Politik

Ruf nach Bedarfsplanung im stationären Sektor

  • Dienstag, 17. September 2024
/partheev, stock.adobe.com
/partheev, stock.adobe.com

München – Um den anstehenden Strukturwandel im stationären Sektor zu einem definierten Zielbild führen zu können, ist eine Bedarfsplanung für die Krankenhauslandschaft erforderlich. Das zeigte gestern der Bayeri­sche Grüne Krankenhausgipfel der Grünen in München.

„Eine Bedarfsplanung gehört einfach zu einem Umbau einer Krankenhauslandschaft dazu“, sagte Robert Hinke von Verdi Bayern. „Und in Bayern haben wir keine Bedarfsplanung. Wir haben nur ein Fortschreiben des Status quo.“ Die Krankenhauslandschaft werde sich durch die Krankenhausreform des Bundes verändern. Und die Kran­kenhausplanung auf Landesebene müsse „proaktiv werden“.

Leonie Sundmacher von der Ludwig-Maximilians-Universität in München, die auch Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung ist, befürwortete eine Bedarfsplanung im stationären analog zum ambulanten Sektor. „Wir haben eine Karte, die die Bedarfsnotwendigkeiten anzeigt“, sagte sie. „Wir haben Versorgungsgrade, die bedient werden müssen. Und wir brauchen ein Zielbild, mit dem wir definieren können, was eine Über- und was eine Unterversorgung wäre.“

Roland Engehausen von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft gab zu bedenken, dass sich Krankenhäuser unabhängig von der Bedarfsplanung finanzieren müssten. „Ein Land kann ein Krankenhaus zwar in den Kranken­hausplan aufnehmen“, sagte er. „Das heißt dann aber noch nicht, dass sich dieses Krankenhaus auch im System finanzieren kann.“ Solange es keine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser gebe, werde man mit einer eingeschränkten Planung leben müssen.

Mit der Krankenhausreform des Bundes soll die Finanzierung von Krankenhäusern reformiert werden. Ein Teil der Einnahmen soll sich aus einem Vorhaltebudget ergeben, dessen Höhe allerdings weiterhin von den er­brachten Fallzahlen abhängt.

„Wir haben die Sorge, dass wir durch die Ausgestaltung des neuen Vorhaltebudgets noch mehr Bürokratie be­kommen, als wir ohnehin schon haben“, meinte Engehausen. „Wir bräuchten eher eine Weiterentwicklung der nichtfallzahlbezogenen Pauschalen wie der verschiedenen Zuschläge, die es heute schon gibt, zum Beispiel für Sicherstellungshäuser.“

Kommunen brauchen Hilfe

Derzeit schreibt der Großteil der Krankenhäuser rote Zahlen, auch in Bayern. Bernd Buckenhofer vom Bayeri­schen Städtetag betonte, dass die Defizite umso größer würden, je länger der Bund mit der Umsetzung seiner Reform warte. „Die kreisfreien Städte und Landkreise gleichen schon seit Jahren Defizite ihrer Krankenhäuser aus – zuerst noch im überschaubaren Maß“, berichtete Buckenhofer. „Wir haben gesagt: Wir können und wollen uns das leisten.“

Mittlerweile seien die Defizite aber zum Teil auf zweistellige Millionenbeträge angestiegen. „Wir halten es für richtig, das DRG-System jetzt auf eine Vorhaltefinanzierung zu erweitern“, sagte Buckenhofer. „Das Problem ist zurzeit nun, dass man leider nicht erkennen kann, in welche Richtung Bund und Länder die Vorhaltepauschalen nun ausgestalten.“

Buckenhofer betonte, dass die Kommunen Hilfe bei der Umgestaltung der Krankenhauslandschaft benötigten. „Die Lokalpolitik will immer ihr Krankenhaus erhalten“, betonte er. „Wir beginnen jetzt ja darüber zu diskutieren, dass nur noch die besten Krankenhäuser bleiben sollen. Das führt dann aber dazu, dass jeder Landkreis versucht, bei sich das beste Krankenhaus zu haben.“

Ein Bürgermeister einer Stadt mit Krankenhaus könne einfach nicht sagen: „Mein Krankenhaus ist überflüssig.“ Und die Kommunen bräuchten auch finanzielle Hilfe beim Umbau der Krankenhauslandschaft. Denn Umstruktu­rierungen seien teuer.

Bevölkerung mitnehmen

Ein Ziel der Krankenhausreform ist es, die Qualität der stationären Leistungen zu erhöhen, indem Qualitätsvor­ga­ben an die jeweiligen Leistungsgruppen geknüpft werden. „In Deutschland gibt es noch immer das Narrativ, dass man gut versorgt sei, wenn nur ein rotes Kreuz am Krankenhaus hängt“, sagte Tobias Hermann von der AOK Bayern.

„Das ist aber nicht der Fall. Die Medizin entwickelt sich weiter. Und zum Beispiel für die gute Versorgung von Herzinfarktpatienten braucht man einfach Spezialisten. Wir brauchen deshalb ein neues Narrativ, dass man nicht ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht wird, in dem Licht brennt, sondern in das Krankenhaus, das die Patienten gut versorgt.“ Mittlerweile sei es ja auch so, dass manche Notärzte die Patienten nicht mehr in jedes Krankenhaus führen, sondern nur noch in die guten.

Sundmacher von der LMU berichtete von ein Gespräch mit dem Chefplaner der dänischen Krankenhausreform, bei der die Krankenhauslandschaft radikal zentralisiert wurde. „Ich habe ihn gefragt, wie er der Bevölkerung die Zentralisierung der Krankenhauslandschaft kommuniziert hat“, sagte sie. „Er meinte, die Regierung habe der Bevölkerung erklärt, dass die Krankenhauslandschaft zentralisiert werden müsse, um ein besseres Outcome zu bekommen.“

Zu der Zeit habe es einen Artikel im British Medical Journal gegeben, in dem gezeigt worden sei, dass die Morta­lität sinke, wenn Herzinfarktpatienten in ein geeigneteres Krankenhaus verlegt worden seien. „Damit stand die Bevölkerung hinter der Zentralisierung, weil die Menschen wussten, dass sie von dem Umbau profitieren wür­den“, so Sundmacher.

In Deutschland gebe es bei der Qualität noch Luft nach oben. „Wir haben hier zum Beispiel eine sehr hohe Rate an interventioneller Kardiologie, aber nur unterdurchschnittliche Ergebnisse bei der Sterblichkeit“, sagte Sund­macher. „Bei der Personalausstattung sind wir hingegen gut bis sehr gut aufgestellt. Eigentlich wären wir inso­fern gut für den demografischen Wandel gewappnet.“

Aber gleichzeitig gebe es in Deutschland ein hohes Arbeitsaufkommen, weil sich das Personal um viele Fällen kümmern müsse. „Das Rezept wäre, dass wir uns auf die Behandlung der notwendigen Fälle konzentrieren und die medizinisch nicht notwendigen Fälle reduzieren“, sagte Sundmacher. „Da haben wir noch ein großes Poten­zial.“

fos

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung