Situation im Sanitätsdienst weiter angespannt

Berlin – Der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat weiter mit einer stark angespannten Personal- und Ausstattungssituation zu kämpfen. Das erklärte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, gestern in Berlin.
Insbesondere die Innere Medizin – vor allem Gastroenterologie und Augenheilkunde – sowie die Thoraxchirurgie und die Mikrobiologie seien Mangelbereiche mit einem „äußerst schlechten personellen Besetzungsstand“, heißt es im gestern veröffentlichten Jahresbericht der Wehrbeauftragten.
Wegen der geringen Zahl an Dienstposten und der schlechten Regenerationslage in diesen Bereichen könnten insbesondere kurzfristig entstehende personelle Lücken nur durch eine externe Personalgewinnung gedeckt werden. Insgesamt seien 2024 in den Laufbahngruppen der Offizierinnen und Offiziere sowie der Unteroffizierinnen und Unteroffiziere 21,9 Prozent der vorhandenen militärischen Dienstposten im Sanitätsdienst unbesetzt gewesen.
Maßnahmen des Verteidigungsministeriums zur Verbesserung der Personalsituation seien bisher nicht ausreichend erfolgreich gewesen. So habe es bereits 2022 entschieden, rund 2000 zusätzliche Dienstposten im Sanitätsdienst zu schaffen. Bis Jahresende 2024 seien zwar fast alle von ihnen organisatorisch eingerichtet gewesen, allerdings führe „die bloße Einrichtung zusätzlicher Dienstposten noch nicht zu einer tatsächlichen Personalbesetzung“, heißt es im Bericht. Bis Ende des vergangenen Jahres seien gerade einmal 97 der 270 Dienstposten für Offiziere und 419 der 1.689 Dienstposten für Unteroffiziere und Mannschaften besetzt gewesen – zusammen 26,3 Prozent der neu geschaffenen Posten.
Die Unterbesetzung spiegele sich auch in den Beschwerden von Soldatinnen und Soldaten über den Sanitätsdienst. „Wenn wir dahingehende Eingaben erhalten, handelt es sich meistens um Probleme wegen personeller Engpässe“, erklärte Högl.
Das Ministerium lege deshalb einen großen Fokus darauf, Interessierte für den Sanitätsdienst zu gewinnen und sie durch effektive Personalbindung auch zu halten, wobei vor allem externe Stellenanzeigen, Weiterverpflichtungen sowie die Gewährung von Gewinnungs- und Bindungsprämien zum Einsatz kämen, heißt es im Bericht. Das Verteidigungsministerium gestehe allerdings ein, dass deren Wirkung begrenzt sei.
Wegen der schlechten Personallage komme die regionale medizinische Versorgung nicht ohne Vertragsärztinnen und -ärzte aus – speziell, um die Kontinuität der medizinischen Betreuung von älteren und chronisch erkrankten Soldaten zu gewährleisten.
Allerdings hakt es auch dort. Bereits seit mehreren Jahren sei es dem Sanitätsdienst nämlich nicht gelungen, neue Vertragsärzte unter Vertrag zu nehmen. Denn 2019 hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass deren Tätigkeiten für die Streitkräfte sozialversicherungspflichtig sind.
Seitdem sei es zu keiner Einigung zwischen dem Verteidigungs- und dem Innenministerium gekommen, wer die Abführung von Sozialabgaben übernehmen solle. Seit 2020 seien deswegen 45 Vertragsverhältnisse ausgelaufen, was aufgrund von Mehrfachverträgen im Ergebnis 104 von insgesamt 129 Sanitätsversorgungszentren betreffe.
Es sei nur schwer nachvollziehbar, dass sich die bereits angespannte Personallage in der regionalen sanitätsdienstlichen Versorgung nur deswegen über Jahre noch weiter verschärfte, weil sich zwei Ministerien nicht einigen können, kritisierte Högl.
Besondere Probleme gebe es zudem bei der gynäkologischen Versorgung von Soldatinnen, die zumeist durch die Überweisung an niedergelassene Ärzte erfolge. So gebe es Berichte von Vorbehalten bis hin zu Ablehnungen aufgrund von Abrechnungsproblemen mit der Bundeswehr.
Zwar seien der Heilfürsorgeabrechnungsstelle des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr nach dem Ergebnis der Ermittlungen solche Probleme nicht bekannt. Das Verteidigungsministerium plane aber trotzdem im Nachgang zu der Überprüfung ein Gespräch mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), um etwaige Unstimmigkeiten zu klären.
In der Vergangenheit habe die KBV wiederholt Rundschreiben mit aktualisierten Abrechnungshinweisen an die Niedergelassenen erstellt, die zu einer Verbesserung der Versorgung von Soldatinnen beigetragen hätten. Auch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr wolle zudem ein Merkblatt zu Abrechnungsmodalitäten erstellen, auf das Soldaten bei entsprechenden Problemen in zivilen Arztpraxen zurückgreifen könnten.
Es gibt dem Bericht zufolge aber auch Positivbeispiele. So würden die Ausbildungs- und Verwendungsreihen der Truppenärztinnen und -ärzte für Humanmedizin in den Bereichen Frauenheilkunde, Physiologie, Rechtsmedizin, Plastische/Ästhetische Chirurgie sowie Innere Medizin Angiologie und Pneumologie einen Besetzungsstand von 100 Prozent aufweisen.
Auch die Bewerberlage für die Offizierslaufbahn sei weiterhin gut. Auf die 250 Studienplätze für Humanmedizin, die die Bundeswehr jährlich vergibt, habe es vergangenes Jahr 1.000 Bewerbungen gegeben.
Die Umstrukturierung des Sanitätsdienstes im Rahmen der Bundeswehrreform habe hingegen keine negativen Auswirkungen auf die Versorgung der Soldatinnen und Soldaten, versicherte Högl. Zum Hintergrund: Im April 2025 wird der Sanitätsdienst als eigenständiger Bereich aufgelöst und dem bereits 2024 bereits im Oktober 2024 neu aufgestellten Unterstützungskommando der Bundeswehr unterstellt.
Die Kritik der Verbände und Vereinigungen des zivilen Gesundheitswesens an diesem Schritt sei „ungewöhnlich scharf“ gewesen, heißt es im Bericht. Auch innerhalb des Sanitätsdienstes habe es Kritik und Unzufriedenheit mit der Reform gegeben. Ihre Truppenbesuche hätten Högl aber gezeigt, „dass es sich langsam einruckelt“, sagte sie.
Von zunehmender Bedeutung sei auch eine in der Fläche angemessen vorhandene truppenpsychologische Betreuung, auch mit Blick auf Soldaten, die unter Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) leiden. Das Thema einsatzbeschädigter Soldaten stehe „ganz oben auf der Agenda“, betonte Högl. Wer dem Land gedient habe, müsse ein Anrecht auf bestmögliche Versorgung haben.
„Ich will nicht sagen, dass es nicht einzelne Fälle gibt, in denen Soldaten Schwierigkeiten haben, die richtige Versorgung zu erhalten, aber generell haben wir eines der besten Hilfssysteme der Welt“, erklärte sie.
Die Überprüfung der insgesamt 72 Fälle von Suiziden und Suizidversuchen von Soldaten im Jahr 2024 habe ergeben, dass es in fünf Fällen einen Bezug zu einer PTBS-Erkrankung gegeben habe.
Eine Verbesserung erwartet Högl vom Soldatenentschädigungsgesetz, das im Januar 2025 in Kraft getreten ist. Damit liege nun eine komplett eigenständige Regelung für die Beschädigtenversorgung vor. Das Gesetz gelte für alle Soldaten statusunabhängig und gleichermaßen für gesundheitliche Schädigungen im Zusammenhang mit dem Dienst im Inland oder im Ausland. Die Leistungen der Einsatzversorgung blieben davon unberührt.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit:
1