Politik

„Verzerrung der Vergangenheit“: Lauterbach verteidigt sich gegen Vorwürfe

  • Donnerstag, 15. August 2024
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, spricht bei der Vorstellung eines neuen Online-Registers für Erklärungen von Bürgerinnen und Bürgern zur Organspendebereitschaft. /picture alliance, Michael Kappeler
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit /picture alliance, Michael Kappeler

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wehrt sich gegen einen Angriff von FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf seine Person im Zusammenhang mit den sogenannten RKI-Protokollen. „Ich warne eindringlich davor, mit Spekulationen, Unterstellungen und Verschwörungstheorien die Vergangenheit zu verzerren“, sagte der SPD-Politiker in einem Interview den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Er antwortete auf Fragen dazu, ob etwa Anfang 2022 eine Herabstufung des Coronarisikos durch sein Ministerium verhindert worden war, auch weil zu dieser Zeit die Einführung einer Coronaimpfpflicht vorbereitet wurde. Kubicki hatte diese Verbindung in einem Beitrag auf seiner Webseite hergestellt.

Lauterbach warnte vor „haltlosen Mutmaßungen“. Im Februar 2022 sei man in einer Phase gewesen, in der teil­weise noch Hunderte Menschen pro Tag an Corona gestorben seien. „In einer solchen Lage kann man nicht das Risiko herabstufen“, sagte der Minister.

Die Frage, ob er die Pandemie zeitweise gefährlicher dargestellt habe, als sie tatsächlich gewesen ist, beantwor­te­te der Lauterbach mit „Nein“. Er habe die Lage so beschrieben, wie sie sich im Licht der Daten und der Studien gezeigt habe.

Nach der Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente über die Sitzungen des Coronakrisenstabs beim Robert-Koch-Institut (RKI) durch eine Journalistin – das Institut selbst hat die kompletten Protokolle bisher nicht ver­öffentlicht – hatte Bundestagsvizepräsident Kubicki persönliche Konsequenzen von Lauterbach gefordert.

Er warf dem Gesundheitsminister vor, ein „unverantwortliches Verhältnis zur Wahrheit“ zu haben und bezog sich unter anderem auf eine Aussage Lauterbachs vom März, wonach das RKI unabhängig von politischer Weisung gearbeitet habe. Die Äußerung Kubickis kommentiere er nicht, sagte Lauterbach.

Nach Ansicht des FDP-Vizes belegen die Dokumente eine politische Einflussnahme. Das RKI habe auf Drängen des BMG den öffentlichen Pandemiedruck künstlich hochgehalten, schrieb der FDP-Politiker. Im Funke-Interview wird Lauterbach mit Passagen aus den Dokumenten konfrontiert, die Kubicki in dem Zusammenhang zitiert hatte, zum Beispiel mit der Ablehnung der Risikoherabstufung durch das Ministerium.

„Wir sollten keinen künstlichen Widerspruch zwischen Wissenschaft und Politik konstruieren“, sagte Lauterbach dazu. Die Wissenschaft liefere Fakten, die Bewertung finde dann im Austausch zwischen den Fachebenen von RKI und des Ministeriums statt.

„Die politische Verantwortung trägt am Ende immer das Bundesgesundheitsministerium.“ Er verteidigte die Coro­napolitik grundsätzlich. Man sei insgesamt aus gutem Grund vorsichtig gewesen. „In Deutschland sind weniger Menschen gestorben als in den meisten unserer Nachbarländer, obwohl wir eine sehr alte Bevölkerung haben.“

Der zentrale Fehler in der Pandemie war nach Ansicht des Gesundheitsministers, dass Kinder nicht ausreichend vor den Folgen von Schulschließungen und Lockdowns geschützt worden seien. Auch habe die Regierung „nicht optimal“ mit der Bevölkerung kommuniziert. Zudem sei die Art der Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft zu Beginn oft undurchsichtig gewesen.

Das RKI selbst stellte kürzlich auf seiner Webseite einen Hinweis für Betroffene des Leaks ein: Sollte der Schutz der eigenen personenbezogener Daten durch die „rechtswidrige Veröffentlichung der RKI-Krisenstabsprotokolle sowie weiterer Dokumente“ verletzt worden sein, könne man sich an die behördliche Datenschutzbeauftragte des RKI sowie den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wenden. Diesem habe das RKI den Vorfall auch bereits gemeldet.

Das RKI schreibt weiter über das Leak: „Die Veröffentlichung umfasst alle Protokolle und Agenden des COVID-19-Krisenstabs des RKI nebst begleitender Dokumente zu den jeweiligen Sitzungen des RKI-Krisenstabs wie u.a. E-Mail-Verläufe. In den veröffentlichten Dateien sind u.a. eine Vielzahl personenbezogener Daten enthalten, die eine Vielzahl von Personen betreffen, und zwar neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des RKI auch eine Vielzahl externer Dritter.“

In einer ersten Stellungnahme im Juli hatte das Institut noch geschrieben, es habe die Dokumente weder geprüft noch verifiziert.

Die unter einem Pseudonym arbeitende Journalistin Aya Velázquez, die die ungeschwärzten Protokolle veröffent­licht hatte, schrieb gestern auf X, sie rechne mit einer zivilrechtlichen Klage. Und sie zeigte sich offen, auf Anfrage persönliche Daten wie private Handynummern im Datensatz zu schwärzen. „Bislang hat sich diesbezüglich jedoch nur eine Person bei uns gemeldet – und wir haben umgehend reagiert.“

dpa/ggr

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