Spahn sieht Deutschland schlecht für nächste Pandemie gerüstet

Berlin – Fünf Jahre nach den ersten Coronafällen sieht der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Deutschland schlecht auf ähnliche Situationen vorbereitet. In Bayern beurteilt man das anders.
„Der Befund heute ist leider klar und deutlich: Fünf Jahre nach dem Beginn sind wir nicht besser auf eine neue Pandemie vorbereitet als 2020“, sagte Spahn der Augsburger Allgemeinen. Der Stand der Digitalisierung in den Ämtern sei „weiter schlecht“, es mangele an „Vorräten an Masken, Beatmungsgeräten und Medikamenten“.
Der erste Coronafall in Deutschland war am 27. Januar 2020 im bayerischen Landkreis Starnberg bestätigt worden. Spahn war damals Gesundheitsminister im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). In den folgenden Wochen und Monaten wurden umstrittene Maßnahmen ergriffen, um die Verbreitung des Virus in Deutschland einzudämmen, etwa Kontaktsperren und Schulschließungen.
Heute räumt Spahn dabei auch Fehlentscheidungen ein. „Es wäre ein Wunder, wenn in so einer Ausnahmesituation keine Fehler passiert wären“, betonte Spahn und verwies auf den Umgang mit Schulkindern oder die Sperrung von Parks und Spielplätzen im ersten Lockdown. „Seinerzeit wussten wir wenig über Corona und die Ansteckungswege“, sagte Spahn heute.
„Dann haben wir gelernt, draußen zu sein, ist nicht schlecht, es ist sogar gut“, sagte er. „Im Nachhinein war es also Unsinn, Parks zu schließen. Auch die langen Schulschließungen waren ein Fehler“, betonte er. Aber in der Rückschau dürfe man nicht nur mit dem Wissen von heute darauf schauen, sondern müsse von dem Unbekannten ausgehen, was es damals für alle gewesen sei, betonte der Ex-Minister. „Geschwindigkeit ist in der Krise wichtig, wichtiger als Perfektion.“
Spahn verwies auf den Mangel an Masken, Desinfektionsmitteln und Beatmungsgeräten zu Beginn der Pandemie. Später hätten Impfstoffe und Medikamente gefehlt. Daher gelte: „Zu haben ist besser, als zu brauchen.“ Er verteidigte damit auch die teure Beschaffung von Masken, räumte aber ein: „Mit dem Wissen von heute würde ich anders entscheiden“. Er sei aber „beeindruckt davon, wie manche im Nachhinein alles vorher besser wussten. Das ist dann das Privileg derjenigen, die nicht entscheiden mussten.“
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sieht den Freistaat hingegen heute gut gewappnet für mögliche künftige Pandemien. „Aus dieser Erfahrung haben wir gelernt und wichtige Schlüsse zum Schutz der Menschen in Bayern gezogen“, sagte sie zum fünften Jahrestag des ersten bestätigten Coronafalls in Deutschland.
„Vor fünf Jahren stand die Welt vor einer völlig unbekannten Bedrohung. Damals gab es keine Blaupause und keine bewährten Konzepte für den Umgang mit einer derartigen Pandemie“, sagte Gerlach. „Ich bin froh, dass wir die Coronapandemie überwunden haben. Die Erfahrung zeigt: Bayern hat daraus viel für den Gesundheitsschutz gelernt – als Staatsregierung, aber auch als gesamte Gesellschaft.“
Als Beispiele nannte sie „ein sehr effizientes“ Abwassermonitoring, eine Taskforce am Landesamt für Gesundheit und die Einrichtung eines bayerischen Pandemiezentrallagers für Schutzausrüstung.
Außerdem habe die Coronapandemie „auch bei den Bürgerinnen und Bürgern das Bewusstsein geschärft für ein verantwortungsvolles Miteinander. Ich denke dabei zum Beispiel an die allgemeingültigen Hygiene- und Verhaltensempfehlungen zur Infektionsprävention.“
Kritik an der Aufarbeitung der Coronakrise kam heute vom CDU-Politiker Erwin Rüddel. „Die Bundesregierung und die Ampelkoalition haben es in drei Jahren nicht geschafft, die Folgen der Coronapandemie aufzuarbeiten, um daraus Ratschläge für eine eventuelle neue Pandemie zu entwickeln“, sagte er.
Dabei sei es dringend geboten, Handlungsszenarien zu erarbeiten, damit man sich besser mit unterschiedlichen Zuständigkeiten in Bund, Ländern und Kommunen auf globale Gesundheitskrisen vorbereiten könne. Er forderte, die Aufarbeitung in der kommenden Wahlperiode endlich anzugehen.
„Ich könnte mir eine Aufarbeitung gut im Deutschen Ethikrat vorstellen, der sich mit den gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und rechtlichen Fragen unserer Gesellschaft auseinandersetzt“, so Rüddel. Aber es gäbe auch andere Formate zur Aufarbeitung der Coronazeit.
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