Parlamentarier beraten über Fehlanreize und Nachsteuerungen bei der Krankenhausreform

Berlin – Die Bundestagsabgeordneten beraten derzeit in Berichterstattergesprächen über die Krankenhausreform. Insbesondere mögliche Fehlanreize und entsprechende Nachsteuerungen seien derzeit Gegenstand der Diskussionen, erklärte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Edgar Franke (SPD), heute bei der Eröffnung des Hauptstadtkongresses (HSK).
Franke betonte dabei die Notwendigkeit der vorgesehenen Planfallzahlen, die die Länder für Leistungen bestimmter Leistungsgruppen festlegen sollen. Wenn die Länder keine Planfallzahlen im Zuge der neuen Krankenhausplanung bestimmen, sollen laut Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) die bisherigen Ist-Fallzahlen als künftiger Maßstab zur Berechnung der geplanten Vorhaltefinanzierung gelten.
Länder könnten deshalb über die Planfallzahlen direkt mit der Vorhaltevergütung Einfluss auf die Krankenhäuser nehmen, sagte Franke. Wenn ein Bundesland einem Krankenhaus etwa 800 Hüftoperationen zuschreibe, dieses aber nur 500 pro Jahr leiste, erhalte die Klinik trotzdem die Vorhaltefinanzierung für die geplanten 800 Operationen.
Allerdings warnte Franke auch davor, dass der Kuchen zur Finanzierung von stationären Leistungen mit diesem Prinzip nicht größer werde, sondern nur für eine unterschiedliche Verteilung sorge. Diese Punkte würden derzeit in den Berichterstattergesprächen im Bundestag diskutiert. Dabei gehe es darum, mögliche Fehlanreize zu erkennen und entsprechend nachzujustieren.
Die Krankenhausreform sieht die Einführung von 65 Leistungsgruppen vor, die bundesweit einheitliche Qualitäts- und Ausstattungskriterien festlegen sollen. Die Bundesländer sollen im Rahmen ihrer Krankenhausplanung den Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen können. Damit sollen eine Gelegenheitsversorgung ausgeschlossen und die Qualität der Patientenversorgung verbessert werden.
Zudem soll an die Leistungsgruppen eine Vorhaltefinanzierung von 60 Prozent der gesamten Betriebskosten geknüpft werden. Der Rest soll weiterhin über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) finanziert werden. Morgen wird das KHVVG erstmalig im Bundestag in erster Lesung beraten. Die Anhörung im Gesundheitsausschuss und eine zweite Lesung sind für den Herbst geplant.
Die Krankenhausreform sei das gesundheitspolitisch wichtigste Vorhaben der aktuellen Zeit, erklärte Franke weiter. Alle Krankenhäuser würden die Notwendigkeit der Reform einsehen, weil sie um ihre Existenz kämpften. Das Problem sei aber nicht die Reform, wie es manchmal heiße, sondern dass sie viel zu lange verschleppt worden sei, sagte der Staatssekretär.
Bessere Patientenversorgung und Entbürokratisierung im Vordergrund
Es gebe zwei Kriterien, an denen sich die Reform messen lassen müsse, erklärte heute Jens Scholz, Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und wissenschaftlicher Leiter des Forums Spitzenmedizin des HSK. Das sei zum einen, ob die Versorgung für die Patienten besser werde oder nicht und zum anderen, ob sie zu Entbürokratisierung führe.
Er befürchtet zudem, dass die Regelungen des KHVVG im parlamentarischen Prozess aufgeweicht werden. Stattdessen plädierte Scholz dafür, den Kurs zu halten und für eine qualitative Verbesserung der Patientenversorgung zu sorgen. Er befürwortete die Mindestfallzahlen, so dass nicht jeder alles machen dürfe.
Iris Hauth, frühere ärztliche Direktorin vom Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee und wissenschaftliche Leiterin des Ärzteforums auf dem HSK, betonte die Notwendigkeit, dass Ärztinnen und Ärzte durch die Klinikreform mehr Zeit für Patienten erhalten müssten.
Dafür brauche es klare Maßnahmen zur Entbürokratisierung, allerdings zeigte sich Hauth skeptisch, dass diese bereits in der Krankenhausreform enthalten seien. Zudem würden mehr Qualität und mehr Sicherheit für die Patienten benötigt. Dabei könnte es Hauth zufolge sein, dass die geplanten 60 Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen plus fünf weitere nicht ausreichen würden.
Beispielsweise fürchte die Deutsche Schmerzgesellschaft um ihre interdisziplinären Schmerzambulanzen, die durch die Krankenhausreform nicht weiter betrieben werden könnten, sagte Hauth. Sie bezweifelte zudem, dass die geplanten sektorenübergreifenden Einrichtungen immer auch gute Behandlungen ermöglichen und dass Ärztinnen und Ärzte dort ausreichend lernen könnten.
Positiv betrachte sie hingegen das geplante Aufbrechen der DRG-Finanzierung mit der geplanten Vorhaltefinanzierung. Es sei gut, nicht mehr immer mehr Fälle leisten zu müssen, um sich finanzieren zu können, so Hauth.
Pflege zu wenig eingebunden
In der Krankenhausreform sei hingegen die Pflege deutlich zu wenig eingebunden, bemängelte die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) und wissenschaftliche Leiterin des HSK-Pflegemanagementkongresses, Vera Lux. Sie sprach sich zudem für eine Erweiterung der Pflegekompetenzen aus. Entsprechend müsse man im geplanten Pflegekompetenzgesetz auch nochmal nachbessern.
Entscheidend sei aber vor allem, dass man zu einem Ergebnis bei der Krankenhausreform komme, betonte Matthias Bracht, Vorstandsvorsitzender der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG) und wissenschaftlicher Leiter des Gesundheitsmanagementkongresses. Denn das Management der Kliniken brauche dringend Planungssicherheit.
Für eine Gestaltung durch die Krankenhausmanager brauche es zudem eine auskömmliche Finanzierung, so Bracht. In Deutschland passten die Strukturen aber oft nicht mehr zum Versorgungsbedarf. Und: Vorhaltung, die nicht bedarfsnotwendig sei, verschwende personelle und finanzielle Ressourcen, kritisierte Bracht.
Der Kongresspräsident des HSK, Karl Max Einhäupl, befürchtet, dass sich die Krankenhauslandschaft durch die Krankenhausreform weit weniger verändern werde, als manche hoffen oder befürchten würden. Das habe vor allem mit dem föderalen System und der Interessen der Länder zu tun, sagte Einhäupl. Aber auch Partikularinteressen oder Verbände sowie die regionale Verteilung würden das Ergebnis der Reform deutlich beeinflussen.
Franke zeigte sich hingegen zuversichtlich, dass die Krankenhausreform zum 1. Januar 2025 in Kraft treten werde. Auch die Länder hätten ein Interesse das Gesetz durchzubringen, da mit dem KHVVG finanzielle Mittel für die Krankenhäuser, etwa die rückwirkende Übernahme von Tarifkostensteigerungen des gesamten Krankenhauspersonals für 2024 vorgesehen seien.
Der Bund müsse sich mit den Ländern aber auch noch zu drei zur Krankenhausreform zugehörigen zustimmungspflichtigen Rechtsverordnungen abstimmen, sagte Franke. Vor allem Scholz zeigte sich aber skeptisch, ob dieser Zeitplan tatsächlich auch gehalten werden könne.
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