Teillegalisierung von Cannabis hatte bisher kaum Auswirkungen auf Konsumverhalten

Berlin – Die Teillegalisierung von Cannabis als Freizeitdroge hat bisher keine wesentlichen Auswirkungen auf Menge und Häufigkeit des Cannabiskonsums sowie daraus resultierende Gesundheitsprobleme. Zu diesem Ergebnis kommt die erste Zwischenauswertung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG).
Schätzungsweise 5,3 Millionen Erwachsene haben demnach im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert. Auf die Konsumtrends hatte die Teillegalisierung jedoch keine messbaren Auswirkungen: Seit etwa 2011 ist ein kontinuierlicher prozentualer Anstieg derjenigen Erwachsenen zu beobachten, die in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert haben. Dieser setze sich fort, ohne dass ein Einfluss des Gesetzes erkennbar wäre.
Gleiches gilt dem Bericht zufolge unter umgekehrtem Vorzeichen für den Konsum unter Kindern und Jugendlichen. Dieser sinkt prozentual seit 2019, ohne dass sich seit vergangenem Jahr Veränderungen beobachten ließ.
Auch auf die Inanspruchnahme von Präventionsangeboten durch Jugendliche sind aus den bisher vorliegenden Daten keine kurzfristigen Auswirkungen zu erkennen. Allerdings gibt es Hinweise sowohl auf einen Rückgang der cannabisbezogenen Meldungen an die Jugendämter als auch auf die Zahl der Suchtberatungen, die durch Jugendliche in Anspruch genommen werden.
Derzeit nicht bestimmen lässt sich hingegen nach Aussagen des Reports ein möglicher Einfluss des Gesetzes auf akute oder chronische Gesundheitsprobleme infolge des Cannabiskonsums unter Jugendlichen. Cannabisvergiftungen sind demnach sowohl vor als auch nach der Teillegalisierung im April 2024 äußerst selten gewesen.
Ein leichter Anstieg lässt sich zwar bei akuten Gesundheitsproblemen infolge des Cannabiskonsums bei Erwachsenen erkennen. Ob und welchen genauen Einfluss das KCanG auf akute und chronische Gesundheitsprobleme hat, könne man jedoch erst nach weiteren Untersuchungen sagen, hieß es.
Auch hier liegt die Entwicklung zumindest im generellen Trend: Daten aus der ambulanten und stationären Versorgung zufolge wurden zwischen 2009 und 2023 immer mehr Erwachsene mit cannabisbezogenen Konsumproblemen diagnostiziert und behandelt.
Keine maßgeblichen Veränderungen hat es seit der Teillegalisierung auch bei der Zahl der Toten und Verletzten im Straßenverkehr gegeben.
„Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass sich infolge der Teillegalisierung im Jahr 2024 die Zahl der Konsumierenden und der Umfang gesundheitlicher Probleme durch Cannabiskonsum kurzfristig kaum verändert haben”, sagte Jakob Manthey, Koordinator der im KCanG vorgesehenen Evaluierung und Arbeitsgruppenleiter am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Aus den bisherigen Daten ergebe sich mit Blick auf eine etwaige Nachbesserung des Gesetzes „kein dringender Handlungsbedarf“, betonte er heute in Berlin bei der Vorstellung der Studie. Allerdings ließen sich auch noch keine konkreten Aussagen zu Auswirkungen und Handlungsbedarf beim Gesundheitsschutz aus den Ergebnissen ableiten. Dazu seien mehr Zeit und längere Zeitreihen notwendig.
Das von Manthey geleitete Projekt EKOCAN (Evaluation des Konsumcannabisgesetzes) startete am 1. Januar dieses Jahres und hat eine Laufzeit bis zum 30.April 2028. Neben dem ZIS in Hamburg sind das Centre for Health and Society (chs) am Universitätsklinikum Düsseldorf und das Institut für Kriminologie (IfK) der Universität Tübingen daran beteiligt. Für die Auswertung nutzten die Wissenschaftler Informationen aus zwölf Befragungen und 20 Routinedatenquellen.
Weiterhin viel riskanter Konsum unter Jugendlichen
Zwar setze sich der sinkende Trend im Anteil der Jugendlichen, die Cannabis konsumieren, fort und liege derzeit bei rund 4,6 Prozent – rund ein Zehntel der konsumierenden Jugendlichen betreibe jedoch einen riskanten Umgang mit Cannabis, erklärte Daniel Kotz, Leiter des Schwerpunkts Suchtforschung und klinische Epidemiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Auch hier gebe es aber keine Hinweise darauf, dass sich dieser Anteil durch die Teillegalisierung verändert hätte. Gleiches gelte für das Alter des Erstkonsums, das unverändert bei 15 bis 16 Jahren liege. Ob sich das KCanG auf cannabisbezogene Konsumprobleme bei Jugendlichen ausgewirkt hat, könne aktuell noch nicht beurteilt werden.
Bei Erwachsenen wiederum sei zwar eine Zunahme der cannabisbezogenen Konsumprobleme zu erkennen. Allerdings handele es sich auch dabei um eine Entwicklung, die bereits seit 2009 zu beobachten sei.
Zudem müssten die jährlichen Fallzahlen, insbesondere in der ambulanten Versorgung, mit großer Vorsicht interpretiert werden, da sie einerseits den Bedarf und andererseits das Inanspruchnahmeverhalten der Patientinnen und Patienten beschreiben würden.
Es sei „nicht auszuschließen“, dass die öffentliche Diskussion des KCanG sowie die neue (teilweise) Straffreiheit die Bereitschaft von Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten erhöht habe, „über etwaige Probleme miteinander ins Gespräch zu kommen und sich bei akuten Problemen an die zuständigen Stellen zu wenden“, heißt es in der Studie.
Es seien weitere Analysen von Routine- und Befragungsdaten aus den Folgejahren notwendig, um die Entwicklung cannabisbezogener Konsumprobleme unter Erwachsenen in der Zeit nach Inkrafttreten des KCanG detailliert zu beschreiben und mögliche Auswirkungen der Teillegalisierung genau zu erfassen.
Keine Wirkung auf den Schwarzmarkt
Kaum wirksam sei das Gesetz bisher bei der Zurückdrängung des Schwarzmarkts gewesen, erklärte Manthey. Zwar würden die verfügbaren Daten daraus hindeuten, dass die legalen Marktanteile in den ersten zwölf Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes gewachsen und die illegalen zurückgegangen seien.
Auf 670 bis 823 Tonnen werde der Gesamtbedarf an Medizinal- und Konsumcannabis im Jahr 2024 geschätzt. Die im Gesetz vorgesehenen Anbauvereinigungen würden bisher nicht einmal 0,1 Prozent der benötigten Menge produzieren. Im April 2025 hätten gerade einmal zwei Prozent der erwachsenen Konsumierenden Mitglied einer solchen Vereinigung sein können.
Die Marktanteile des legalen Eigenanbaus sowie des aus illegaler Produktion oder Weitergabe stammenden Cannabis könnten demgegenüber derzeit nicht quantifiziert werden. Eine zentrale Rolle nehme jedoch der sogenannte „Social Supply“ ein, also die private Weitergabe von selbst erzeugtem Cannabis.
Zwölf bis 14 Prozent des Gesamtbedarfs seien durch Medizinalcannabis gedeckt gewesen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant derzeit, diesem Bezugsweg, der meist von Onlinedienstleistern abgedeckt werde, durch ein eigenes Gesetz einen Riegel vorzuschieben.
Die Gesetzesinitiative wollte Manthey nicht kommentieren – das sei nicht sein Auftrag. Er sehe aber vor allem in der geringen Zahl der Anbauvereinigungen ein Problem. Etwa die Hälfte des Gesamtbedarfs an Cannabis gehe auf nur 16 Prozent der Konsumierenden zurück.
Gehe man davon aus, dass diese 0,8 bis 0,9 Millionen Erwachsenen ihr Konsumcannabis vollständig aus Anbauvereinigungen beziehen wollten, bräuchte es deutschlandweit mindestens 2.700 bis 3.000 Anbauvereinigungen mit jeweils etwa 300 Mitgliedern. Allerdings seien bis April 2025 bundesweit gerade einmal 222 Genehmigungen erteilt worden.
„Wenn der Gesetzgeber die Verdrängung des Schwarzmarktes priorisieren wollte, müssten die Rahmenbedingungen für die Genehmigung und den Betrieb von Anbauvereinigungen vereinfacht werden“, betonte Manthey.
Gemischte Reaktionen aus der Politik
Erste Reaktionen aus der Politik fallen gemischt aus. „Die Zwischenevaluation des Cannabisgesetzes zeigt trotz der teilweise noch fehlenden weiteren Datengrundlage bedenkliche Tendenzen“, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) der Deutschen Presseagentur.
So seien ein Anstieg von Gesundheitsstörungen aufgrund von Cannabiskonsum und auch beim Gehalt des berauschenden Wirkstoffes THC „besorgniserregend“. In der Studie war ausgeführt worden, dass die THC-Konzentration in Blüten aus legalen Quellen im Schnitt höher sei als solchen aus illegalen Quellen.
Dies sei darauf zurückzuführen, dass durch die professionelle Produktion von Cannabis höhere Wirkstoffkonzentrationen erreicht werden können. Investitionen in derart professionellere Produktionen seien für illegale Hersteller nicht ökonomisch, ökonomisch sinnvoll, da eine bessere Qualität mangels Ausweisung und Konkurrenz nicht notwendigerweise einen höheren Verkaufspreis erziele.
Aus Beobachtungsstudien gehe hervor, dass der Konsum hochpotenter Cannabisprodukte mit einem erhöhten Risiko von psychotischen Erfahrungen und Cannabiskonsumstörungen einhergeht.
Allerdings sei der genaue Wirkungsmechanismus von der Art der THC-Dosierung und psychiatrischen oder somatischen Gesundheitsproblemen nicht ausreichend bekannt, sodass die gesundheitlichen Implikationen eines steigenden THC-Konsums zum aktuellen Zeitpunkt nicht genau beurteilt werden könnten.
Weitaus positiver als Warken beurteilt SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis die Zwischenergebnisse. „Die Ergebnisse der unabhängigen Evaluation sind ein wichtiges Signal: Die kontrollierte Teillegalisierung von Cannabis war richtig, notwendig und gesundheitspolitisch verantwortungsvoll“, erklärte er.
Bundesärztekammer: Nur eine Momentaufnahme
Die Bundesärztekammer (BÄK) betonte, bei den heute vorgestellten Ergebnisse handele es sich um eine Momentaufnahme. „Sie ist wenig aussagekräftig, weil viele gesundheitliche und gesellschaftliche Folgen der Cannabislegalisierung erst mit Verzögerung eintreten“, sagte ein BÄK-Sprecher.
Er wies darauf hin, dass sich psychische Erkrankungen, Abhängigkeiten und negative Entwicklungseffekte oft erst nach Jahren oder sogar Jahrzehnten zeigen. Eine Beobachtungsdauer von anderthalb Jahren vermittele daher ein unvollständiges Bild. „Unsere Sorge vor den negativen Effekten einer Legalisierung bleiben deshalb bestehen.“
Cannabis erhöhe das Risiko psychischer Erkrankungen wie Depressionen und Psychosen, könne zu Abhängigkeit führen und beeinträchtige Gedächtnis, Konzentration und Lernfähigkeit. „Besonders Jugendliche und junge Erwachsene, deren Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet, sind gefährdet – mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf“, so der BÄK-Sprecher.
Die Bundesärztekammer hat in der Vergangenheit wiederholt gewarnt, dass mit der Legalisierung eine Droge verharmlost wird, die nachweislich abhängig macht und zu schweren Entwicklungsschäden führt. Prävention, Aufklärung und Ausbau der Suchthilfe müssen stattdessen im Vordergrund stehen.
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