Politik

Verstehen statt bevormunden: Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit soll anders kommunizieren

  • Donnerstag, 27. Juni 2024
/Goffkein, stock.adobe.com
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Berlin – Das geplante Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) soll angesichts des digitalen Zeitalters bei der Kommunikation mit den Bürgern einen neuen Ansatz verfolgen.

„Wir wollen die Kommunikation etwas verändern. Wir wollen nicht mehr nur noch Botschaften senden nach dem Motto: Benehmt euch, bewegt euch, ernährt euch gesund“, sagte Ute Teichert, Leiterin der Abteilung 6 im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), gestern Abend in einem Fachgespräch des Parlamentarischen Bei­rates für nachhaltige Entwicklung.

Es solle künftig darum gehen, nach den Beweggründen beim Gesundheitsverhalten zu fragen. „Wir wollen eben nicht bevormundend unterwegs sein, auch wenn wir in den letzten Jahrzehnten [...] mit solchen Botschaften und Kampagnen unterwegs waren“, sagte Teichert. Die Zeiten hätten sich geändert, es handle sich jetzt um ein digitales Zeitalter.

Man müsse nun genau hinsehen und orientiere sich an einem Ansatz der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Behavioural and Cultural Insights. Dieser ziele darauf ab, Faktoren zu verstehen, die das Gesundheitsverhalten beeinflussen. Beispielsweise beim Thema Ernährung könne die Frage lauten: Wie ernährt ihr euch und warum, sagte Teichert.

„Wir haben ein ganz neues Instrument, was wir jetzt einführen“, sagte Teichert mit Blick auf das Panel „Gesund­heit für Deutschland“. „Wir haben jetzt schon 47.000 Panelisten gewinnen können, die bereit sind, an regelmä­ßigen Gesundheitsbefragungen teilzunehmen und auch ihre Daten innerhalb dieser Befragung zur Verfügung zu stellen.“ Dies werde gerade sukzessiv aufgebaut. Ursprünglich gehofft hatte man nur auf 30.000 Teilnehmende.

Dadurch könne man künftig in der Bevölkerung nach dem Wissensstand oder der Meinung zu einem bestimm­ten Gesundheitsproblem fragen, schilderte Teichert. Zum Beispiel, warum Menschen trotz der bekannten War­nungen rauchen. Aufbauend auf einem Verständnis für die Verhaltensweisen könnten Lösungswege entwickelt werden. Sie halte dies für einen wichtigen und neuen Schritt, sagte Teichert.

In dem Fachgespräch zum Thema „SDG 3 – Gesundheit und Wohlergehen (Schwerpunkt Gesundheitsförderung und Prävention)“ machte die Geschäftsführende Direktorin beim Centre for Planetary Health Policy (CPHP), Maike Voss, zudem deutlich, dass Gesundheitsförderung und Prävention kein Selbstzweck seien, sondern „sys­temrelevant, systemstärkend und systemerhaltend“. SDG 3 steht für das dritte Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goal).

Ziel müsse gesundheitliche Chancengerechtigkeit sein, „also keine ungerechten, vermeidbaren oder behebba­ren Unterschiede im Gesundheitszustand zwischen sozial, wirtschaftlich, demografisch oder geografisch defi­nierten Bevölkerungsgruppen“, sagte Voss. Die Ziele im Gesundheitswesen müssten aus ihrer Sicht neu aus­gerichtet werden. Es gelte, die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen zu reduzieren. Durch Gesund­heitsförderung und Prävention sei es zu schaffen, dass weniger Kranke ins System kommen. Das, was noch gemacht werde, müsse so emissionsarm wie möglich sein.

Voss nahm Bezug auf den Health-in-all-policies-Ansatz, ein sektorenübergreifendes Konzept, bei dem syste­ma­tisch die gesundheitlichen Auswirkungen von Entscheidungen berücksichtigt würden. Besondere Hebel­wirkung mit Blick auf Gesundheitsförderung/Prävention und Nachhaltigkeit hätten die Verkehrs-, Bau-, Ernäh­rungs- und Energiewende sowie ein Wandel in der Wirtschaft weg von dem Fokus auf Profitsteigerung hin zum Wohlbefinden der Menschen („Wellbeing-Economy“).

Der Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit sei sehr gut belegt, betonte Voss. Alle Instrumente, die mehr Geld in Familien brächten, würden der Gesundheit helfen. Finanzpolitik sei in dem Bereich Gesundheits­politik.

Wenn man im Sinne einer gesundheitlichen Chancengerechtigkeit vorankommen wolle, so sollte das geplante BIPAM aus Sicht von Voss nicht nur wie bisher vorgesehen gesundheitsrelevante Faktoren und Rahmenbedin­gungen beobachten, sondern diese auch bewerten dürfen. Allerdings erwarte sie nicht, dass dies den anderen Häusern gefallen würde.

Auf eine Frage zum Überwinden von „Ressortegoismen“ und der Umsetzung von Maßnahmen sagte Teichert, man sehe die Herausforderungen des interdisziplinären Ansatzes und des ressortübergreifenden Arbeitens durchaus. In einzelnen Bereichen arbeite man aber schon ressortübergreifend mit anderen Ministerien, sagte Teichert und nannte als Beispiel etwa den Hitzeschutz. Dabei mache man sehr gute Erfahrungen, auch in Hinblick auf Maßnahmen.

Abschließend machten sich Voss und Teichert für eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes stark. Prävention und Gesundheitsförderung seien wesentliche Bausteine. Jede Investition in den Bereich führe zu Ersparnissen an anderer Stelle. Es gelte, vorzudenken und Weichen zu stellen. „Wir reden nicht nur über ein Thema im Gesundheitsbereich, sondern es betrifft sehr viele andere“, sagte Teichert.

ggr

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