AOK-Bundesverband sieht Präventionpotenziale ungenutzt

Berlin – Deutschland kann die Gesundheit seiner Bürger verbessern und zugleich auf volkswirtschaftlicher Ebene viel Geld einsparen, wenn es die Prävention außerhalb der Sozialgesetzbücher ernster nehmen würde.
Das erklärte der Abteilungsleiter Prävention beim AOK-Bundesverband, Oliver Huizinga, kürzlich auf dem Kongress für Prävention in Berlin. „Deutschland ist Schlusslicht in Nord- und Westeuropa bei der Lebenserwartung. Bei der Verhältnisprävention ist es ganz ähnlich“, sagte Huizinga.
Dafür zeige der sogenannte „Nanny State Index“ (Kindermädchen-Staats-Index), der von der Tabakindustrie kofinanziert werde, dass Deutschland in Europa das beste Land sei, wenn es um die Freiheit zu trinken, zu rauchen, zu essen und zu dampfen gehe.
„Ich weiß allerdings nicht, ob wir darauf besonders stolz sein sollten“, meinte Huizinga. „Während andere Länder über tabakfreie Generationen nachdenken, ist bei uns noch im Jugendschutzgesetz das begleitete Trinken erlaubt.“
Potenziale liegen außerhalb der Sozialgesetzbücher
„Es war noch nie so einfach wie heute, sich ungesund zu ernähren“, betonte Huizinga. „Seit den 1970ern hat sich das Lebensumfeld der Menschen so verändert, dass sie heute sehr leicht hochkalorisches Essen zu sich nehmen können, das auch noch intensiv vermarktet wird.“
Die Supermärkte seien heute das Epizentrum ungesunder Lebensverhältnisse. „Es gibt Süßigkeiten, Fertiggerichte, sogar Flachmänner direkt an den Kassen, an denen alle vorbeigehen müssen“, kritisierte Huizinga.
„Stellen Sie sich vor, Sie sind alkoholkrank und müssen an der Supermarktkasse ständig an den Flachmännern vorbei, die nicht nur günstig sind, sondern die Sie auch noch schnell in der Jackentasche verschwinden lassen können.“
Der Präventionsexperte betonte, dass Deutschland innerhalb der Grenzen der Sozialgesetzbücher gut aufgestellt sei. „Die Krankenkassen geben etwa sieben Prozent für die Vorsorge aus, zu der auch das Impfen gehört“, erklärte er. Innerhalb der Europäischen Union sei das ein Spitzenwert.
„Wir Krankenkassen gehen dabei auch in die Lebenswelten der Menschen: in die Kitas, die Schulen, die Kommunen, die Betriebe. Das ist schon der Goldstandard“, betonte Huizinga. Die Probleme lägen aber außerhalb der Sozialgesetzbücher: in den Bereichen, auf die die Krankenkassen keinen Einfluss hätten, zum Beispiel im Bereich der Supermärkte.
Deutschland habe noch große ungenutzte Potenziale im Bereich der Prävention, betonte Huizinga. Er rief die Bundesregierung dazu auf, es für die Menschen einfacher zu machen, sich gesund zu verhalten. „Es geht darum, die Verhältnisse zu ändern“, sagte Huizinga. „Wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass es schwieriger wird, sich ungesund zu verhalten.“
Mehr Prävention würde sich dabei auch volkswirtschaftlich auszahlen. Denn ein Land könne sehr viele Ausgaben einsparen, wenn es seinen Bürgerinnen und Bürgern dabei helfe, ein gesundes Leben führen zu können.
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