Vermischtes

Berliner Plan gegen Tigermücken, Amtsarzt arbeitet an Konzept

  • Montag, 26. Februar 2024
Lukas Murajda, Amtsarzt Berlin-Mitte, bei der Vorstellung eines Kontaktverzeichnisses für Infektionserkrankungen. (Archivbild, 2020). /picture alliance, Britta Pedersen
Lukas Murajda, Amtsarzt Berlin-Mitte, bei der Vorstellung eines Kontaktverzeichnisses für Infektionserkrankungen (Archivbild, 2020). /picture alliance, Britta Pedersen

Berlin – Für die weitere Beobachtung von Asiatischen Tigermücken (Aedes albopictus) in Berlin werden der­zeit die Weichen gestellt. Im Bezirk Mitte arbeitet Amtsarzt Lukas Murajda an einem Konzept für das Monito­ring der Insekten. Es soll im Frühjahr in einer Arbeitsgruppe mit den anderen Bezirken, der Senatsverwaltung für Gesundheit und Vertretern aus Brandenburg abgesegnet werden, wie er sagte.

„Wir wollen Evidenz schaffen“, sagte Murajda. Es gehe darum, ab dem erwarteten Saisonbeginn im April suk­zessive Wissenslücken zu Mücken in der Stadt und den möglicherweise in ihnen vorhandenen Krankheitser­regern zu schließen. Auf der Basis könnten dann Entscheidungen etwa zur Bekämpfung gefällt werden.

Vergangenen Sommer hatten sich die zuständigen Berliner Behörden darauf geeinigt, dass das Gesundheits­amt Mitte bei dem Thema eine zentrale Rolle übernimmt. Nach einem Aufruf an die Berliner, Hinweise und tote Mücken an die neue Anlaufstelle zu schicken, gingen nach Angaben Murajdas in den Monaten August bis Oktober jeweils rund 100 E-Mails ein. „Lustigerweise kommen immer noch ein paar Zuschriften, weil die Leute etwas im Keller finden oder noch irgendwo etwas gelagert haben.“

Tigermücken können tropische Krankheiten wie das Denguefieber übertragen, die hierzulande in der Regel bisher nur bei Reisenden vorkommen. Ihre Verbreitung außerhalb des Herkunftsgebiets wird begünstigt durch den Klimawandel und den weltweiten Handel, mit dem die Insekten eingeschleppt werden können.

Bisherige Hinweise fast immer Fehlalarm

Bei den allermeisten bisherigen Hinweisen habe es sich um Fehlalarm gehandelt, auch weil Tigermücken häufig mit einer heimischen, ebenfalls schwarz-weiß gezeichneten Mückenart verwechselt würden, sagte Murajda.

Einen Erfolg meldet er aber: Nach einem Foto-Hinweis aus Neukölln habe man vor Ort Fallen gestellt und darin Ende September noch eine Tigermücke gefangen. In der Nähe befinde sich eine Kleingartenkolonie, in der der Amtsarzt die Menschen beim Saisoneröffnungsfest zum Thema beraten will. Notwendig sei es zum Beispiel, keine Schalen mit Wasser als mögliche Brutstätten stehenzulassen.

„Wir möchten weitere Fallen stellen, auch im weiteren Umkreis des Fundorts, weil jetzt die Frage ist, ob Eier der Tigermücke dort auch überwintert haben.“ Weitere, systematisch aufgestellte Fallen seien zudem im Bezirk Mitte geplant, eventuell auch darüber hinaus.

Ein Budget hat Murajda für die Zusatzaufgabe nicht bekommen. „Wir machen zwar ein effizientes Monitoring, aber in Einklang mit offiziellen Standards, etwa der europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC“, sagte der Amtsarzt. Zum Erkennen der Mückenarten wird im Amt auch auf ein KI-gestütztes Mikroskop gesetzt.

Warum gerade ein Gesundheitsamt Mücken sucht

Im Zusammenhang mit Tigermückenstichen seien in Berlin zwar noch keine Erkrankungsfälle beim Menschen bekannt – für Murajda ist das aber eine Frage der Zeit. Wenn es auffällige Infektionen gäbe, tauche dies im amtlichen Meldesystem auf und Verknüpfungen mit Mückenfunden seien möglich. „Uns interessiert nicht nur die Tigermücke. Sie ist sozusagen das Flaggschiff. Aber es gibt auch andere Mücken, die Krankheiten übertra­gen können.“

Schon länger läuft bundesweit das Projekt „Mückenatlas“, bei dem Bürger nach wie vor ebenfalls zum Einsen­den von Stechmücken aufgerufen sind. Es ist eine Kooperation zwischen dem Leibniz-Zentrum für Agrarland­schaftsforschung (ZALF) in Müncheberg und dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI).

Dabei wurden bisher mehr als 200.000 Stechmücken für die Forschung gefangen, wie es auf der Projektweb­seite heißt. Ziel ist es unter anderem, Verbreitungskarten für einzelne Mückenarten zu erstellen. Zwischen dem „Mückenatlas“ und dem Berliner Vorhaben gibt es bisher keinen Austausch, wie es auf Anfrage hieß.

Was die Frosttage für die kommende Saison bedeuten

Je kälter der Winter, umso weniger Insekten im Folgejahr? Das sei ein verbreiteter Irrglaube, sagte die Stech­mückenexpertin Doreen Werner vom ZALF kürzlich im RBB. „Genau das Gegenteil ist der Fall: Insekten, die überwintern, haben ein eingebautes Frostschutzmittel.“

Sie würden starke Temperatureinbrüche gut überstehen, fataler sei es für sie bei Temperaturen rund um den Nullpunkt mit mehrfachem, energieraubendem Wiedereinfrieren und -auftauen. Wie Werner auf Anfrage er­läuterte, ist es für Tigermücken derzeit noch zu kalt. „Mit einem Auftreten an Standorten mit etablierten Populationen ist nicht vor Mai zu rechnen.“

Amtsarzt bittet auch diese Saison um Einsendungen.

Interessant seien vor allem Sichtungen von schwarz-weiß gestreiften Mücken. „Ansonsten können Sie die Mücke schicken, die Sie gestochen hat, oder melden, wenn Sie besonders viele Stechmücken gesehen haben, insbesondere wenn dies tagsüber geschieht“, sagte Amtsarzt Murajda.

Bisherige Tigermückennachweise in Berlin stammen nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) von Sommer 2023 aus Treptow-Köpenick und Neukölln. Für die Elimination der bekannten Tigermückenpopulationen gebe es in Berlin nur noch ein enges Zeitfenster, hatte der Lageso-Epidemiologe Daniel Sagebiel vergangenes Jahr dem Tagesspiegel gesagt.

dpa

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