Verschärfungen beim Bürgergeld soll kranke Menschen nicht betreffen

Berlin – Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die Spitzen von Union und SPD auf Verschärfungen beim Bürgergeld für nicht kooperationsbereite Bezieher geeinigt. Menschen mit gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigungen sollen aber ausgenommen sein.
„Wir wollen nicht die Falschen treffen“, sagte die Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) nach einem Treffen des Koalitionsausschusses im Bundeskanzleramt in Berlin.
Konkret bedeute dies, „dass psychisch kranke Menschen oder Menschen, die schwere andere gesundheitliche Hemmnisse haben“, nicht automatisch in der gleichen Weise sanktioniert würden, wenn sie etwa Beratungstermine verpassten oder Jobangebote nicht angenommen würden.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte zuvor klargestellt, dass die neue Grundsicherung kommen wird. „Wir werden die Mitwirkungspflichten deutlich verstärken, wir werden auch die Sanktionsmöglichkeiten deutlich erhöhen“, so Merz.
Die rund 5,5 Millionen Bürgergeldbeziehenden müssen sich bei einer Umsetzung der Pläne daher auf strengere Auflagen einstellen. Dem Durchbruch im Koalitionsausschuss waren intensive Gespräche von Merz und Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) vorausgegangen.
Mit den Änderungen sollen Teile der Anfang 2023 in Kraft getretenen Bürgergeldreform rückabgewickelt werden, die Leistung soll künftig einfach nur noch Grundsicherung für Arbeitssuchende heißen. Im Zentrum stehen Verschärfungen, die die Pflichten der Bezieherinnen und Beziehern von Leistungen stärker hervorheben. Fördern und Fordern sollen besser in Balance gebracht, Missbrauch soll stärker unter Kontrolle gebracht werden.
Konkret soll mit härteren Sanktionen belegt werden, wer gegen die Regeln der Jobcenter verstößt und etwa einen Termin nicht wahrnimmt oder eine Arbeitsaufnahme verweigert. Wer als Empfänger von Grundsicherung einen ersten Termin im Jobcenter versäumt, soll sofort zu einem zweiten Termin eingeladen werden. Wer diesen Termin schwänzt, dem soll die monatliche Überweisung um 30 Prozent gekürzt werden.
Bleibt auch ein dritter Termin ungenutzt, sollen die Geldleistungen komplett eingestellt werden. Alle Leistungen inklusive der Unterstützung zur Unterkunft sollen gestrichen werden, wer auch im Monat darauf nicht erscheint. „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben“, sagte Bas. „Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist.“
Härtefälle werden berücksichtigt. Auch das Vermögen der Betroffenen soll weniger geschont werden. Karenzzeiten sollen wegfallen. Das Schonvermögen soll stattdessen an die Lebensleistung geknüpft werden.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nennt die geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld „menschlich hart und kalt“. Die Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek kritisierte die geplante Verschärfung als „menschenunwürdig und rechtlich höchst fragwürdig“. Die Abschaffung des Bürgergelds sei „nur der erste Schritt eines massiven Angriffs auf den Sozialstaat“.
Das Bürgergeld soll das verfassungsrechtliche gesicherte Existenzminimum auch beispielsweise bei Langzeitarbeitslosen gewähren. Alleinstehende erhalten 563 Euro im Monat. Kinder erhalten je nach Alter 357 bis 471 Euro. Im kommenden Jahr soll es die zweite Nullrunde in Folge geben, nachdem die Regelsätze 2023 und 2024 inflationsbedingt deutlich erhöht worden waren.
Eine Einigung gab es im Koalitionsausschuss bei der Aktivrente. Dafür soll es einen steuerfreien Zuverdienst von bis zu 2.000 Euro im Monat geben. Geplanter Startpunkt soll der 1. Januar 2026 sein. Zuletzt hatte es noch Uneinigkeit darüber gegeben, ob im Folgejahr doch Steuern anfallen. Dieser sogenannte Progressionsvorbehalt soll nun nicht greifen.
Möglich sein soll die Aktivrente ab Erreichen der Regelaltersgrenze bei regulären, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Es soll nicht für Gewerbetreibende, Freiberufler, selbstständige Tätigkeiten oder die Land- und Forstwirtschaft gelten, sagte Merz. Damit würde die Aktivrente auch nicht für Niedergelassene gelten. Mehr netto soll es nicht erst nach der Steuererklärung geben, sondern schon beim Lohnsteuerabzug.
Vom Bundesverband der Freien Berufe (BFB) hieß es dazu, die Stoßrichtung stimme. Entscheidend sei aber, dass auch die rund 1,5 Millionen Selbstständigen im Bereich der Freien Berufe berücksichtigt würden.
„Auch und gerade in den Freien Berufen ist der Mangel an Arbeitskräften schon heute sichtbar und wird auch durch den demografischen Wandel weiter zunehmen“, so der BFB. Aus Sicht des Berufsverbands sollte im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Evaluierung die Einbeziehung von Selbstständigen ab 2026 möglich gemacht und die Wirkung bis Ende 2030 überprüft werden.
Die CDU hatte die Aktivrente während der Regierungszeit der Ampelkoalition vorgeschlagen und dann auch im Bundestagswahlkampf gefordert. Rentner sollen bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen können. Das soll die Beschäftigung Älterer fördern und auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Insgesamt wollen Union und SPD ein größeres Rentenpaket gemeinsam mit bisher schon auf den Weg gebrachten Projekten schnüren. Darin enthalten sein soll auch die Haltelinie beim Rentenniveau.
Auch die Frühstartrente soll kommen: Eckpunkte sollen in diesem Jahr beschlossen werden. Kinder ab dem sechsten Lebensjahr sollen ab dem 1. Januar 2026 pro Monat zehn Euro vom Staat bekommen. Dieses Geld soll in ein individuelles Altersvorsorgedepot fließen.
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