„Wir werden zeitnah die präklinischen Daten auswerten“
Berlin – Die Entwicklung eines weiteren Coronaimpfstoffs vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und der IDT Biologika GmbH unter Beteiligung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) verzögert sich. Der Vektorimpfstoff mit der Bezeichnung MVA-Sars-2-S wurde zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember 30 Probanden in Hamburg verabreicht und ist nach dem Ergebnis dieser ersten klinischen Studie zwar gut verträglich, aber weniger wirksam als erwartet. Die für Anfang dieses Jahres geplante Phase-II-Studie wurde verschoben. Das Deutsche Ärzteblatt (DÄ) sprach dazu mit Marylyn Addo, verantwortliche Prüfärztin der klinischen Studie und Leiterin der Infektiologie des UKE.

5 Fragen an Marylyn Addo, Leiterin der Infektiologie des UKE
DÄ: Frau Professorin Addo, das Ergebnis Ihrer ersten klinischen Studie zu dem weiteren Coronaimpfstoff war für viele enttäuschend. Wie haben Sie das Ergebnis aufgenommen?
Marylyn Addo: Wir gehen als Wissenschaftler zwar eigentlich ergebnisoffen an eine Studie heran. Dennoch muss ich zugeben, dass es mich schon etwas kalt erwischt hat – auch, weil das Team so hart daran gearbeitet hatte.
Zudem hatten wir andere Erwartungen, da wir am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung an Vektorimpfstoffen forschen, mit denen wir bei Ebola und MERS bereits gute Erfolge erzielt hatten. Wir hatten das Impfkonstrukt an SARS-CoV-2 angepasst, indem wir einen Teil des Coronaerbguts in ein abgeschwächtes Pockenvirus eingebaut hatten, auf das das Immunsystem dann reagieren sollte.
DÄ: Wo sehen Sie die Ursachen dafür, dass dies nicht wie erwartet geschah, und welche Schritte unternehmen Sie jetzt?
Addo: Nach dem vorläufigen Stopp der Studie haben wir uns zusammengesetzt und sind auf Fehlersuche gegangen. Inzwischen arbeiten wir an verschiedenen Ansatzpunkten: Zum einen könnte die Vektorkonzentration pro Dosis nicht ausreichend hoch gewesen sein. Zum anderen arbeiten wir an der Stabilität des Spikeproteins. In den nächsten Schritten wurde das Impfkonstrukt entsprechend angepasst und wir werden zeitnah die präklinischen Daten auswerten.
DÄ: Ist Ihr neuer Impfstoff bereits an die jetzt auftretenden Mutationen angepasst?
Addo: Das jetzige Impfstoffprodukt umfasst die neuen Virusvarianten noch nicht. Aber das Positive an den neuen Impfstoffstrategien, Vektorimpfstoffen wie auch mRNA-Impfstoffen, ist, dass diese Plattformen sich zügig und gut anpassen lassen, auch an die neuen Virusmutationen. Und Aktivitäten in diese Richtung laufen auf vielen Ebenen.
Die genauen Zulassungsmodalitäten für diese Art angepasster Impfstoffe werden derzeit noch erarbeitet. Doch bezüglich der Mutationen gibt es noch viele offene Fragen, daher ist eine weitere Forschung essenziell.
DÄ: Es hat sich bereits gezeigt, dass einige Impfstoffe bei verschiedenen Varianten möglicherweise weniger gut wirken. Inwieweit verändert das Aufkommen der Varianten von SARS-CoV-2 die Chance, die Pandemie per Impfung in den Griff zu bekommen?
Addo: Hierbei ist wichtig zu betonen, dass die Impfungen ja immer nur eine wichtige Säule im Kampf gegen die Pandemie sind. Wir wissen, dass die Impfstoffe – auch bei den Virusvarianten – gegen eine Erkrankung an COVID-19 und vor allem gegen einen schweren Krankheitsverlauf schützen, genau in welchem Maße sie aber auch vor Infektionen schützen beeinflussen, wird sich zeigen, wenn die Datenlage dazu final ausgewertet ist.
Erste kürzlich vorveröffentlichte Studien hierzu sind jedoch sehr vielversprechend mit guter Wirkung auf asymptomatische Infektionen und auch auf Infektiösität. Die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen schützen gegen alle Varianten des Virus. Deshalb ist es auch so wichtig, die AHA+L Regeln in der jetzigen Situation weiterhin einzuhalten. Nur so können wir versuchen, das Infektionsgeschehen so zu senken, dass neue Mutationen möglichst erst gar nicht entstehen.
DÄ: Wenn in Ländern der Dritten Welt wahrscheinlich erst später und langsamer geimpft wird, welche Auswirkungen kann dies auf das Mutationsgeschehen haben?
Addo: Das ist aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen derzeit noch schwierig zu bewerten. Generell ist es wichtig, dass unter anderem über das COVAX Programm („COVID-19 Vaccines Global Access) auch Impfstoffe in ressourcenschwächeren und Entwicklungsländern der Welt verteilt werden, damit wir die Pandemie global bekämpfen. Doch auch dort sind sie nur eine Säule bei der Senkung des Infektionsgeschehens.
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