System der globalen Gesundheit reparieren

Berlin – Aufgrund der fehlenden Finanzmittel aus den USA muss das System der globalen Gesundheit dringend wieder repariert und aufgebaut werden. Das betonten Teilnehmer einer Veranstaltung gestern Abend auf dem World Health Summit (WHS).
Das Fundament der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sei aktuell wacklig, sagte Axel Pries, Präsident des WHS. Es stelle sich die Frage, wie man die nächste medizinische Krise lösen könne, wenn man selbst noch nicht wisse, wo man stehe. Hintergrund ist der bevorstehende Austritt der USA aus der WHO-Gemeinschaft. Die USA war das größte Geberland unter den WHO-Mitgliedstaaten.
Um die fehlenden Mittel auszugleichen, müsse man die WHO neu und vor allem anders aufbauen. Statt dem bisherigen Geber-Empfänger-Schema müsste der Fokus auf Partnerschaften, mehr Transparenz und Fairness sowie Verantwortung für alle liegen, sagte Pries.
Die vergangenen Monate seien sehr schmerzhaft gewesen, sagte auch Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO. Er habe aufgrund des Finanzdrucks sehr vielen Kolleginnen und Kollegen kündigen müssen.
Positiv sei aber, dass viele Mitgliedsstaaten in dieser Zeit vortreten und Ressourcen aus ihren eigenen Haushalten für die globale Gesundheit einsetzen würden, sagte Adhanom Ghebreyesus. Insbesondere Länder des globalen Südens seien engagiert.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) erklärte ebenfalls, dass die Öffentliche Gesundheit weltweit unter Druck stehe und hinterfragt werde. Die Herausforderung sei, das System zu stärken und es weniger abhängig von einzelnen Gebern zu machen, betonte Warken.
Vor allem die technische Expertise, etwa zu antimikrobieller Resistenz (AMR), müsse ausgebaut werden. Aber auch die Fähigkeiten, Ausbrüche von übertragbaren Krankheiten einzudämmen, müsse besser werden. Schlüssel seien dafür Expertise und gute Kollaborationen, so Warken.
Die Bundesregierung habe in diesem Jahr ein Update gestartet, wie die nationale „Global-Health-Strategie“ in den kommenden Jahren aussehen solle. „Das erlaubt uns, die Rolle Deutschlands in der globalen Gesundheitsarchitektur zu reflektieren“, sagte Warken. Genauso wie die EU sei auch Deutschland bereit, geopolitische Verantwortung in Global Health zu übernehmen, sagte Warken.
Neue Finanzstrategie gefordert
Um die Lücken der US-Finanzmittel zu füllen, müssten nun alle Länder Mittel und Ressourcen mobilisieren, forderte Jane Halton von Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI, Koalition für Innovationen zur Vorbereitung auf Epidemien). Sie forderte die Länder auf, 0,1 bis 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Pandemievorbereitungen zu investieren. Zudem brauche die WHO eine Finanzstrategie, die vor der Weltgesundheitsversammlung 2026 gestartet werden müsse, sagte Halton.
Um die globale Gesundheit künftig besser aufzustellen, brauche es zudem eine regionalisierte und diversifizierte Produktion von Arzneimitteln, forderte Jean Kaseya, Direktor des Afrikanischen Zentrums für Seuchenbekämpfung und Prävention (Africa Centres for Disease Control and Prevention, Africa CDC). Es benötige zudem finanzielle Anreize für Unternehmen, sich in entsprechenden Regionen niederzulassen. Er verwies dabei auf den größten wachsenden Markt weltweit – Afrika – mit seinen 1,4 Milliarden Menschen.
Durch das Reparieren werden die Systeme der globalen Architektur stärker, betonte auch Hadja Lahbib, EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenschutz gestern Abend. Alle müssten mehr Verantwortung für öffentliche Gesundheit übernehmen und es heißt nun, Kollaboration, statt Isolation zu wählen.
Entsprechend müssen Frühwarnsysteme ausgebaut werden. Lahbib nannte diesbezüglich auch das EU-Programm HERA zur gesundheitlichen Notfallvorsorge und -reaktion (HERA: Health Emergency Preparedness and Response). Die Behörde wurde 2021 gestartet und soll die EU auf künftige Pandemien besser vorbereiten und eine koordinierte Reaktion auf mögliche Gesundheitsgefahren ermöglichen als bei der COVID-19-Pandemie.
Update von Pandemie-Früherkennungssystem gestartet
Parallel zum WHS startete die WHO gestern die zweite und aktuelle Version des Pandemie-Früherkennungsprogramms EIOS (Epidemic Intelligence from Open Sources, Epidemie-Informationen aus offenen Quellen). Noch vor der Pandemie, 2017, wurde das Instrument ins Leben gerufen und seitdem immer weiter ausgebaut. Es greift auf öffentlich verfügbare Artikel und Daten zurück und scannt mögliche Krankheitsausbrüche in gewünschten Regionen.
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) können sich Nutzer etwa eine Zusammenfassung mit der aktuellen Situation, möglichen Risikofaktoren und Ausbreitungen erstellen lassen. Ziel ist es, schneller und frühzeitiger auf mögliche Pandemien und Ausbrüche reagieren zu können. Derzeit nutzen 114 WHO-Mitgliedstaaten und 30 Organisationen das Tool. 2019 waren es noch neun Mitgliedstaaten und zehn Organisationen.
EIOS werde auch in Deutschland täglich genutzt, erklärte Christophe Bayer, Leiter der Abteilung Gesundheitssicherheit, Internationales Krisenmanagement im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Insbesondere im Bereich der Öffentlichen Gesundheit beim Robert-Koch-Institut (RKI) werde es angewendet, um internationale Gesundheitsgefahren zu überwachen, erklärte er.
Aber auch bei Großveranstaltungen, etwa bei der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland vergangenes Jahr, werde EIOS genutzt, um die Überwachung der gesundheitlichen Situation zu verbessern, sagte Bayer.
Neu an der Version EIOS 2.0 ist etwa eine verbesserte Nutzerfunktion, mehr Sprachen, die den Zugang verbessern sollen, einen besseren Workflow, der zu mehr Kollaboration führen soll, verknüpfte KI-Instrumente und ein besseres Support-System, erklärte Johannes Schnitzler, Medical Officer bei der WHO.
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