Rheinland-Pfalz novelliert Rettungsdienstgesetz

Mainz – Telenotärzte sollen noch in diesem Jahr landesweit überall in Rheinland-Pfalz erreichbar sein. Das ist der Kernpunkt der Novelle des Rettungsdienstgesetzes, die gestern im Landtag mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen worden ist.
Die Neufassung des Gesetzes sieht nach den europäischen Vorgaben auch eine barrierefreie Kommunikation über die Notrufnummer 112 vor – nicht nur Notrufe per Telefon, sondern auch per Textnachricht oder per Videoanruf sollen angenommen werden können. Für die Umsetzung dieser Bestimmungen sind aber noch gut zwei Jahre Zeit.
Die Telenotarztzentralen sollen der Neufassung zufolge Notfallsanitäter überall in Rheinland-Pfalz direkt beim Patienten unterstützen können. „In kürzester Zeit erhalten die Notfallsanitäter auf diese Weise ärztliche Expertise aus der Telenotarztzentrale“, lobte der Präsident der Landesärztekammer (LÄK), Günther Matheis.
Zunächst gibt es zwei dieser Zentralen in den medizinischen Kliniken in Ludwigshafen und Trier, wo das Angebot schon seit einigen Jahren erprobt wird, wie ein Sprecher des Innenministeriums erläuterte. Die Zentralen sollen permanent besetzt werden.
„Der Telenotarzt ist besonders im ländlichen Raum wichtig, wo der Notarzt nicht immer gleichzeitig mit dem Rettungswagen vor Ort bei den Patienten sein kann“, sagte Matheis. Er sieht im Telenotarztkonzept nicht nur den Vorteil, in Zeiten des Ärztemangels die Ressourcen effizient einzusetzen, sondern auch die Chance, Rat von Experten aus spezialisierten Kliniken einholen zu können.
Der Telenotarzt könne an seinem Arbeitsplatz auf viele Ressourcen zurückgreifen und gegebenenfalls auch noch andere Fachärzte einbinden, beschreibt die Regionalbeauftragte der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte (AGSWN), Nicole Didion, die Vorteile.
Eine andere positive Auswirkung formulieren Fachleute so: Notärzte in den Regionen könnten sich dann auf echte Notfälle konzentrieren.
„Die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter sind beim Telenotarzteinsatz der verlängerte Arm des Telenotarztes“, sagte Didion. Tablets ermöglichen Echtzeitkommunikation zwischen den Sanitätern und dem Arzt. Zudem sollen Vital- und Gesundheitsdaten wie etwa ein EKG digital übertragen werden können.
„Jede Telenotarztzentrale kann prinzipiell von jedem Rettungsmittel in Rheinland-Pfalz angefordert werden, sobald die dortigen Einsatzkräfte in das System eingewiesen und geschult sind“, so Didion.
Alle Rettungswagen im Bundesland seien bereits mit den erforderlichen Kommunikations- und Übertragungsgeräten ausgestattet. Die landeseinheitliche Strukturen für das flächendeckende Ausrollen des Telenotarztsystems seien geschaffen. Viele Rettungswagenbesatzungen und Telenotärzte seien auch schon geschult oder ausgebildet worden.
Der Telenotarzt ist ohne Anfahrt direkt verfügbar. So können bestimmte Maßnahmen wie eine erweiterte Schmerztherapie früher beginnen, wie Didion sagt. Bis der – in bestimmten Fällen weiterhin notwendige – Präsenznotarzt eintrifft, kann sein Telekollege auch schon mal überbrückend helfen und beraten.
Teledoktoren könnten nicht direkt eingreifen, ihnen fehlten auch eigene Sinneseindrücke wie Tasten oder der Geruch des Patienten, sagte Didion. Und das Sichtfeld über das Tablet sei eingeschränkt. Daher seien Erfahrung und Schulungen für Telenotärzte und die Notfallsanitäter ganz wichtig, betonten Fachleute. Eine Begrenzung des Systems könne auch eine schlechte Internetqualität sein.
„Es geht nicht um Ersatz, sondern um deutliche Verbesserungen der notärztlichen Versorgung“, sagte der zuständige Innenminister Michael Ebling (SPD) vor der Abstimmung im Landtag.
Der Telenotarzt sei eine Entlastung für das System und biete eben dadurch neue Effekte, weil der Notarzt einen Kollegen oder eine Kollegin mit Fachexpertise dazu holen könne. Die Gesetzesänderung stabilisiere die Qualität, die Schnelligkeit und die Zuverlässigkeit des Systems.
Der Einstieg in das telenotärztliche System dürfe nicht zum Ausstieg aus der bewährten Notarztversorgung werden, warnte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christoph Gensch. Darauf müsse geachtet werden. Auch darauf, dass die Hilfeleistungsfrist im Flächenland nicht zu lang werde.
Und was ändert sich beim Notruf 112?
Die sieben integrierten Leitstellen im Land müssten so ausgestattet werden, dass sie auch Notrufe über die 112 in anderer Form als per Telefon entgegennehmen können – etwa per Textnachricht oder per Videoanruf. Dieser barrierefreie Notruf soll es etwa hörgeschädigten Menschen ermöglichen, im Notfall leichter Rettungsdienste zu alarmieren.
Dies muss laut Europarecht spätestens am 28. Juni 2027 möglich sein. Der Ministeriumssprecher erläuterte, dafür brauche es noch einige technische Voraussetzungen.
Die Kosten könnten noch nicht beziffert werden, heißt es im Entwurf. Die Schätzungen schwanken erheblich und reichen von einer Million Investitionskosten und 200.000 Betriebskosten pro Jahr bis zu 4,2 Millionen Euro Investitionskosten und 840.000 Euro Betriebskosten jährlich. Die Einführung des Telenotarztes in das Rettungsdienstgesetz dagegen verursache keine zusätzlichen Kosten.
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