G-BA baut Hürden für die vernetzte Versorgung von schwer psychisch Kranken ab

Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat strukturelle Änderungen und organisatorisch-administrative Vereinfachungen für die Gründung von berufsgruppenübergreifenden Netzverbünden für die Versorgung schwer psychisch kranker Erwachsener beschlossen.
Vorgenommen werden diese Änderung in der KSVPsych-Richtlinie, die die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Patienten mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf regelt.
Beschlossen wurde die KSVPsych-Richtlinie vor vier Jahren. Der G-BA beruft sich bei seinem heutigen Beschluss auf einen Zwischenbericht, der Änderungen notwendig mache.
„Die KSVPsych-Richtlinie kommt nicht richtig in die Gänge – bisher gibt es bundesweit nur 26 Netzverbünde“, sagte Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA. Entsprechend notwendig sei jetzt eine Anpassung.
„Gerade für schwer psychisch kranke Menschen ist eine verlässliche, koordinierte Versorgung oft entscheidend und hilft, dass sich Stabilität und Lebensqualität wieder einstellen können“, betonte Bernhard van Treeck, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzender des zuständigen Unterausschusses. Die überarbeitete Richtlinie solle das Problem zumindest teilweise lösen.
Der G-BA beschloss heute unter anderem folgende organisatorisch-administrativen und strukturellen Erleichterungen:
Die Vorgabe zur Mindestgröße des Netzverbundes wird reduziert: Für die Gründung eines Netzverbundes braucht es künftig nur noch sechs Fachärztinnen/-ärzte oder Psychotherapeutinnen/-therapeuten statt bisher zehn.
Die Kooperation mit Krankenhäusern, die einen regionalen psychiatrischen Pflichtversorgungsauftrag haben, war bisher verbindlich. Diese Hürde war in manchen Regionen zu hoch, so dass einige Netzverbünde nicht gegründet wurden, weil kein Pflichtversorgungs-Krankenhaus für die Kooperation gefunden wurde. Daher wird diese Vorgabe gelockert: Nach wie vor sollte zwar die Zusammenarbeit primär mit Pflichtversorgern angestrebt werden. Alternativ kann jetzt aber auch eine Kooperation mit einer nahe gelegenen, in der Betreuung von schwer psychisch Kranken erfahrenen Klinik ohne Pflichtversorgung eingegangen werden. Wenn trotz aller Bemühungen kein geeignetes Krankenhaus gefunden wird, kann im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen für einen befristeten Zeitraum von zwei Jahren sogar ein Netzverbund ohne kooperierendes Krankenhaus gegründet werden.
Die vertraglichen Vorgaben werden vereinfacht: Ein Vertrag ist nicht mehr zwingend, es reicht eine schriftliche Erklärung der jeweils am Netzverbund Beteiligten.
Die Vorgabe des vollen Versorgungsauftrags als Voraussetzung für die Übernahme der Funktion der Bezugsärztin oder des -arztes bzw. der Bezugspsychotherapeutin oder des -psychotherapeuten für die Patientinnen und Patienten im Netzverbund wird gestrichen.
Patienten, die eine psychopharmakologische Behandlung mit häufigen Anpassungen benötigen oder einer kontinuierlichen Behandlung oder Überwachung durch geeignete Fachärztinnen oder -ärzte bedürfen, können nun auch eine Bezugspsychotherapeutin oder einen Bezugspsychotherapeuten haben – unter der Bedingung, dass eine geeignete Fachärztin oder ein geeigneter Facharzt regelmäßig in die Behandlung einbezogen ist.
Die Abstimmung der Netzverbundmitglieder und Kooperationspartner soll durch die elektronische Patientenakte und digitale Dienste wie den Sofortnachrichtendienst KIM (Kommunikation im Medizinwesen) und den TI-Messenger (TIM) erleichtert werden. Fallbesprechungen sollen flexibilisiert und dafür auch Video- und Telefonkonferenzen genutzt werden können.
Wenn die Patientin oder der Patient es möchte, müssen ihre oder seine Behandelnden oder Helfenden aus anderen Bereichen des Suchthilfesystems zu regelmäßigen Fallbesprechungen eingeladen werden. Zusätzlich können die Netzverbundmitglieder an leistungsbereichsübergreifenden Hilfekonferenzen teilnehmen, so dass die Angebote für die Betroffenen besser koordiniert und die Unterstützungssysteme verzahnt werden können.
Zur Diskussion stand bei der heutigen G-BA-Sitzung auch, ob Menschen mit Demenzerkrankungen in die berechtigte Patientengruppe für die KSVPsych-Richtlinie eingezogen werden sollen. Hierfür hatte sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ausgesprochen.
„Die Pharmakotherapie drängt mit Gewalt auf den Markt. Demenzpatienten brauchen dazu eine Alternative. Eine Versorgung in einem Netzverbund wäre eine gute Option“, sagte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.
Patientenvertreter Matthias Rosemann stimmte der KBV grundsätzlich zu: „Menschen mit Demenz brauchen eine vernetzte Versorgung, aber mehr als die gegenwärtige Fassung der KSVPsych-Richtlinie sie leisten kann. Zumal die für die Versorgung von Demenzkranken wichtigen Hausärzte in der Richtlinie keine Rolle spielen.“
Die Einbeziehung von Demenzerkrankungen wurde vom G-BA am Ende aber abgelehnt. Unter anderem stimmten der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft gegen die KBV.
Der Beschluss des G-BA wird nun ans Bundesministerium für Gesundheit (BMG) übermittelt. Er tritt nach der Nichtbeanstandung durch das Ministerium und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Des Weiteren beschloss der G-BA heute, das Beratungsverfahren zur Überprüfung der Psychotherapie-Richtlinie hinsichtlich einer Digitalisierung des Anzeige-, Antrags- und Gutachterverfahrens sowie der Regelung über probatorische Sitzungen in den Räumen von Krankenhäusern zu eröffnen.
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