Politik

Spahn tritt Kritik an Formulierung zu Ungeimpften entgegen

  • Freitag, 26. Juli 2024
Jens Spahn (CDU), geschäftsführender Bundesgesundheitsminister, äußert sich in der Bundespressekonferenz zusammen mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Wieler, zur aktuellen Lage der Coronapandemie./dpa, Bernd von Jutrczenka
Jens Spahn (CDU), ehemaliger Bundesgesundheitsminister /picture alliance, Bernd von Jutrczenka

Berlin – Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist Kritik an der von ihm benutzten Formulierung „Pandemie der Ungeimpften“ in der Coronakrise entgegengetreten.

„Damit war gemeint, dass wir auf den Intensivstationen damals vor allem Menschen ohne Impfungen gesehen haben, die schwere und schwerste Verläufe hatten“, sagte der CDU-Politiker dem ZDF. Das sei eine Situation gewesen, „die das Gesundheitssystem zu überfordern drohte“.

Hintergrund ist die Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente über die Sitzungen des Coronakrisenstabs beim Robert-Koch-Institut (RKI). Eine Gruppe um die freie Journalistin Aya Veláz­quez hatte die Unterlagen online auf der Seite rki-transparenzbericht.de zum Download bereitgestellt worden.

Zur Quelle des Materials schrieb sie auf dem Portal X (früher Twitter): „Ein/e Whistleblower/in, ein/e ehemalige Mitarbeiter/in des Robert-Koch-Instituts, ist auf mich zugekommen und hat mir den Datensatz zugespielt.“ Das RKI erklärte dazu, es habe die Datensätze „weder geprüft noch verifiziert“.

In einem Dokument, betitelt als Ergebnisprotokoll vom 5. November 2021, heißt es demnach von einem Vertreter eines RKI-Fachgebiets: „In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden?“ Vonseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gebe es keine Entwarnung. Regeln zu Abstand, Hygiene, Lüften würden wieder stärker in den Fokus genommen.

„Dient als Appell an alle, die nicht geimpft sind, sich impfen zu lassen.“ Dann äußert ein Vertreter eines anderen Fachgebiets: „Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.“

Ein Sprecher Spahns sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der damalige Minister habe auf den Umstand verwiesen, dass 90 bis 95 Prozent der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen nicht geimpft gewesen seien.

„Die fachliche Einschätzung aus dem RKI, dass die Gesamtbevölkerung auch beiträgt, widerspricht dem nicht.“ Spahn schrieb beispielsweise am 7. September 2021 bei Twitter: „Bei Inzidenz und auf Intensivstationen sehen wir: Wir erleben eine anwachsende Pandemie der Ungeimpften. Alle, die können, sollten sich ihren Schutz holen!“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) teilte dem Spiegel mit Blick auf seinen Vorgänger mit: „Spahn hat wohl gemeint, dass sich zwar auch Geimpfte infizieren könnten, das war ja bekannt und wurde auch von ihm nicht bestritten. Es waren allerdings überwiegend Ungeimpfte, die mit schweren Verläufen auf die Intensivstation mussten“. Viele der getroffenen Maßnahmen seien notwendig gewesen, um besonders Ungeimpfte und das Ge­sundheitswesen zu schützen.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen äußerte sich besorgt, dass mit der ungeschwärzten Veröffentli­chung Persönlichkeitsrechte insbesondere von Mitarbeitern des RKI verletzt würden. Zudem werde mindestens in Kauf genommen, dass ihre Sicherheit dadurch erheblich gefährdet werde.

„Es muss nun alles getan werden, dass diese Menschen, die im RKI eine außerordentliche Arbeit zur Bewältigung dieser nie dagewesenen Gesundheitskrise für dieses Land geleistet haben, den notwendigen Schutz erfahren, der nun erforderlich geworden ist.“

Das RKI will seine Protokolle nach Angaben Lauterbachs zu einem noch nicht genannten Zeitpunkt selbst ver­öffentlichen. Die Dokumente zeigen, worüber der Krisenstab bei seinen Sitzungen jeweils beriet: aktuelle Infek­tionszahlen, internationale Lage, Impfungen, Tests, Studien oder Eindämmungsmaßnahmen.

Das RKI hatte im Mai bereits die Protokolle für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 weitestgehend ohne Schwärzungen veröffentlicht. Auslöser war eine vorherige Veröffentlichung stärker geschwärzter Protokolle durch das Online-Magazin „Multipolar“. Dass zahlreiche Passagen zu dem Zeitpunkt geschwärzt waren, löste eine De­batte über die Unabhängigkeit des RKI aus.

dpa/ggr

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