Politik

Regelungen zur Abstinenz in der ambulanten Psychotherapie angepasst

  • Freitag, 22. August 2025
/Sengchoy Int, stock.adobe.com
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Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat bei seiner gestrigen Plenumssitzung die Regelungen zur Abstinenz als Voraussetzung für eine ambulante Psychotherapie angepasst. Die neuen Regelungen blieben indes hinter den Forderungen der Patientenvertreter im G-BA und der Bundespsychotherapeutenkammer zurück. Beide hatten eine komplette Aufhebung der Abstinenzregelung gefordert.

Bei einer durch psychotrope Substanzen verursachten Abhängigkeitserkrankung kann eine Psychotherapie künftig bis zu zwölf Behandlungsstunden umfassen, um eine Abstinenz zu erreichen. Bisher waren maximal zehn Behandlungsstunden möglich.

Weitere zwölf Behandlungsstunden sind dem G-BA-Beschluss zufolge zur Änderung der Psychotherapie-Richtlinie möglich, wenn die Suchtmittelfreiheit bis zu diesem Zeitpunkt zwar nicht erreicht wird, dieses Therapieziel aber weiterhin realistisch erscheint.

Nach den nun insgesamt 24 Therapiestunden, also dem Zeitraum einer Kurzzeittherapie, ist eine Weiterbehandlung nur möglich, wenn die Patienten völlig auf die Einnahme von psychotropen Substanzen verzichten. Diese Abstinenz ist durch eine ärztliche Bescheinigung im Gutachterverfahren nachzuweisen.

Wenn die Abstinenz nicht erreicht werden kann, müssen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten über alternative Behandlungsmöglichkeiten wie Entzugsbehandlung oder Entwöhnungsbehandlung informieren und die Patienten beraten, ob die Psychotherapie danach fortgesetzt oder wiederaufgenommen werden kann.

Für die Suchterkrankungen unverändert geblieben ist, dass vor oder während der Psychotherapie eine somatische ärztliche Behandlung erfolgen muss. Die Aufhebung der Abstinenzregelung wurde bei der Plenumssitzung des G-BA einstimmig abgelehnt.

„Die Abstinenzvorgabe filtert genau jene Patienten aus, die Unterstützung am dringendsten brauchen“, kritisierte der Patientenvertreter im G-BA, Jürgen Matzat. „Gerade bei langjährig bestehenden Suchterkrankungen ist es oft unrealistisch, innerhalb von zwölf oder 24 Behandlungsstunden das Ziel der Abstinenz zu erreichen.“

Die Abstinenzregelung benachteilige die Betroffenen gegenüber anderen psychisch Kranken. Das komme einer Diskriminierung von Suchtkranken gleich, betonte er im Plenum.

„Die starre Forderung nach Abstinenz als Voraussetzung für eine psychotherapeutische Behandlung muss grundsätzlich abgeschafft werden“, sagte die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Andrea Benecke. „Sie entspricht seit Langem nicht mehr dem Stand der Wissenschaft und blockiert gerade für Patienten mit schweren Abhängigkeitserkrankungen den Zugang zu dringend notwendiger Hilfe.“

Gemäß internationalen und nationalen Leitlinien für die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen seien neben einer vollständigen Abstinenz auch kontrollierter Konsum und Harm-Reduction-Ansätze geeignete Behandlungsziele.

Patienten mit Suchterkrankungen brauchen der BPtK zufolge vor allem einen niedrigschwelligen Zugang zur Psychotherapie. „Wir benötigen flexible, individuelle Behandlungsziele, die sich an den Lebenslagen und Krankheitsphasen der Patienten orientieren, und somit eine vollständige Streichung der Abstinenzregel“, betonte Benecke.

Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) ergänzt: „Damit wird suchterkrankten Menschen, bei denen eine Abstinenz nicht direkt in der Kurzzeittherapie erreicht wird, die Möglichkeit einer weiterführenden ambulanten Psychotherapie verwehrt und eine leitliniengerechte Behandlung nicht vollständig ermöglicht“, erklärte der DPtV-Bundesvorsitzende Gebhard Hentschel.

Beschlossen wurde im G-BA darüber hinaus neu, dass eine ambulante Psychotherapie künftig bei Suchterkrankungen mit allen psychotropen Substanzen erlaubt ist. Neben Alkohol, Medikamenten und illegalen Drogen, auf die sich der Anspruch bislang bezogen hat, zählen hierzu weiterhin Cannabis, und nun auch neue psychoaktive Substanzen, flüchtige Lösungsmittel oder psychotrope pflanzliche Stoffe.

Weiterhin kein Versorgungsanspruch mit ambulanter Psychotherapie besteht bei Suchterkrankungen ausschließlich aufgrund des Substanzgebrauchs von Nikotin, Tabak oder Koffein. 

PB

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