Unions-Fraktionschef sieht nur zwei Varianten gegen höhere Krankenkassenbeiträge

Berlin – Leistungskürzungen sind für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) seit gestern nicht mehr ausgeschlossen. Möglichkeiten, erneute Anhebungen der Krankenkassenbeiträge Anfang 2026 noch zu vermeiden, gibt es nicht viele, verlautbarte es jetzt aus der Union.
Kurzfristig zum 1. Januar gebe es im Grunde ja nur zwei Wege, sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU).„Entweder wird der Bundeszuschuss erhöht aus dem Haushalt, also Steuermittel – und/oder es kommt zu kurzfristigen Spargesetzen, wie wir sie etwa in der Krankenversicherung in der Vergangenheit auch schon gesehen haben.“
Spahn erläuterte, es sei nicht unüblich gewesen, dass es im ersten Jahr einer neuen Regierung regelmäßig auch zu kurzfristigen Sparmaßnahmen kommen musste – um sehr stark steigende Ausgaben mit weniger stark steigenden Einnahmen „zumindest mal per Gesetz für ein, zwei Jahre in Deckung zu bringen“. Er hoffe zeitnah auf eine Entscheidung in Koalition und Regierung, machte der Fraktionschef deutlich. „Wir haben schon September.“
Hintergrund sind drohende neue Beitragsanhebungen Anfang 2026, da bisher vorgesehene Finanzspritzen aus dem Haushalt nicht ausreichen, um absehbare weitere Kostensteigerungen auszugleichen. Auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte angekündigt, dass noch über kurzfristige Maßnahmen beraten wird. Erst Anfang 2025 hatte es eine Welle kräftiger Erhöhungen bei den Zusatzbeiträgen gegeben, die die Kassen je nach Finanzlage festlegen.
Der GKV-Spitzenverband schlägt als schnelle Maßnahme seit längerem vor, dass die Kassen jetzt nicht mehr Geld ausgeben müssen, als es dem Anstieg der Beitragseinnahmen entspricht. So wäre weiter Luft für Zuwächse, es müssten keine Leistungen gestrichen werden, und die Beiträge könnten zum Jahreswechsel insgesamt stabil bleiben. Es gebe auch schon einen Paragrafen im Gesetz, den man dafür nutzen könnte.
Spahn sprach sich für weitere Schritte in einer größeren Reform aus, die im Frühjahr anstehe. In die Debatte gehöre auch finanzielle Eigenverantwortung etwa mit Zuzahlungen. Zudem stelle sich die Frage, warum Deutschland mehr Krankentage im Jahr als andere europäische Länder mit vergleichbarem Durchschnittsalter habe. „Sind die Deutschen so viel kränker – kann ja sein – oder sind Anreize falsch gesetzt? Auch das müssen wir diskutieren.“
Weiter debattiert wird auch über den Vorschlag von Tino Sorge, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), in der GKV eine Art Basistarif einzuführen, auf den zusätzliche Leistungen aufgebucht werden können. Warken hatte zwar betont, an so einer Variante werde in ihrem Haus nicht gearbeitet. Aber die GKV-Reformkommission, die in den kommenden Tagen vorgestellt werden soll, könne sich damit befassen.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte eindringlich vor einem solchen Schritt. Damit würde die Bundesregierung ein „Bürokratiemonster“ schaffen, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bereits der bestehende Systemmix aus gesetzlichen Krankenversicherungen, privaten Zusatzversicherungen und den Privatvollversicherungen sei ineffizient.
„Es ist inakzeptabel, die Finanzprobleme der Krankenkassen erneut auf die Versicherten abzuwälzen“, sagte Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG Selbsthilfe. Individuelle Gesundheitsleistungen könnten freiwillig angeboten werden, dürften jedoch nicht den Kern der GKV aushöhlen oder die solidarische Basis gefährden.
Er glaubt, insbesondere junge und gesunde Versicherte könnten aus Kostengründen in preiswerte Basistarife gedrängt werden, deren Leistungslücken sie im Krankheitsfall erheblich belasten könnten.
Für chronisch kranke und behinderte Menschen, die ihre gesundheitliche Situation nicht wählen könnten, drohten zusätzliche Belastungen – trotz bereits bestehender Zuzahlungen und finanzieller Aufwendungen, die über die gesetzliche Chronikerregelung hinausgehen würden.
„Gesundheit ist ein unveräußerliches Gut, keine Ware. Die Politik ist verpflichtet, Solidarität zu stärken, statt sie zu schwächen. Wir erwarten, dass Reformen dieser Verantwortung gerecht werden“, so Danner.
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