Pflegerat spricht sich für Pflegekammern in allen Bundesländern aus

Berlin – Die Bundesländer sind aufgerufen, Landespflegekammern einzurichten und diese Einrichtungen auch zu finanzieren. Das sagte die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, heute bei der Eröffnung des 9. Deutschen Pflegetags in Berlin.
Sie betonte, noch immer verweigerten die allermeisten Bundesländer der größten Berufsgruppe im deutschen Gesundheitswesen, über sich selbst zu entscheiden. Die Landespflegekammern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein waren unter anderem deshalb bei vielen Pflegenden auf Ablehnung gestoßen, weil es keine ausreichende Anschubfinanzierung durch das Land für die Errichtung gegeben hatte.
Infolge dieser Ablehnung wurden beide Kammern durch die Landesregierungen wieder aufgelöst. Vogler verwies darauf, dass die Errichtung der Ärztekammer im Jahr 1887 durch den Staat finanziert worden war. Die DPR-Präsidentin kritisierte, dass der Pflege in Deutschland ein strukturelles Mitspracherecht im Gesundheitssystem verweigert werde.
Von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) forderte sie vor diesem Hintergrund die Einführung eines allgemeinen Heilberufegesetzes, in dem die Kompetenzen der jeweiligen Gesundheitsberufe neu geregelt werden – so, wie es die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt habe. Ziel müsse es sein, die Pflegenden dazu zu befähigen, ihre Kompetenzen unabhängig und selbstständig auszuüben.
„Wir wollen dabei niemandem etwas wegnehmen“, betonte Vogler mit Blick auf die Ärzteschaft. „Wir wollen nur unseren eigenen Beruf eigenverantwortlich ausüben“ – und nicht auf ärztliche Anweisung. Die Regierung müsse in einer großen Reform eine Vision der pflegerischen Versorgung umsetzen und dabei die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern.
Enormer ethischer Stress
„Arbeitszufriedenheit kommt zustande, wenn man seinen Beruf ausüben kann, wie man ihn gelernt hat“, sagte Vogler. Heute gehöre es im pflegerischen Alltag jedoch zur Normalität, dass Pflegende den fachlichen Anspruch, den sie an sich haben, nicht umsetzen könnten.
Meist betreffe diese Normverletzung vermeintliche kleine Aufgaben: die Körperpflege, die Lagerung, die Mobilisierung, die Kommunikation. Pflegende lernen Vogler zufolge dabei, dass die Verletzung des Gebotenen als Normalfall angesehen wird. Die Profession stehe deshalb unter einem enormen moralischen und ethischen Stress. „Deshalb ist die Einführung einer Personalbedarfsbemessung so wichtig“, sagte sie.
Pflege will stärker einbezogen werden
Der derzeit vorliegende Entwurf des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes, mit dem das Instrument der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) eingeführt werden soll, sei allerdings völlig unzureichend, da essenzielle Vorschläge aus der Pflege nicht berücksichtigt worden seien.
Der Entwurf von Lauterbach war Mitte September vom Kabinett beschlossen worden. Darin heißt es, dass das Ministerium Vorgaben zu der Anzahl einzusetzender Pflegekräfte machen kann – allerdings „im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen“. Der Pflegerat befürchtet, dass dadurch die Personalausstattung auf Krankenhausstationen und in Pflegeheimen von der Gunst des Bundesfinanzministers abhängig gemacht werde.
Mit dem von Lauterbach vorgelegten Gesetz zur Pflege in Kliniken soll in einer ersten Phase zunächst der Personalbedarf bei einer repräsentativen Auswahl von Krankenhäusern erfasst werden. Auf dieser Basis sollen in einer Rechtsverordnung den Krankenhäusern Vorgaben für die Personalbemessung gemacht werden. Ab 2025 wird die Personalausstattung dann scharf gestellt und sanktioniert.
Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats kritisierte auch, dass sie mit ihrer Expertise in Lauterbachs Haus nicht durchdringe. Auch die von Lauterbach eingesetzte Kommission, die eine große Reform der Krankenhausversorgung auf den Weg bringen soll, interessiere sich kaum für die Pflege. Sie forderte Lauterbach auf, die Pflege bei Gesetzesvorhaben stärker einzubeziehen.
Pflegekräfte entlasten
Lauterbach verteidigte in seiner Rede die Pläne für ein Krankenhauspflegeentlastungsgesetz. Die Einführung der PPR 2.0 solle dazu beitragen, stationsgenau zu sehen, wie die Pflege ausgestaltet sei, um eine Überforderung der Pflegenden abbilden zu können, erklärte er. Ziel sei es, die Pflegekräfte zu entlasten und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Eine Entlastung der Pflegenden solle auch durch eine Reduzierung der stationären Fallzahlen erreicht werden, so Lauterbach weiter. Zum einen gebe es Eingriffe im Krankenhaus, die gar nicht einwandfrei indiziert und teilweise nicht notwendig seien. Zum anderen könnten viele stationäre Eingriffe ambulant erbracht werden. Würden weniger Eingriffe im Krankenhaus erbracht, sinke die Arbeitslast für die Pflegenden im Krankenhaus.
Lauterbach betonte, dass in der Pflege nicht alles so schlecht sei, wie es zum Teil dargestellt werden. Denn in verschiedenen Bereichen gehe es in die richtige Richtung: Die Zahl der Auszubildenden steige, ebenso wie die Löhne. Lauterbach erklärte, dass er sich dafür einsetzen wolle, dass die Löhne in der Altenpflege auf das Niveau der Krankenpflege ansteigen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es unterschiedliche Niveaus gebe.
In Bezug auf die Energiekrise, die viele Krankenhäuser in Deutschland belastet, teilte der Minister mit, man sei in Gesprächen und bereite einen Vorschlag vor: „Ich bin im Austausch mit der DKG. Solche Regelungen sind nur möglich, wenn klar ist, wie hoch die Ausgaben werden. Wir werden es schaffen, die Probleme gemeinsam zu lösen.“ Zudem kündigte Lauterbach an, die Pflege in einem eigenen Gesetz zu entbürokratisieren.
Respektierter und anerkannter Beruf
Lauterbach dankte darüber hinaus allen Pflegenden für ihre Arbeit. Während der Pandemie seien sie ins Risiko gegangen, um anderen zu helfen. „Wir konnten uns jederzeit auf Sie verlassen“, sagte er. „Ich möchte mich persönlich ganz herzlich für diese Leistung bedanken.“
Zudem betonte der Minister, dass die Wertschätzung der Pflege in der Bevölkerung durch die Coronapandemie angestiegen sei. Die Pflege sei ein „sehr respektierter und anerkannter Beruf“ und eine „zentrale Säule der solidarischen Gesellschaft“.
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