Pflegeversicherung: Abgeordnete aller Fraktionen fordern zügiges Konzept der Bundesregierung

Berlin – Die Debatte um die Finanzprobleme in der sozialen Pflegeversicherung haben in dieser Woche auch den Bundestag erreicht. In einer kurzfristig einberufenen Debatte erklärten die Abgeordneten aus den Ampelfraktionen wie auch der Union, dass es dringend eine Gesetzgebung zur Pflegefinanzierung geben müsse. Der Weg dahin bleibt aber strittig, wie sich im Verlauf der rund 60 Minuten zeigte.
Dabei verwiesen besonders die Abgeordneten der SPD auf die Ankündigungen von Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD), bald Konzeptvorschläge vorzulegen. Auch Abgeordnete der Grünen und der CDU/CSU erwarten diese Vorschläge.
„Wir stehen in der sozialen Pflegeversicherung kurz vor dem Kollaps. Experten warnen uns seit Monaten. Mir fehlt jedes Verständnis für diese gelebte Untätigkeit, liebe Ampel“, erklärte Erich Irlstorfer von der CSU. „Nehmen sie ihr parlamentarisches Initiativrecht in die Hand und machen sie was“, forderte er die Abgeordneten der Regierungsfraktionen auf.
„Ich warte darauf, dass die Vorschläge vom Kanzler und vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegt werden. Wir sollten da beherzt voran gehen", sagte Maria Klein-Schmeink, im Fraktionsvorstand der Grünen zuständig für Gesundheitspolitik. „Wir brauchen einen New-Deal in der Pflege, der die Generationen gleichmäßig belastet. Wir erwarten die Vorschläge von Kanzler und Bundesgesundheitsminister gespannt“, erklärte auch Kristine Lütke, Pflegeexpertin der FDP-Fraktion.
Die aktuelle Finanzproblematik in der Pflegeversicherung sei aber vor allem die sogenannten versicherungsfremden Leistungen entstanden, darin waren sich SPD, Grüne ebenso wie CDU, Linke und BSW einig. So erklärte SPD-Politikerin Baehrens, dass die Pflegeversicherung künftig „auf die Kernaufgaben reduziert werden“ müsse. „Alles, was nicht dazugehört, muss aus anderen Quellen finanziert werden.“
Für sie gehören dazu die Pandemiekosten, die sich auf rund sechs Milliarden Euro belaufen, versicherungsfremde Leistungen wie Rentenbeiträge für pflegende Angehörige oder auch die Kosten der Pflegeausbildung.
Letzteres müsse aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden, „nicht aus den Beiträgen der Versicherten“. Und: „Müssten nicht die Länder die Investitionskosten in vollem Umfang bezahlen, anstatt den Pflegebedürftigen das anzulasten? Müssten nicht die Kommunen ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen, für gute Rahmenbedingungen im Vorfeld der Pflege zu sorgen?“, fragte Baehrens.
Auch für Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sind die versicherungsfremden Leistungen, die sich auf bis zu zehn Milliarden aufsummieren, der Grund für die aktuelle Problemlage. „Aber ihr FDP-Finanzminister sagt, das ist mir egal. Da tut mir Minister Lauterbach leid, dass er sich da in der Regierung nicht durchsetzen kann.“
Er forderte die Regierung auf, zügig ein Konzept vorzulegen. Die Union hätte bereits vor einem Jahr ein Papier vorgelegt, das von den Ampelfraktionen abgelehnt worden sei. Dieses Konzept fuße auf einem Drei-Säulen-Modell für die Finanzierung: Mehr Steuermittel, eine betriebliche Pflegevorsorge, sowie Eigenverantwortung der jüngeren Menschen durch eine private Versicherung.
Auf diesen Punkt verwiesen die FDP-Abgeordneten in der Debatte – denn aus ihrer Sicht ist eine private Vorsorge das einzig mögliche Modell, die Pflege besser zu finanzieren. Vor allem herrschte Ärger bei den Liberalen vor, dass die Pflegegesetze aus der Zeit der Großen Koalition nicht entsprechend mit einer Gegenfinanzierung ausgestattet worden sei.
„Der Ernst der Lage war vorhersehbar", sagte der pflegepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jens Teutrine. Experten hätten die vorherige Regierung vorgewarnt, aber diesen „Respekt vor den Beitragszahlern“ hätten die damalige Regierung nicht gehabt. Nun brauche es vielmehr einen „Boost“ bei der privaten Vorsorge.
Die Debatte wurde beantragt von der AfD-Fraktion, die vor allem die Sorge vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Pflegeversicherung und ein gewisses Katastrophenszenario dabei aufzeigte. Dem widersprachen alle anderen Fraktionen deutlich: „Die Pflegeversicherung wird ihre Aufgaben auch im kommenden Jahr vollumfänglich nachkommen“, so Baehrens von der SPD. Pflegebedürftige und Angehörige könnten sich darauf verlassen.
Die Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD), warnte durch das „unsachliche kritisieren“ vor einer „Verunsicherung der Bevölkerung". Die gleiche Argumentation auch bei den Grünen: So erklärte Maria Klein-Schmeink: „Es kann kein Kollaps kommen. Jeder, der einen festgestellten Pflegebedarf hat, wird ihn auch finanziert bekommen. Es ist gesetzlich geregelt, was passiert, wenn die Beiträge nicht gezahlt werden können.“ Alle Ansprüche seien finanziert, so die Grünenpolitikerin weiter.
Eine mögliche Finanzierungsreform dürfe aber nicht ohne eine Veränderung der Inhalte der Pflege geschehen, machten einige Abgeordnete deutlich. Neben der Pflegebeauftragten der Bundesregierung, forderte auch die Grüne-Pflegeexpertin Kordula Schulz-Asche, die Pflegestrukturen bei einer Reform anzugehen.
„Aufgabe der Pflegeversicherung ist es nicht, in Infrastruktur zu investieren, wir brauchen neue Konzepte in den Kommunen, wir brauchen Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege, wir brauchen eine Einsamkeitsstrategie und vieles mehr.“ Außerdem: „Wir müssen ausbilden, ausbilden, ausbilden. Und wir brauchen Migration“, so Schulz-Asche in Richtung der AfD.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: