SPD und Grüne einigen sich auf Koalitionsvertrag in Hamburg

Hamburg – Knapp acht Wochen nach der Hamburger Bürgerschaftswahl haben SPD und Grüne einen 148-Seiten starken Entwurf für einen Koalitionsvertrag vorgelegt. SPD und Grüne regieren in Hamburg seit 2015 gemeinsam – und wollen das nun auch für weitere fünf Jahre tun.
Nach Angaben von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) soll es bei der SPD keine Veränderungen im Kabinett geben. Damit bleibt Sozial- und Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer weiterhin im Amt.
Im Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne für die nächsten Jahre drängende Probleme aufgelistet. Im Gesundheitssystem gehören aus Sicht der beiden Parteien vor allem der zunehmende Fachkräftemangel sowie steigende Kosten und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung dazu.
Beides mache neben der bereits eingeleiteten Krankenhausreform weitere Reformen in der ambulanten Versorgung, der Pflegeversicherung und der Notfallversorgung erforderlich, heißt es. Wichtig sei dabei „eine gute Abstimmung mit den Krankenhäusern und ambulanten Einrichtungen, der Kassenärztlichen Vereinigung, den Krankenkassen, Kammern und Berufsverbänden“.
SPD und Grüne wollen künftig die Basisversorgung in der Fläche sicherstellen – hochspezialisierte Angebote müssen demnach aber konzentriert erfolgen. Für den ambulanten Bereich ist eine kleinräumigere Bedarfsplanung angedacht. Wo notwendig wollen sich die Parteien für eine „zielgerichtete und rechtssichere Verortung von Kassenarztsitzen einsetzen“.
„Unser vorrangiges Ziel ist es, dass insbesondere Haus- und Kinderarztpraxen sowie Praxen für Gynäkologie in allen Bezirken und Stadtteilen für die Menschen wohnortnah erreichbar sind“, heißt es in dem Papier. Voranbringen will man den barrierefreien Umbau von Praxen, insbesondere von gynäkologischen.
Wo die etablierten Sicherstellungsinstrumente nicht ausreichen, sollen – gerade in sozioökonomisch schwächeren Stadtteilen – weiterhin die Lokalen Gesundheitszentren (LGZ) gefördert werden.
Die Koalitionäre vereinbaren in dem Entwurf, die derzeitige Regelung bei den Ausnahmegenehmigungen vom Zweckentfremdungsverbot für Arztpraxen auf Erleichterungen zu prüfen. Viele Praxen lägen in Räumlichkeiten, die nur für das Wohnen vorgesehen seien, heißt es. Zudem soll geprüft werden, in welcher Weise die Stadt selbst als Vermieter von Räumlichkeiten für Haus- und Kinderarztpraxen in unterversorgten Stadtteilen fungieren kann.
Stützen wollen SPD und Grüne auch Eigeneinrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigung zur Deckung eines lokalen und regionalen Versorgungsbedarfs. Auch stellen sich beide Parteien hinter die erfolgte Entbudgetierung in der haus- und kinderärztlichen Versorgung. Man verbinde damit die Erwartung, attraktive Rahmenbedingungen für die Niederlassung zu sichern.
An der Krankenhausreform hält Hamburg fest und kündigt an, die erforderliche Kofinanzierung des Landes für die Nutzung des Transformationsfonds bereitzustellen. Die Uniklinika sollten aus Sicht der beiden Parteien einen vollständigen Zugang zu den Förderinstrumenten wie etwa dem Transformationsfonds bekommen.
Hamburg will sich auch für eine bundesweite Regelung für eine umlagefinanzierte Pflegeassistenzausbildung einsetzen. Ebenfalls hält man auf Bundesebene eine Reform der Notfallversorgung und des Rettungswesens einschließlich deren Finanzierung für erforderlich.
Ausbauen wollen SPD und Grüne Hilfen für die Betroffenen der Myalgischen Enzephalomyelitis, dem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS), und von Long COVID. Die Behandlung will man zusammenführen und die Forschung stärken.
Die Pflege betrachtet die Koalition in Hamburg als „das große sozialpolitische Thema unserer Zeit“. Daher will man „prüfen, wie ambulante regionale Versorgungskonzepte gestärkt werden können“.
In der Sucht und Drogenpolitik will Hamburg den Kurs fortsetzen. Unter anderem will man eine regional ausgerichtete und niedrigschwellige Suchtberatung sicherstellen und Aufklärung und Präventionsmaßnahmen zur Suchtvermeidung vor Beginn der Pubertät an den Schulen verankern.
Die Koalitionäre vereinbaren, sich auf der Bundesebene für Anpassungen im Betäubungsmittelrecht einzusetzen, damit insbesondere der Crackkonsum in den Einrichtungen und nicht im öffentlichen Raum stattfindet. Das Angebot von „Drug-Checking“, das Überdosierungen verhindern und Konsumkompetenz fördern könnte, soll ermöglicht werden.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sprach bei der Präsentation in der Hansestadt von einer „Fortsetzung eines Erfolgskurses mit neuen Akzenten“. Laut Vertrag wollen beide Parteien bis zum Ende der Legislaturperiode 2030 Investitionen in einer Gesamthöhe von 30 Milliarden Euro für Infrastruktur, Verkehr, Schulen, Klimaschutz und Kultur mobilisieren.
Auch wollen sie etwa den Wohnungsbau durch Planungserleichterungen beschleunigen. Parteitage müssen den Entwurf noch absegnen. Bei der SPD ist dieser bereits für übermorgen einberufen worden. Die Grünen veranstalten ihren Parteitag am kommenden Montag.
Bei Zustimmung könnte sich Tschentscher am 7. Mai in der Bürgerschaft zur Wiederwahl stellen, an diesem Tag ist ohnehin bereits eine Plenarsitzung geplant. In Hamburg war am 2. März gewählt worden. Die SPD gewann trotz Verlusten mit klarem Vorsprung vor der oppositionellen CDU und den Grünen.
Tschentscher hatte sich vor und nach der Wahl stets für eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses mit den Grünen ausgesprochen. Nach der Wahl hatte die SPD zwischenzeitlich aber auch mit der CDU sondiert, bevor sie sich für formelle Koalitionsgespräche mit ihrem bisherigen Partner entschied.
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