„Wir wollen eine Zentrierung der Patientenströme hin zur bestmöglichen regionalen und überregionalen Versorgung“
Köln – Gestern hat die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzte Regierungskommission ihre mit Spannung erwarteten Ideen für eine umfassende Krankenhausreform vorlegt.
Darin schlägt sie insbesondere drei Neuerungen vor: Die Aufteilung des stationären Sektors in drei Versorgungsstufen, die Einführung von 128 mit Strukturvoraussetzungen hinterlegte Leistungsgruppen, die den Krankenhäusern zugewiesen werden, und eine Zwei-Säulen-Finanzierung, mit der die Häuser künftig über Fallpauschalen und Vorhaltepauschalen finanziert werden.
Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) erklärt Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und Mitglied der Kommission, wie sich die Krankenhauslandschaft durch diese Reform verändern könnte.

Fünf Fragen an Christian Karagiannidis, Regierungskommission Krankenhaus
DÄ: Die Regierungskommission schlägt vor, dass Krankenhäuser in drei Level eingeteilt werden. Wer soll diese Einteilung vornehmen?
Karagiannidis: Die Regierungskommission hat als Diskussionsgrundlage klare Kriterien der Mindeststrukturqualität erarbeitet, nach denen Kliniken in eines der Level eingeteilt werden sollen.
Die Bundesländer haben die Planungshoheit und vergeben die Bezeichnung – Level 1, 2 oder 3 – auf krankenhausindividueller Ebene. Sollten einzelne Kriterien für einen Standort nicht erfüllbar sein, erfolgt nicht direkt die Aberkennung des Levels.
Hier haben die Bundesländer die Hoheit der Festlegung des Levels. Sollten einzelne Kriterien auf der Ebene der Leistungsgruppen nicht erfüllbar sein, so erfolgt ein Abschlag in der Vorhaltevergütung.
Die Regierungskommission befürwortet darüber hinaus explizit die enge regionale Zusammenarbeit der Kliniken unterschiedlicher Level mit enger Vernetzung und bilateraler Patientenzuweisung.
DÄ: Durch die von der Regierungskommission vorgeschlagene Reform soll die Krankenhauslandschaft umgestaltet werden. Ist es ein Ziel der Reform, die Überversorgung in Ballungszentren – zum Beispiel in Köln – gezielt zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Versorgung durch die einheitlichen Strukturvoraussetzungen zu erhöhen?
Karagiannidis: Wir haben in Deutschland eine zu heterogene Krankenhausstruktur – und leider auch eine zu heterogene Ergebnisqualität im gesamten Gesundheitswesen. Mindeststrukturvoraussetzungen sind ein erster wichtiger Schritt, um die Qualität der Versorgung deutlich zu verbessern.
Zentral in dem Konzept ist die Zentrierung der Patientenströme hin zur bestmöglichen regionalen und überregionalen Gesundheitsversorgung, da Krankenhäuser jetzt unter anderem die Möglichkeit haben, Leistungsgruppen untereinander zu tauschen und ihr Profil in bestimmten Leistungsgruppen zu schärfen.
Dadurch steigt die Ergebnisqualität in der Regel deutlich an und Überversorgung wird unter anderem durch die verbesserte Indikationsqualität reduziert. Auch die Umwandlung von Krankenhäusern in die von uns vorgeschlagenen Level-Ii-Kliniken zur akutpflegerischen Versorgung ist ein wichtiger Beitrag für überversorgte Regionen wie Köln, die medizinische und vor allem die technische Überversorgung sinnvoll zu reduzieren – unter Erhalt der so wichtigen Pflegebetten.
DÄ: Im deutschen Gesundheitswesen gibt es bereits verschiedene Vorgaben zu Strukturvoraussetzungen, zum Beispiel in den OPS-Strukturmerkmalen oder im Rahmen von Zertifizierungen durch Fachgesellschaften. Sollen die verschiedenen Strukturvorgaben nach den Vorstellungen der Regierungskommission harmonisiert werden?
Karagiannidis: Ich begrüße ausdrücklich, dass es bereits einige Strukturmerkmale gibt, wie zum Beispiel die Strukturvoraussetzungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, DIVI, zur Intensivmedizin.
Die Fachgesellschaften sind ebenso wie die Ärztekammern jetzt explizit aufgefordert, ihre Vorstellungen zur Strukturqualität auf Ebene der Leistungsgruppen proaktiv einzubringen. Auch Zertifizierungen wie in der Onkologie spielen in unserem Konzept eine herausragende Rolle zur Verbesserung der Qualität und sind daher schon ab Level 2 zwingende Grundvoraussetzung.
DÄ: Krankenhäuser haben in den letzten Jahren auch deshalb gezielt Mehrleistungen im DRG-System erbracht, um die unzureichenden Investitionsmittel der Bundesländer auszugleichen. Mit der von der Regierungskommission vorgeschlagenen Reform sollen die Betriebsmittel unter den Krankenhäusern neu aufgeteilt werden.
Die Unterfinanzierung im Investitionsbereich bleibt jedoch bestehen, wenn die Länder ihre Investitionsmittel nicht aufstocken. Wie könnte von Bundesseite verhindert werden, dass die Krankenhäuser auch nach der Reform versuchen, über Mehrleistungen die unzureichenden Investitionsmittel auszugleichen – und die Ärztinnen und Ärzte somit weiterhin im Hamsterrad arbeiten müssen?
Karagiannidis: Dieser Punkt ist extrem wichtig. Die Regierungskommission empfiehlt daher die Neuauflage des Krankenhausstrukturfonds, insbesondere auch für die bauliche Umgestaltung der Krankenhauslandschaft, zum Beispiel bei Krankenhausfusionen, wenn Neubauten notwendig werden sollten.
Hier ist mir das nachhaltige ökologische Bauen als „Green Hospital“ ein besonderes Anliegen. Zu den Investitionskosten wird sich die Regierungskommission noch gesondert äußern – allerdings liegt dies bisher klar in der Verantwortung der Länder und nicht des Bundes.
DÄ: Die Regierungskommission hat vorgeschlagen, mit den Level-In-Einrichtungen Krankenhäuser der Grundversorgung zu benennen, die in ihrer Region auch die Notfallversorgung übernehmen. Inwieweit ist ein Nebeneinander dieser Häuser und der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgeschlagenen Integrierten Notfallzentren, INZ, denkbar?
Karagiannidis: Die Regierungskommission wird sich noch dezidiert zur Notfallversorgung äußern. Ich sehe gerade in den Integrierten Notfallzentren auf allen Leveln eine große Chance, dem enormen Ansturm der Notfallpatienten Herr zu werden.
Das alleine wird aber nicht ausreichen, wenn wir die präklinischen Strukturen nicht zeitgleich verbessern. Dazu gehört meiner Ansicht nach auch zwingend die richtige präklinisch koordinierte Patientenallokation, eine Grundreform des Rettungsdienstes sowie erweiterte und klar definierte pflegerische Kompetenzen, insbesondere im präklinischen Bereich, um Hospitalisierungen gerade der immer älter werdenden Bevölkerung zu reduzieren.
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