspende ist dem Transplantationsgesetz (TPG) zufolge der irreversible Hirnfunktionsausfall bei einem Menschen. Dies stellt jetzt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/15149) auf eine Kleine Anfrage (20/15095) der AfD-Fraktion klar. Diese hatte sich im März insbesondere nach der Feststellung des Hirntodes vor einer möglichen Organspende und der Aufklärung der Bevölkerung zum Thema Organspende erkundigt.
Dem Transplantationsgesetz zufolge müsse der Tod eines Organ- oder Gewebespenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, vor einer Entnahme von Organen oder Geweben sicher festgestellt sein, betont die Bundesregierung. Diese sei unzulässig, wenn nicht der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes eingetreten sei.
Die Bundesregierung stellt klar, dass der irreversible Hirnfunktionsausfall nicht nur „ein Krankheitsbild“ ist, wie in der Anfrage der AfD unterstellt. „Mit Eintritt des sogenannten Hirntods (irreversiblen Hirnfunktionsausfalls) sind sämtliche Gehirnfunktionen (Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm) unwiederbringlich erloschen“, heißt es in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD. Es sei weltweit in keinem einzigen Fall eine Erholung der Hirnfunktion eines Menschen nach irreversiblem Hirnfunktionsausfall nachgewiesen worden. „Der sogenannte Hirntod gilt als sicheres, gleichberechtigtes inneres Todeszeichen neben äußeren Todeszeichen wie Totenflecken oder Totenstarre.“
Zum Hintergrund: Die Bundesärztekammer stellt in Richtlinien den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Regeln zur Feststellung des Todes nach dem Transplantationsgesetz (TPG) und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach dem TPG sowie der dazu jeweils erforderlichen ärztlichen Qualifikation fest. Bei der Erarbeitung der Richtlinien werden auch Sachverständige der betroffenen Fach- und Verkehrskreise, einschließlich des Spitzenverbandes der Krankenkassen (GKV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) sowie der Koordinierungsstelle und der Vermittlungsstelle nach TPG und der zuständigen Behörden der Länder beteiligt. Zudem wird durch einen Genehmigungsvorbehalt durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sichergestellt, dass die Richtlinien ordnungsgemäß zustande kommen und mit dem TPG vereinbar sind.
„Das Vertrauen jeder und jedes Einzelnen in den gesamten Prozess der Organspende setzt regelmäßig Wissen über die Möglichkeiten, die Voraussetzungen und die Bedeutung der Organspende voraus“, so die Bundesregierung. Dieses werde durch im TPG ebenfalls umfassend geregelte Aufklärung vermittelt. So stelle das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG), ehemals Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), umfangreiche und detaillierte Informationsmaterialien zur Verfügung.
„Die erhebliche Bedeutung einer umfassenden und kontinuierlichen Aufklärung wird auch durch die repräsentativen Umfragen des BIÖG bestätigt“, heißt es weiter. Angesichts der vielen Patientinnen und Patienten, die auf ein Spenderorgan warteten, und der anhaltend niedrigen Spenderzahlen seien eine Vielzahl wichtiger struktureller Maßnahmen im TPG verankert, beispielsweise eine verbesserte Zusammenarbeit in den Entnahmekrankenhäusern und deren Finanzierung sowie Maßnahmen zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft und das vor einem Jahr in Betrieb gegangene Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende.
In ihrer Kleinen Anfrage hatte sich die AfD auch nach den Auswirkungen der Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende in anderen Ländern erkundigt. Die Bundesregierung verweist dazu auf Studien für Großbritannien, die Niederlande, Schottland und Wales. Diese würden positive Entwicklungen nach Einführung der Widerspruchsregelung belegen. Allerdings seien die Unterschiede in den Organspenderaten multifaktoriell und nicht allein auf die Widerspruchsregelung zurückzuführen, gibt die Bundesregierung gleichzeitig zu Bedenken. Die Vergleichs- und Langzeitstudien seien nur bedingt aussagekräftig, da Ausgangsbedingungen und Voraussetzungen in den verschiedenen Ländern stark variierten.
„Für viele schwerkranke Menschen ist eine Organtransplantation die einzige Möglichkeit, ihr Leben zu retten oder ein schweres Leiden zu lindern“, betont die Regierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage. Viele Menschen, die auf der Warteliste für eine Organtransplantation stünden, würden sterben, weil kein Spenderorgan rechtzeitig für sie zur Verfügung stehe.
Derzeit befinden sich in Deutschland mehr als 8.400 Menschen auf der Warteliste für eine Organtransplantation. Von Januar bis September 2024 verzeichnete die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) 714 postmortale Organspenderinnen und Organspender gegenüber 718 im Vergleichszeitraum im Jahr 2023. Die Anzahl von Organspenden reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken.
Der eklatante Mangel an Spenderorganen und das Leid der Menschen auf der Warteliste waren auch die Gründe für die parlamentarische Initiative zur Einführung einer Widerspruchsregelung in Deutschland in der vergangenen Legislaturperiode. Da es jedoch vor den Neuwahlen im Februar nicht mehr zu einer Abstimmung über eine Reform der Organspende kam, wollen die Initiatorinnen und Initiatoren eines fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfes zur Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende demnächst eine erneute parlamentarische Debatte dieses Themas anstoßen.
Derzeit gilt in Deutschland die Entscheidungslösung, der zufolge nur Menschen Organspender sind, die zu Lebzeiten explizit eingewilligt haben. Für diese gesetzliche Regelung hatte sich 2020 der Bundestag ausgesprochen. Ein Antrag, der eine Widerspruchslösung vorsah, fand damals keine Mehrheit.
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