WHO-Finanzprobleme: Warken bittet Mitgliedsstaaten um Mithilfe

Genf – Angesichts der Finanzkrise der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die neue deutsche Gesundheitsministerin an die Solidarität der anderen Mitgliedsstaaten appelliert. „Wir rufen alle Mitgliedsstaaten auf, die finanzielle Grundlage der WHO zu stärken“, sagte Nina Warken (CDU) heute in Genf, wo die 78. Weltgesundheitsversammlung begonnen hat.
Warken hatte bereits kurz vor Beginn der Jahrestagung angekündigt, dass Deutschland die WHO mit weiteren zehn Millionen Euro unterstützen werde. Bei dem Treffen des höchsten Entscheidungsorgans der WHO steht neben der finanziellen Lage der WHO auch der geplante Pandemievertrag im Mittelpunkt.
In ihrem Redebeitrag vor den Delegierten auf Englisch betonte die Ministerin, dass die Welt eine starke WHO brauche und dass die neue Bundesregierung ihr starkes Engagement für die Organisation fortsetzen werde. Die Expertise und Beteiligung aller Länder werde gebraucht, betonte Warken. „Niemand kann globale gesundheitliche Herausforderungen allein adressieren und niemand kann die WHO allein aufrechterhalten.“
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus dankte Deutschland für die Unterstützung. „Zu diesem für die WHO entscheidenden Zeitpunkt unterstreicht Deutschlands Beitrag sein Vertrauen in die Rolle der WHO und ihre Führungsqualitäten“, erklärte er. Morgen Abend soll es nach WHO-Angaben weitere Mittelankündigungen durch Mitgliedsstaaten und andere Unterstützer geben.
Der WHO fehlen in den kommenden zwei Jahren 1,7 Milliarden Dollar (rund 1,5 Milliarden Euro), wie Tedros zum Auftakt des achttägigen Treffens der noch 194 WHO-Mitgliedsländer mitteilte. Neben den USA – dem bisher größten Geldgeber der WHO – hat Argentinien seinen Austritt aus der 1948 gegründeten Organisation verfügt.
Die USA trugen rund 20 Prozent zu den Ausgaben der WHO bei. Die WHO habe das geplante Zweijahresbudget für 2026/27 bereits um rund 20 Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar pro Jahr gekürzt. Für den Zeitraum veranschlagt sie also 4,2 Milliarden Dollar. 2,1 Milliarden Dollar pro Jahr seien wenig, meinte Tedros. So eine Summe werde für Rüstungsgüter weltweit alle acht Stunden ausgegeben.
Die WHO reduziere ihr oberstes Führungsgremium von 14 auf 7 Positionen und die Zahl der Abteilungen von 76 auf 34, sagte er. Unter anderem geht der durch die Coronapandemie bekannt gewordene Nothilfekoordinator Mike Ryan. Die Zahl der Beschäftigten von weltweit rund 9.500 soll nach internen Plänen um 20 Prozent sinken.
Eigentlich müssten die USA für 2025 noch rund 130 Millionen Dollar (etwa 116 Millionen Euro) zahlen. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass das Geld fließen wird. Der Austritt der USA aus der WHO wird Anfang 2026 wirksam.
Morgen will die WHO-Versammlung den zuvor ausgehandelten Pandemievertrag formell verabschieden. Der Vertrag soll im Fall von künftigen Pandemien Chaos bei der Beschaffung von Schutzmaterial wie während der Coronapandemie vermeiden, als Länder sich etwa Masken gegenseitig streitig machten. Außerdem soll er für eine gerechtere Verteilung von Impfstoffen zwischen reichen und ärmeren Ländern sorgen.
„Die nächste Pandemie darf die Weltgemeinschaft nicht wieder unvorbereitet treffen“, sagte Warken am Rande der WHO-Tagung. Es sei wichtig, dass nicht jeder Staat für sich handele. Wenn man es gemeinsam schaffe, rechtzeitig Ausbrüche zu erkennen, einzudämmen und Vorsorge zu ergreifen, „dann ist es auch für uns gut“. Die anstehende Annahme des Abkommens sei ein gutes Zeichen. Es zeige, dass die WHO weiterhin handlungsfähig
sei und ihrem Kernmandat nachkommen könne.
Bis der Vertrag in Kraft treten kann, dürften allerdings noch Jahre vergehen. Eines der umstrittensten Themen ist in einen Anhang geschoben worden, der noch ausgehandelt werden muss. Dabei geht es darum, unter welchen Bedingungen Länder Pharmaunternehmen Krankheitserregerproben zur Verfügung stellen und wie sie dafür etwa mit bevorzugter Belieferung von Impfstoffen kompensiert werden.
Für die konkrete technische Umsetzung soll eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe eingesetzt werden, deren erste Sitzung für Mitte Juli geplant ist. Wenn deren Ergebnisse voraussichtlich bei der nächsten Weltgesundheitsversammlung im Mai 2026 ebenfalls abgesegnet werden, kann die Ratifizierung des Abkommens beginnen. Damit es in Kraft treten kann, muss es von 60 Mitgliedstaaten ratifiziert worden sein.
Die äußerst zähen Verhandlungen bis zu einem Entwurf für einen Vertragstext hatten mehr als drei Jahre gedauert. Die USA waren an der Verhandlung der letzten Details nicht mehr beteiligt. US-Präsident Donald Trump hatte direkt nach seinem Amtsantritt im Januar den Austritt seines Landes aus der WHO verfügt.
Die Weltgesundheitsversammlung läuft noch bis 27. Mai. Das diesjährige Motto lautet: „One World for Health“. Es wird erwartet, dass mehr als 40 Resolutionen verabschiedet werden. Nach WHO-Angaben wurde wegen knapper Ressourcen etwa die Zahl zusätzlicher Veranstaltungen begrenzt. Um Kosten einzudämmen, seien etwa auch Redezeiten verkürzt worden, um Abendsitzungen auf ein Minimum zu beschränken.
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