Steuer- und Beitragsbefreiung für Mehrarbeit: Details sind unklar

Berlin – Die Bundesregierung hat eine Wachstumsinitiative geplant, in der die Steuer- und Beitragsbefreiung für Mehrarbeit versprochen wird. Was das in der Praxis etwa für Ärzte und Pflegekräfte bedeutet, kann das Finanzministerium (BMF) allerdings nicht erklären.
In dem Papier heißt es, damit sich Mehrarbeit auszahlt, „werden Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuer- und beitragsfrei gestellt“. „Als Vollzeitarbeit gilt dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden.“
Die Frage, was das konkret zum Beispiel für Tarifverträge von Ärzten bedeutet, kann das Finanzressort nicht beantworten. Auch die Frage, ob die Regelung auf Bereitschafts-, Wochenend-, Feiertags- und Hintergrunddienste angewendet werden kann, bleibt offen.
Aus dem Finanzministerium hieß es auf Anfrage lediglich, mit den Maßnahmen sollten „die dringend notwendigen Impulse für mehr wirtschaftliche Dynamik in Deutschland gesetzt werden“.
Mögliche Kosten und Wirkungen der einzelnen Maßnahmen hingen von der jeweiligen Ausgestaltung ab. „Die einzelnen Maßnahmen werden derzeit erarbeitet. Wir bitten daher um Verständnis dass wir uns zu den Details zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern können“, sagte ein BMF-Sprecher.
Mit den Maßnahmen der Wachstumsinitiative will die Bundesregierung unter anderem die Menschen zu mehr Arbeit animieren. Auch soll der Fachkräftemangel damit angegangen werden.
Vorschläge unausgegoren
Der Marburger Bund (MB) hält die Vorschläge für „reichlich unausgegoren“ und – bezogen auf Ärztinnen und Ärzte – auch nicht für relevant. Ärzte benötigen demnach keine Anreize, um noch mehr zu arbeiten.
„Die tarifvertragliche regelmäßige Wochenarbeitszeit in den Krankenhäusern liegt bei 40 Stunden. Es bedarf keiner Anreize für Mehrarbeit – sie ist schon längst die Regel in den Kliniken“, sagte ein MB-Sprecher. Er betonte, Mehrarbeit komme leider viel zu häufig vor, weil es an Personal in vielen Bereichen des Gesundheitswesens mangele.
Die Ärztegewerkschaft wies darüber hinaus darauf hin, dass Abweichungen von Höchstarbeitszeitgrenzen tariflich geregelt seien und den Erfordernissen der Patientenversorgung in einem 24-Stunden-Betrieb entsprächen. „Generell sollte Konsens sein: Überstunden müssen ordentlich bezahlt und Mehrarbeit auf ein notwendiges Maß reduziert werden“, so der Sprecher.
Die Bundesregierung täte aus Sicht es MB gut daran, zunächst einmal einige ihrer Hausaufgaben zu erledigen und dafür zu sorgen, dass die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Arbeitszeiterfassung tatsächlich flächendeckend eingeführt werde.
Der Sprecher machte deutlich, das es im Übrigen viele Gründe gebe, warum auch im Gesundheitswesen die Teilzeitquote gestiegen sei. „Es liegt in vielen Fällen einfach nur daran, dass nicht ausreichend Kitaplätze mit entsprechend flexiblen Öffnungszeiten vorhanden sind.“
Hinzu komme das Ausmaß an Mehrarbeit, das manche Ärztinnen und Ärzte veranlasse, die tarifvertragliche Arbeitszeit notgedrungen zu reduzieren. Prämien für Vollzeit seien auch vor diesem Hintergrund „ziemlich realitätsfremd und ordnungspolitisch höchst fragwürdig“.
Bürokratiearmes Anerkennungsverfahren notwendig
Das Vorhaben der Regierung, für Fachkräfte aus dem Ausland drei Jahre lang die Steuerlast zu reduzieren, hält der MB nicht für ausschlaggebend. Die Baustellen lägen woanders, hieß es.
„Medizinische Fachkräfte aus dem Ausland brauchen ein bürokratiearmes und vor allem zügiges Anerkennungsverfahren. Das ist bisher nicht realisiert“, so der MB-Sprecher. „Hier gibt es am meisten zu tun und die größte Frustration. Wenn es Deutschland nicht gelingt, Fachkräften serviceorientiert und aufnahmebereit zu begegnen, werden auch steuerliche Anreize nicht viel bewirken.“
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