Pflegeversicherung: Diskussion um Leistungskürzungen unumgänglich

Berlin/Weimar – Die aktuelle Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Katharina Schenk (SPD), hat sich für die Einführung einer Pflegevollversicherung ausgesprochen. Die Parteien hätten hier jedoch unterschiedliche Präferenzen, sagte die Thüringer Gesundheitsministerin gestern im Vorfeld der heute beginnenden GMK bei einer Pressekonferenz des Deutschen Pflegerats (DPR) in Berlin.
In jedem Fall sei es jetzt wichtig, die Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung zu klären. Die Pflegeversicherung steht unter anderem wegen des demografischen Wandels vor finanziellen Problemen.
Die Lage sei „so ernst wie noch nie“, hatte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, vor Kurzem erklärt. Trotz gestiegener Beiträge zur Pflegeversicherung zum Jahresbeginn sei das Finanzierungsproblem nicht gelöst.
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll noch in diesem Jahr die Grundlagen einer „großen Pflegereform“ vorbereiten, wie es im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung heißt. Auch der Leistungsumfang der Pflegeversicherung soll dabei auf den Prüfstand gestellt werden.
Die Präsidentin des DPR, Christine Vogler, betonte ebenfalls, dass bei der Reform der Pflegeversicherung die Ausgaben in den Blick genommen werden müssten. „Wir werden nicht um die Diskussion herumkommen, zu schauen, wer welche Gelder aus der Pflegeversicherung erhält“, sagte Vogler. „Bekommen alle das gleiche Pflegegeld oder werden vorhandene Vermögen mit angerechnet?“
Derzeit können Pflegebedürftige ein Pflegegeld erhalten, das sich allein nach ihrem Pflegegrad richtet. In jedem Fall müsse die Pflegeversicherung so aufgestellt werden, dass die Menschen versorgt werden könnten, die wirklich pflegebedürftig sind, forderte Vogler.
Schenk wies darauf hin, dass die Ausgestaltung der Pflegeversicherung auch Einfluss auf die Haushalte der Kommunen hat. „Als ehemalige Kommunalpolitikerin treibt mich vor allem um, dass die ungelöste Finanzierungsfrage die kommunalen Haushalte belastet“, sagte sie.
Etwa ein Drittel der Pflegeheimbewohner erhalten heute Sozialhilfe, weil sie den Eigenanteil für ihre pflegerische Versorgung nicht zahlen können. „Und diese Sozialhilfe bezahlen die Kommunen“, so Schenk. Zudem sei es demütigend für Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, am Lebensende zu einem Sozialfall zu werden, weil die Eigenanteile für die Pflege so hoch sind.
Drohende Engpässe noch abwenden
Vogler betonte, dass der Deutsche Pflegerat bereitstehe, gemeinsam mit Bund und Ländern die Pflege der Zukunft zu gestalten. „Wenn wir gemeinsam entschlossen handeln, können wir drohende Engpässe noch abwenden“, meinte die DPR-Präsidentin.
Sie wertete die Äußerungen der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), die Eigenständigkeit, Eigenverantwortung und Kompetenzen der Gesundheitsberufe stärken zu wollen, als ein kraftvolles und ermutigendes Signal für die Pflegeprofession.
Der DPR begrüße auch, dass der Koalitionsvertrag zentrale Reformvorhaben aufgreift: das Pflegekompetenzgesetz, das Pflegeassistenzeinführungsgesetz und die Einführung der Advanced Practice Nurse. Aus Sicht des DPR müssen diese Gesetzesinitiativen noch dieses Jahr im parlamentarischen Verfahren verabschiedet werden.
Schenk: Keine Bürokratie als Folge von Misstrauen
Der DPR fordert unter anderem einen Bürokratieabbau in der Pflege. „Gute Pflege braucht attraktive Arbeitsbedingungen“, heißt es in einem Forderungspapier. Dazu gehörten zum Beispiel verbindliche Personalschlüssel und ein kompetenzorientierter Qualifikationsmix, erweiterte selbstständige Handlungskompetenzen und weniger Bürokratie durch digitale Dokumentation und KI-gestützte Prozesse.
Auch Schenk sprach sich für einen Bürokratieabbau in der Pflege aus. Man müsse sich immer überlegen, welchen Zweck Bürokratie erfülle. Bürokratie, die sich aus Misstrauen speise, habe keinen Mehrwert und müsse deutlich reduziert werden. „Der Bürokratieabbau ist eine einfache Stellschraube, um die Überbelastung der Pflegenden zu reduzieren“, sagte Schenk. Auch der Datenschutz dürfe dem Bürokratieabbau nicht im Weg stehen.
Einrichtung von Pflegekammern
Vogler forderte von den Bundesländern zudem die Einrichtung von Pflegekammern in den Ländern, in denen es noch keine gibt. Wenn die Länder keine Pflegekammern wollten, müssten sie sich überlegen, welche Strukturen sie ansonsten einführen wollen. „Wir brauchen eine strukturierte Darstellung der Pflege, allein, um eine Versorgungsplanung durchführen zu können“, betonte Vogler.
In diesem Zusammenhang sei es unsäglich, dass für den größten Berufsstand im Gesundheitswesen keine verpflichtende Fort- und Weiterbildung durchgeführt werden könne. „Eine Pflegefachperson kann heute 40 Jahre im Beruf arbeiten, ohne eine einzige Fortbildung absolviert zu haben“, sagte Vogler.
„Das kann so nicht bleiben“, gerade vor dem Hintergrund der digitalen Weiterentwicklung des Systems. Heute gebe es keine Möglichkeit, die Fortbildung zu steuern, weil in vielen Bundesländern die Pflegenden gar nicht erfasst würden.
In Thüringen gebe es aktuell keine Bestrebungen, eine Pflegekammer einzurichten, sagte Schenk. „Gleichwohl sind wir damit beschäftigt, einen Pflegeentwicklungsplan vorzulegen.“
Zur Pflegekammer gebe es in der Koalition keine einheitliche Position. „Deswegen kann ich nicht sagen, dass Thüringen in den nächsten Jahren definitiv eine Pflegekammer einrichten wird“, so Schenk. Sie persönlich findet, dass die Einrichtung einer Pflegekammer viele Vorteile hat, die auf der Hand liegen. Diese Vorteile könne man in den Bundesländern sehen, die bereits eine Pflegekammer haben.
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