Vermischtes

Bereitschaftszeit eines Feuerwehrmannes kann in vollem Umfang Arbeitszeit sein

  • Mittwoch, 10. März 2021
/dusanpetkovic1, stock.adobe.com
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Luxemburg – Bereitschaftszeit kann aus Sicht des zuständigen Gutachters am Europäischen Gerichtshof als Arbeitszeit gelten, wenn Beschäftigte rasch einsatzbereit sein und mit häufigen Einsätzen rechnen müssen.

Diese Einschätzung vertrat der zuständige Generalanwalt Giovanni Pitruzzella gestern in seinen Schluss­anträgen zum Fall eines Feuerwehrmanns aus Offenbach. Das EuGH-Urteil wird in einigen Wochen erwartet. Häufig folgen die EU-Richter ihren Gutachtern (Rechtssache C-580/19).

Der Feuerwehrmann darf seine Bereitschaft zwar außerhalb der Dienststelle verbringen. Doch hat er die Vorgabe, binnen 20 Minuten in Arbeitskleidung und mit dem Einsatzfahrzeug die Stadtgrenze zu errei­chen. Aus Sicht des EuGH-Gutachters könnte die Bereitschaft in dem Fall unter Umständen als Arbeits­zeit eingestuft werden.

Prüfen müsste dies jedoch das in Deutschland mit dem Fall befasste Verwaltungsgericht Darmstadt. Maß­stab wäre, ob die tatsächliche Ruhezeit des Arbeitnehmers sichergestellt ist oder nicht.

Der EuGH behandelt den deutschen Fall gemeinsam mit dem eines Sendetechnikers in Slowenien, der ebenfalls um die Anerkennung von Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit streitet – aus Sicht des General­anwalts aber ohne Erfolgschancen (Rechtssache C-344/19).

Pitruzzella argumentiert, die „Intensität der Einschränkungen“ sei ausschlaggebend dafür, ob Bereit­schaft als Arbeits- oder als Ruhezeit eingestuft werden muss. Dabei gehe es um die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers, die geforderte Reaktionszeit und andere Indizien.

Zu berücksichtigen sei auch, ob Arbeitnehmer in Bereitschaft tatsächlich mit einem Einsatz rechnen müssen. Häufige Einsätze könnten die Chance auf Freizeitplanung fast auf Null reduzieren. Komme noch eine kurze Reaktionszeit hinzu, beeinträchtige dies die tatsächliche Ruhezeit des Beschäftigten.

Insbesondere die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers ist ein entscheidender Faktor, wie es in dem Schriftsatz heißt. Denn diese beeinflusse die Freiheit des Arbeitnehmers, sich seinen eigenen Interessen zu widmen und sich im „im Wesentlichen auszuruhen, unmittelbar objektiv und eindeutig.“

Eine Reaktionszeit von wenigen Minuten etwa gestatte keine Planung der eigenen Ruhezeit. Eine ange­mes­sene Reaktionszeit hingegen ermögliche dem Feuerwehrmann, sich während der Rufbereitschaft anderen Tätigkeiten zu widmen, auch wenn er sich bewusst sei, dass ein Ruf in den Dienst möglich ist.

Das 20-minütige Zeitfenster des Offenbacher Feuerwehrmannes ist aus Sicht Pitruzzellas zwar kurz, „aber nicht so kurz, dass die freie Wahl des Ortes, an dem der Arbeitnehmer die Zeit der Rufbereitschaft verbringt, fast völlig verhindert wird.“ Dennoch komme es auf die Gesamtwirkung aller Kriterien an.

Bei der Frage nach der Häufigkeit der Einsätze stellt Pitruzzella fest, dass der Feuerwehrmann aus Offen­bach laut Akte zwischen 2013 und 2015 im Durchschnitt 6,67 mal zum Einsatz gerufen worden sei. „Eine solche Häufigkeit der verlangten Einsätze kann meines Erachtens nicht dazu führen, dass der Arbeit­neh­mer normalerweise damit rechnen muss, während des Rufbereitschaftsdienstes zum Einsatz gerufen zu werden.“ Doch auch hier sei es Sache des nationalen Gerichts, diesen Aspekt zu prüfen.

Die Tatsache, dass die Rufbereitschaft die Freiheit des Arbeitnehmers in gewissem Umfang einschränke, sei natürlich, so Pitruzzella. Ziel des Unionsrechts sei es allerdings, zu verhindern, dass diese Beschrän­kungen zu sehr ausuferten.

Sollte der EuGH die Rufbereitschaft von Feuerwehrleuten als Arbeitszeit einstufen, könnte dies auch auf deutsche Städte und Kommunen Einfluss haben. Da Berufsfeuerwehren als kommunale Beschäftigte gel­ten, sind die Kommunen für deren Bezahlung zuständig.

„Allerdings machen die Berufsfeuerwehren mit cirka 30.000 Berufsfeuerwehrleuten nur einen geringen Teil der kommunalen Beschäftigten aus“, sagte Marc Elxnat vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Elxnat glaubt deshalb, die Kommunen könnten die finanziellen Auswirkungen für Berufsfeuerwehren sicher verkraften.

Größere Sorgen bereiten Elxnat hingegen die Auswirkungen eines entsprechenden EuGH-Urteils auf die künftige Suche nach zusätzlichen Feuerwehrleuten. „Welche Auswirkungen ein solches Urteil gegebe­nen­falls auf ein Aufstocken des Personals durch die Einhaltung der Ruhezeiten oder aber auf die Frei­willigen Feuerwehren hätte, kann aktuell noch nicht prognostiziert werden.“ Schon heute sei es teil­weise schwer die notwendigen Fachkräfte für die Feuerwehren zu finden, so Elxnat.

dpa

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