Vermischtes

Absatz von E-Zigaretten in Deutschland zurückgegangen

  • Donnerstag, 10. Oktober 2019
Mann zieht an einer E-Zigarette. /vchalup, stockadobecom
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Berlin – Angesichts tödlicher Lungenerkrankungen bei E-Zigaretten-Rauchern in den USA bricht in Deutschland nach Branchenangaben der Absatz der Produkte ein. „88 Prozent der Händler geben an, dass sich die Berichterstattung darüber negativ auf ihr Geschäft ausgewirkt hat“, sagte der Chef des Branchenverbands Bündnis für Tabakfreien Genuss, Dustin Dahlmann, der Welt.

„Mehr als die Hälfte der Händler haben Umsatzrückgänge von 30 bis 40 Prozent, fast ein Fünftel sogar mehr als 50 Prozent.“ Dahlmann beruft sich bei seinen Angaben auf eine Umfrage unter mehr als 600 Unternehmen, die E-Zigaretten verkaufen.

Die verwendeten Geräte sind flächendeckend die gleichen. In Deutschland gibt es bisher keine Hinweise auf eine solche Epidemie; die hiesigen Ärzte sind jedoch angehalten, verstärkt auf etwaige Symptome zu achten.

Nicht alle Betroffenen in den USA haben THC-haltige Produkte geraucht

Vaping-Öle mit der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol standen bisher im Verdacht, mit den Lungenschädigungen in den USA in Verbindung zu stehen. Die amerikanische Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA) hat nach neuesten Berichten 440 Proben von Vaping-Produkten analysiert: 78 Prozent von bisher 578 befragten Patienten gaben an, THC-haltige Produkte verwendet zu haben. 17 Prozent rauchten nach eigenen Angaben jedoch ausschließlich Nikotin-haltige Produkte.

„Ich wäre sehr überrascht, wenn die jüngsten Fälle von dampfassoziierten Lungenverletzungen durch einen einzigen Wirkstoff verursacht würden“, sagt Mathieu Morissette, Mitarbeiter am Forschungszentrum des Instituts für Kardiologie und Pneumologie, Université Laval, Québec, Kanada. Die jüngste Publikation aus dem New England Journal of Medicine über die pathologischen Befunde bestätige diese Aussage.

Hingegen ist Martin Chaumont, Arzt in der Abteilung für Kardiologie des Erasme Universitätsklinikums in Brüssel, fest davon überzeugt, dass die neue besorgniserregende Epidemie in den USA mit synthetischen Cannabinoiden zusammenhängt. „Die Hauptbestandteile der E-Zigarette sind in den USA und Europa gleich: Geräte, Spulen, Metalle, Propylenglykol, Glycerin, Nikotin oder Aroma.“ Daher sei es unwahrscheinlich, dass diese Bestandteile an der aktuellen US-Vaping-Epidemie beteiligt seien.

Eine Epidemie in Europa will Chaumont dennoch nicht ausschließen, im Falle, das „spezifische Moleküle auf unseren Markt kommen.“ „Eine weitere Erklärung könnte sein, dass das US-Gesundheitssystem besser organisiert ist und, dass es mehr Benutzer in den USA gibt. In Belgien zum Beispiel wäre es fast unmöglich, diese beunruhigende, aber kleine Fallzahl im Vergleich zu der großen Anzahl von Vapers zu erkennen.“

Darüber hinaus stellen für ihn die Aromen eines der größten Fragezeichen in diesem Bereich dar, weil sie bisher kaum untersucht wurden. „Einige Aromen scheinen jedoch giftiger zu sein als andere. Es ist nicht bekannt, ob die Menge dieser Aromen, die in den E-Liquids vorhanden sind, ausreicht, um unter realen Bedingungen eine Toxizität zu verursachen.“ Studien seien im Gange.

Der Chef des Branchenverbandes Dahlmann sieht keinen Grund zur Besorgnis: Die in Deutschland gehandelten Flüssigkeiten, die in den E-Zigaretten verdampft werden, seien nicht zu vergleichen mit den US-Produkten. E-Zigaretten seien in Europa streng reguliert.

Inwiefern die Situation in den USA auf Europa übertragbar ist, bleibt dennoch weiter offen. Fest stehen aber folgende Unterschiede zu Europa: In den USA kursieren andere Vaping-Produkte mit höheren Nikotingehalten, die häufig von Schwarzmärkten stammen. Außerdem werden E-Zigaretten in den USA wahrscheinlich von viel mehr Jugendlichen verwendet als in Europa – in den USA vapt jeder fünfte Jugendliche regelmäßig; das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) sagt zwar, dass „regelmäßiger Konsum unter Jugendlichen sehr selten“ ist, aus seinen Daten lässt sich jedoch eine klare Zunahme an Jugendlichen erkennen, die schon einmal eine E-Zigarette probiert haben.

Streit um Vor- und Nachteile der E-Zigaretten

Unterdessen diskutieren Forscher weiter über die Vor- und Nachteile von E-Zigaretten. Das Dampfen könne helfen, Menschen vom Rauchen zu entwöhnen, sagte Heino Stöver, Leiter des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, am Rande eines E-Zigaretten-Kongresses in Frankfurt.

Der Dampfer behalte gewohnte Rituale des Rauchens bei, mindere aber den gesundheitlichen Schaden erheblich. Dem widerspricht die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP): Wer von der herkömmlichen Tabakzigarette auf die E-Zigarette umsteige, ersetze lediglich eine Sucht durch eine andere, betont sie in einer Erklärung.

Stöver bemängelte, der Übergang zur weniger schädlichen E-Zigarette werde nicht ausreichend von der Politik unterstützt. Der Umstieg vom Rauchen auf das Dampfen müsse gefördert werden, etwa durch eine deutliche Erhöhung der Tabaksteuer. Zudem plädierte er für ein - in anderen EU-Staaten gängiges - Werbeverbot für Tabakwaren.

Harmlos seien E-Zigaretten trotz der Vorteile im Vergleich zur Tabakzigarette nicht, sagte dagegen Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Pauschale Aussagen über E-Zigaretten seien schwierig, da es zwischen den Geräten erhebliche Unterschiede gebe.

Henkler-Stephanie warnte insbesondere vor Schwarzmarkt-Produkten. Sie könnten etwa gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe enthalten. Aber auch im Fachhandel erhältliche leistungsstarke Verdampfer bedeuteten Risiken, die noch nicht ausreichend untersucht seien.

Weniger strenge Regeln für nikotinfreie Liquids

Henkler-Stephani bemängelte zudem die unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen an die Liquids, also die Trägerflüssigkeiten. Während nikotinhaltige Liquids vom strengeren Tabakrecht erfasst würden, gelte für nikotinfreie Liquids nur die weniger strenge CLP-Verordnung der Europäischen Union. Für alle Liquids sollten jedoch die gleichen Qualitätsstandards und Regelungen zum Gesundheitsschutz gelten, forderte er.

Generell gibt es noch wenige Studien zur gesundheitlichen Wirkung von E-Zigaretten. Studien mit Zellkulturen, an Tieren und am Menschen legen verschiedene negative biologische Auswirkungen auf die Atemwegsschleimhäute und den Gasaustausch in der Lunge nahe. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse liefert eine aktuelle Übersichtsarbeit (BMJ 2019). Ergebnisse zu Langzeiteffekten von E-Zigaretten, wie sie für Tabakrauchen bekannt sind, liegen bisher noch nicht vor.

dpa/afp/gie

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