Politik

RSV-Prophylaxe: Ball beim Ministerium, Sorge um Umsetzung

  • Freitag, 28. Juni 2024
/picture alliance, Philipp Znidar
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Berlin – Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat gestern die Prophylaxe von RSV-Erkrankungen mit dem mono­klonalen Antikörper Nirsevimab bei Neugeborenen und Säuglingen in ihrer ersten RSV-Saison empfohlen. In der Versorgung befindet sich der Antikörper damit aber noch nicht.

Bei Schutzimpfungsempfehlungen der STIKO ist normalerweise der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am Zug, der diese dann nach einem geordneten Verfahren zumeist zügig in seine Richtlinie aufnimmt und damit in die Regelversorgung überführt.

Doch bei der gestrigen STIKO-Empfehlung geht es nicht um einen klassischen Impfstoff, der in die Schutzim­pfungs­richt­linie des G-BA aufgenommen werden kann, sondern um einen mono­klonalen Antikörper. Der G-BA dürfte damit für den direkten Weg in die Regel­ver­sorgung und für die Erstattungsfragen nicht zuständig sein.

Das Sozialgesetzbuch V sieht aber vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) durch Rechtsverord­nung bestimmen kann, dass Versicherte Anspruch auf weitere bestimmte Schutzimpfungen oder auf bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe haben könnten.

Für monoklonalen Antikörper könnte damit eine Rechtsverordnung des Gesundheitsministeriums not­wendig sein, um die Gabe des mono­klonalen Antikörper Nirsevimab zu einer Leistung der gesetzlichen (GKV) Kran­ken­versicherung zu machen.

Vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) hieß es auf Nachfrage, die Erstattung von Schutzim­pfungen sei in den Tarifen der PKV-Mitgliedsunternehmen unterschiedlich geregelt, deshalb se „keine all­gemeingültige Aussage möglich“.

„In sehr vielen Fällen stellen die Tarife auf die Impfempfehlungen der STIKO ab“, sagte Stefan Reker, Leiter des Bereichs Kommunikation des PKV-Verbands, dem Deutschen Ärzteblatt. Somit wäre die Erstattung des RSV-Präparates umfasst. Die Gabe und Abrechnung könne dann auf dem regulären Weg, über ein Privatrezept und die entsprechende GOÄ-Ziffer, erfolgen.

Fragen des Deutschen Ärzteblattes dazu, ob sich eine Rechtsverordnung in Vorbereitung befindet und wie die nächsten Schritte aussehen könnten, ließ das Ministerium bislang unbeantwortet. Damit ist unklar, ab wann Niedergelassene den Antikörper verabreichen können.

Der Arzt und Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) appellierte heute an das Ministerium, die Frage der Finan­zierung in den nächsten Wochen zu klären. „Es darf hier nicht um Monate gehen, sondern muss eher um Tage gehen“, betonte Liese.

Die Entwicklung sei bereits Anfang des Jahres absehbar gewesen, findet Liese. Er habe an Bundesgesund­heits­mi­nister Karl Lauterbach appelliert, eine entsprechende Regelung vorzubereiten. „Wie auf viele andere Briefe hat er auf meinen diesbezüglichen Brief nicht geantwortet.“

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) bemängelte, aufgrund der derzeitigen ge­setz­lichen Rahmenbedingungen sei die Finanzierung der ärztlichen Leistungen völlig ungeklärt. Medizinisch han­dele es sich bei dem jetzt verfügbaren Produkt um eine Passivimpfung. Das Bundesgesundheits­ministe­rium sei schon vor über einem Jahr auf diese Problematik aufmerksam gemacht worden.

„Trotzdem ist seither nichts passiert. Wenn eine Empfehlung zur RSV-Impfprophylaxe eingeführt wird, muss auch die Möglichkeit einer Vergütung geschaffen werden“, sagte BVKJ-Präsident Michael Hubmann. Wenn jetzt eine umfangreiche neue Leistung gänzlich ohne Vergütung eingeführt werden solle, stelle dies eine massive Belastung der Praxen dar und könne so nicht akzeptiert werden.

Der BVKJ weist aber auch noch auf organisatorsiche Herausforderungen hin. Die RSV-Infektionen hätten in den vergangenen Wintern die Kinder- und Jugendarztpraxen und Krankenhäuser an ihre Grenzen gebracht. Diesbe­züglich sollte die RSV-Prophylaxe zwar Abhilfe schaffen.

„Wir müssen jedoch sicher­stellen, dass eine ineffiziente Organisation keine neue Belastung erzeugt“, warnte er. Die Empfehlung der STIKO sieht vor, dass Neugeborene, die während der RSV-Saison zwischen Oktober und März geboren werden, Nirsevimab möglichst rasch nach der Geburt, spätestens aber innerhalb der ersten Lebens­woche, erhalten sollen.

„In Anbetracht der hohen bestehenden Belastung in den Praxen und Kliniken erscheint mir das Zeitfenster sehr eng gewählt“, so Hubmann. „Auch für die Eltern ist es nicht ideal. In der ersten Woche nach der Geburt haben sie zahlreiche andere medizinische Entscheidungen zu treffen. Ein realistischerer Zeitansatz wäre der Zeitraum bis zur U3, die zwischen der vierten und fünften Lebenswoche stattfindet.“

Hubmann betonte, er wisse zudem nicht „wie wir 350.000 bis 400.000 Kinder innerhalb weniger Wochen, von denen auch noch in vielen Bundesländern zwei Wochen Schulferien sind, impfen sollen“. Gerade bei einer neu­eingeführten Impfempfehlung sei oft ein erheblicher zusätzlicher Beratungsaufwand erforderlich.

Er warnte, für die Kinder- und Jugendärzte in Praxen und Kliniken werde es in den kommenden Monaten zu einer großen Herausforderung werden, den Erziehungsberechtigten die Notwendigkeit und Funktionsweise der Impf­prophy­laxe darzulegen. „Dieser zusätzliche Aufwand muss auch finanziell angemessen honoriert werden“, so der BVKJ-Präsident.

may

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