Politik

Spahn: „Habe reines Gewissen“ wegen Maskenbeschaffung

  • Donnerstag, 19. Juni 2025
/picture alliance, Frederic Kern, Geisler-Fotopress
/picture alliance, Frederic Kern, Geisler-Fotopress

Berlin – Bei der umstrittenen Maskenbeschaffung in der Coronapandemie hat sich Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) nach eigenen Worten im Grunde nichts vorzuwerfen. „Ich habe ein reines Gewissen“, sagte der damalige Bundesgesundheitsminister gestern im ZDF-Heute Journal. „Ich habe in der jeweiligen Lage nach bestem Wissen und Gewissen entschieden. Heißt das, dass ich immer richtig lag? Nein, sicher nicht.“

Er erklärte weiter: „Ich würde viele Entscheidungen mit dem Wissen von heute anders treffen, vor allem auch dieses konkrete Vergabeverfahren im Nachhinein anders machen.“ Er wisse aber auch, dass Deutschland als Gesellschaft gut durch diese damalige Ausnahmesituation gekommen sei, „wahrscheinlich besser als die meisten anderen Länder auf der Welt“.

Die Beschaffung zu jener Zeit rechtfertigte Spahn mit einem „gesundheitlichen Kriegsfall“, in dem sich das Land befunden habe, und mit mangelnder Vorsorge: „Wir hatten keine Masken, kein Desinfektionsmittel, wir waren völlig unvorbereitet.“

Die Maskenbeschaffung ist in einer internen Untersuchung von Sonderermittlerin Margaretha Sudhof (SPD) für das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beleuchtet worden, die aber unter Verschluss ist.

Medien berichteten jedoch in jüngster Zeit über Auszüge und über Vorwürfe gegen Spahn. Seitdem gab es wiederholt Forderungen, dass der Sudhof-Bericht dem Bundestag in Gänze zugänglich gemacht werden sollte. Auch Spahn gab an, nicht mehr als Auszüge aus Medienberichten zu kennen.

Ein Bericht der jetzigen Bundesgesundheitsministerin, Nina Warken (CDU), in dem Sudhofs Ergebnisse aufarbeitet werden, solle dem Haushaltsausschuss kommende Woche zur Verfügung gestellt werden, wie Spahn sagte. Warken hatte bereits vergangene Woche gesagt, dass der Originalbericht wegen laufender Prozesse und wegen Persönlichkeitsrechten vorerst nicht veröffentlicht werden könne.

Gefragt nach Medieninformationen, dass es damals Warnungen vor dem beauftragten Logistikunternehmen Fiege aus Spahns Nachbarwahlkreis gegeben haben soll, sagte Spahn, ob es solche konkreten Warnungen auf welcher Ebene auch immer gegeben habe, wisse er nicht. „Ich weiß nur, dass im Coronakrisenstab und im Coronakabinett wir miteinander vereinbart haben, dass wir schnell Lagerkapazität brauchen. Die Bundeswehr hatte nämlich keine Lagerkapazität.“

Nach seinen Worten standen Flüge aus China an: „Fiege, 20.000 Mitarbeiter, einer der größten Gesundheitslogistiker Deutschlands übrigens, hat ein Konzept gehabt, hat Lagerkapazitäten gehabt. Und deswegen sind sie damals zügig beauftragt worden.“ Auch Großunternehmen wie Schenker und DHL seien danach sehr, sehr zügig Teil des Auftrags geworden. „Ja, wir haben in der Not damals kurzfristig entschieden“, sagte Spahn.

Er verteidigte auch die überteuerten Zahlungen für Masken und dass die Beschaffung bei seinem damaligen Ministerium angesiedelt wurde und nicht bei den Beschaffungsämtern des Innen- oder des Verteidigungsministeriums. „Wir haben feststellen müssen, kein Beschaffungsamt der Bundesregierung hatte irgendwelche Erfahrungen für Beschaffungen in der Krise.“

Da seien Verträge geschlossen und gesagt worden, morgen komme etwas, sagte Spahn. „Dann kam aber nichts, weil – im wörtlichen Sinne – jemand mit dem Geldkoffer uns die Masken vor der Nase weggekauft hat.“ Da habe der Krisenstab der Bundesregierung entschieden, dass das BMG nun die Beschaffung übernehme.

„Wir mussten unkonventionell handeln. Aber die gute Botschaft ist: Am Ende haben wir besorgen können, was zu besorgen war“, so Spahn. Man habe nach dem Prinzip gehandelt, dass es besser sei, wenn es Geld statt Menschenleben koste.

Spahn hatte 2020 zu Beginn der Pandemie Lieferanten eine unbegrenzte Abnahme von Masken zu einem Preis von 4,50 Euro pro FFP2-Maske garantiert. Später verweigerte das Ministerium teils die Bezahlung, unter anderem mit Verweis auf fehlerhafte oder verspätete Lieferungen.

In der Talksendung von Markus Lanz (ZDF) sagte Spahn gestern über die Preisherleitung, dass es sich damals um einen „Wild-West-Markt“ mit volatilen Preisen gehandelt habe, an manchen Tagen hätten Masken pro Stück 13 Euro gekostet. Letztlich sei man „in den höheren Teil der Skala“ gegangen, um sicherzustellen, dass Ware ankomme.

Letztlich wurde ein großer Teil der Masken nicht benötigt. Lieferanten klagten in den vergangenen Jahren gegen den Bund. Dabei geht es um hunderte Fälle mit einem Streitwert in Milliardenhöhe.

Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch kritisierte, es gebe nach Spahns Äußerungen „mehr offene Fragen denn je“. Dass der Sudhof-Bericht durch Warken nicht veröffentlicht werden solle, rieche nach „CDU-Filz und Mauschelei“, schrieb er heute im Online-Dienst X.

Auch bei der Auftragsvergabe an Fiege habe Spahn eine „Nebelkerze“ geworfen, denn er habe den Deal an das Unternehmen aus seiner Heimat „gegen den Krisenstab (...) durchgedrückt“. Dass es zur Aufarbeitung der Pandemie zwar eine Enquete-Kommission, aber keinen Untersuchungsausschuss geben solle, sei eine weitere „Nebelkerze“, erklärte Audretsch. „Was gibt es zu verbergen?“

dpa/afp/ggr

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