Politik

Warnung vor „englischen Verhältnissen“ in deutschen Kliniken

  • Mittwoch, 19. Juli 2023
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). /picture alliance, Marcus Brandt
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). /picture alliance, Marcus Brandt

Berlin – Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat mit Blick auf die geplante Krankenhausreform vor regionalen Versorgungslücken im Gesundheitswesen gewarnt. Es bestehe die Gefahr, dass es zu einem „unge­ordneten Krankenhaussterben“ komme, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß dem Portal Web.de. Das würde den Patienten „ein Stück weit englische Verhältnisse bringen“.

Bisher seien planbare Behandlungen und Operationen in deutschen Krankenhäusern häufig noch relativ schnell möglich, sagte Gaß. „Das könnte sich ändern, zumindest in vielen Regionen in Deutschland.“

In England gebe es sehr knappe Kapazitäten im Krankenhausbereich. „Die Patienten müssen dort viele Mo­nate, zum Teil Jahre auf planbare Leistungen warten“, sagte Gaß. Er rechne zwar nicht damit, dass das in den nächsten Jahren „in der Dimension bei uns auftritt“.

In vielen Regionen in Deutschland könne sich die Wartezeit für Behandlungen und Operationen in Kranken­häusern aber verlängern. Der DKG-Vorsitzende warnte zudem vor einer Verschärfung des Fachkräftemangels. „Die Belegschaft eines Krankenhauses ist kein Wanderzirkus, der von A nach B marschiert, wenn ein Standort geschlossen wird“, sagte Gaß.

Gerade Pflege- und Teilzeitkräfte hätten häufig eine regionale Verbundenheit: „Die ziehen nicht eben mal 30 Kilometer weiter zur nächsten Universitätsklinik. Ein großer Teil dieser Leute wird sich eine andere Beschäfti­gung suchen oder in den Vorruhestand gehen.“

Nach monatelangem Ringen hatte sich Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) mit den Ländern vergangene Woche auf Eckpunkte der Krankenhausreform geeinigt.

Sie soll einerseits die Finanzierung der Kliniken durch eine Abkehr vom System der Bezahlung nach behan­del­ten Fällen auf eine stabilere Grundlage stellen. Andererseits soll sie durch eine stärkere medizinische Spe­zialisierung die Qualität erhöhen. Über den Sommer wollen Bund und Länder einen konkreten Gesetzentwurf ausarbeiten.

Zu einem geordneten Strukturwandel sei man bereit, sagte Gaß. Nach seiner Einschätzung würde die Reform aber „frühestens 2028 erste Wirkung entfalten“. Sie gebe „keine Antworten auf den kalten Strukturwandel der Gegenwart“.

„Uns laufen die Kosten weg. Krankenhäuser müssen zurzeit 500 Millionen Euro mitbringen, sich verschulden oder eigene Mittel aufbrauchen, um die Patientenbehandlung sicher zu stellen. Das wird nicht mehr lange gut gehen“, so der Chef der Krankenhaus­gesellschaft.

afp/kna

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