Politik

RKI-Protokolle: Kubicki attackiert Lauterbach

  • Freitag, 9. August 2024
Wolfgang Kubicki, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. /picture alliance, Martin Schutt
Wolfgang Kubicki, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. /picture alliance, Martin Schutt

Berlin – Nach der Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente über die Sitzungen des Coronakrisenstabs beim Robert-Koch-Institut (RKI) hat FDP-Vize und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki persönliche Konsequenzen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gefordert.

In einem Text auf seiner Internetseite nimmt Kubicki Stellung zu den sogenannten RKI-Files. Er habe sich diese näher angeschaut, insbesondere den Zeitraum von Januar 2021 bis Frühjahr 2022. Mit Blick auf die Papiere wirft der FDP-Politiker Lauterbach vor, die Unwahrheit gesagt zu haben.

Die umfassenden Protokolle und Zusatz­materialien waren von der freien Journalistin Aya Veláz­quez auf der Seite rki-transparenzbericht.de zum Download bereitgestellt worden. Zur Quelle des Materials schrieb sie auf dem Portal X (früher Twitter): „Ein/e Whistleblower/in, ein/e ehemalige Mitarbeiter/in des Robert-Koch-Insti­tuts, ist auf mich zugekommen und hat mir den Datensatz zugespielt.“

Das RKI erklärte dazu, es habe die Datensätze „weder geprüft noch verifiziert“. Das Institut will seine Proto­kolle nach Angaben Lauterbachs zu einem noch nicht genannten Zeitpunkt selbst veröffentlichen. Bisher ist das aber nicht geschehen. Die Papiere zeigen, worüber der Krisenstab bei seinen regelmäßigen Sitzungen in der Coronazeit jeweils beriet: aktuelle Infektionszahlen, internationale Lage, Impfungen, Tests, Studien oder Eindämmungsmaß­nahmen.

Nach Ansicht Kubickis zeigen die veröffentlichten Dokumente eine Einflussnahme des Bundesgesundheits­ministeriums (BMG) auf die RKI-Strategie etwa mit Blick auf die Coronarisikobewertung. Das RKI habe auf Drängen des BMG den öffentlichen Pandemiedruck künstlich hochgehalten, schreibt der FDP-Politiker und stellt das in Zusammenhang mit der geplanten Coronaimpfpflicht, die 2022 im Bundestag dann aber keine Mehrheit fand.

Kubicki konfrontiert den Gesundheitsminister in seinem Schreiben mit dessen Aussage von diesem März, wonach das RKI unabhängig von politischer Weisung gearbeitet habe. „Karl Lauterbach hat dem Ansehen der Bundesregierung durch sein unverantwortliches Verhältnis zur Wahrheit schweren Schaden zugefügt und Zweifel an der Lauterkeit staatlichen Handelns genährt. Er muss persönliche Konsequenzen ziehen.“ Das Wort Rücktritt erwähnt Kubicki nicht.

Es ist nicht das erste Mal, dass er Lauterbach einen solchen Schritt im Zusammenhang mit Corona nahelegt. Schon Anfang 2023 hatte es in der Ampel einen Streit um die Pandemiepolitik des Gesundheitsministers ge­geben. „Einen ehrenvollen Rücktritt würde Karl Lauterbach niemand vorwerfen“, schrieb Kubicki damals bei Facebook.

Er kritisierte die Coronapolitik der vergangenen Jahre scharf. Diese habe besonders bei Kindern und Älteren versagt. Kindern seien mit bewusster Angsterzeugung Lebenschancen genommen worden, Ältere in Alten­heimen seien menschenunwürdig behandelt worden.

Der FDP-Vize fordert in seinem aktuellen Beitrag, die verschiedenen Dimensionen der Coronapandemie müssten dringend parlamentarisch aufgearbeitet werden, „um künftige Fehler zu vermeiden und um gesell­schaftliche Wunden zu heilen“. Eine mögliche künftige Teilnahme der FDP an einer weiteren Ampelkoalition mit SPD und Grünen knüpft er an diese Bedingung.

„Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte maximale Transparenz bei der Coronaaufarbeitung versprochen. Deshalb muss er ausführlich zu den Vorwürfen Stellung nehmen, die sich aus den Protokollen des Robert-Koch-Instituts gegen ihn ergeben“, sagte der Virologe Hendrik Streeck, Leiter des Virologischen Instituts am Uniklinikum Bonn, der Bild. Streeck warnt davor, dass die Vorwürfe gegen Lauterbach in der Wissenschaft und der Politik schweren Schaden anrichten könnten, wenn diese nicht restlos ausgeräumt würden.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ließ die Forderungen von Kubicki nach „persönlichen Konsequen­zen“ unkommentiert. „Die Äußerungen von Herrn Kubicki kommentiert das BMG nicht“, hieß es auf Nachfrage lediglich.

Das Ministerium zitierte Lauterbach darüber hinaus allgemein „zum Themenkomplex Entschei­dungs­grund­lagen und Entscheidungsbefugnis“ mit den Worten: „Es gibt in den RKI-Protokollen nichts zu verbergen. Daher habe ich die Veröffentlichung der Protokolle angewiesen. Das RKI hat während der Pandemie Empfehlungen abgegeben. Die politische Verantwortung liegt aber beim Ministerium. Trotz der insgesamt vorsichtigen Strategie sind allein im Jahr 2022 in Deutschland noch mehr als 50.000 Menschen an Corona gestorben. Die Maßnahmen waren damit mehr als begründet.“

dpa/may

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