Caritas: Die Spendenbereitschaft wächst, die Not auch

Berlin – Mit 82 Millionen Euro konnte Caritas International, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, 2019 so viel Geld in humanitäre Hilfe investieren wie noch nie zuvor. Das gab Verbandspräsident Peter Neher bei der heutigen Vorstellung des Jahresberichtes bekannt. Zugleich machte er auf den weltweit steigenden Hilfsbedarf aufmerksam. Die Coronapandemie habe nicht nur neue Probleme geschaffen, sondern vor allem bestehende Missstände verschärft.
Als Grund für die verbesserte finanzielle Ausstattung der Organisation nannte Neher unter anderem die gestiegene Spendenbereitschaft. Demnach lagen die Geldspenden im vergangenen Jahr bei mehr als 30 Millionen Euro. Auch in der ersten Jahreshälfte 2020 sei die Spendenbereitschaft um ein Drittel höher gewesen als kalkuliert.
Einen möglichen Grund dafür sieht Neher in der Coronakrise. Die Situation sei in vielen anderen Ländern dramatischer als in Deutschland, das Leid in den Medien präsent. „Die Menschen lassen sich durch die weltweite Not berühren“, vermutete Neher.
Doch schon vor Coronazeiten hätten sich Krisen rund um den Globus zugespitzt. „Fast 80 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht“, so Neher. Neben Gewalt und politischer Instabilität würden auch Naturkatastrophen zu einer häufiger werdenden Ursache für menschliches Leid. So seien 2019 rund zwei Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen, nachdem der Zyklon „Idai“ Mosambik und Teile des angrenzenden Simbabwe verwüstet hatte.
Auch gebe es wieder mehr Menschen, die an Hunger leiden. Weltweit sind es mittlerweile 690 Millionen, wie die Vereinten Nationen (UN) vorgestern in ihrem Welternährungsbericht bekannt gaben. Demnach stieg die Zahl der weltweit Hunger Leidenden allein von 2018 auf 2019 um rund zehn Millionen Menschen. Laut UN ist das erklärte Ziel, den Hunger bis 2030 zu besiegen, nach jetzigen Schätzungen nicht mehr zu erreichen, sollte sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzen.
Die Coronapandemie habe diese Entwicklung noch verschärft und habe den Hilfsbedarf weltweit steigen lassen, erklärte Oliver Müller, Leiter von Caritas International, der den Bericht gemeinsam mit Neher vorstellte. „Allein wir als Caritas International haben seit März mit unseren Coronaprojekten mehr als 600.000 Menschen weltweit unterstützen müssen. Diese Hilfsprojekte reichen von der medizinischen Ausstattung in Gesundheitsstationen bis hin zu Lebensmittelverteilungen“, so Müller.
Er machte auf die gestiegenen Herausforderungen für Humanitäre Hilfsorganisationen aufmerksam. Das Gefährdungspotenzial für Helfer wachse kontinuierlich. „So hat sich etwa die Zahl der jährlich getöteten Helfer seit Ende der 90er Jahre bis heute verdreifacht“, erklärte Müller.
Zudem würden Hilfsaktionen sowie die Menschen, denen sie zugutekommen sollen, zunehmend im Rahmen politischer Interessen instrumentalisiert. Als Beispiel nannte er die jüngsten Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat, bei denen es um die Offenhaltung türkisch-syrischer Grenzübergänge zur Lieferung von Hilfsgütern ging.
Auf Druck von China und Russland hatten sich die beteiligten Staaten in der vergangenen Woche darauf geeinigt, nur noch einen von ehemals vier, zuletzt nur noch zwei, Grenzübergängen für Lieferungen von Hilfsorganisationen geöffnet zu halten. Hier sei es nicht um Hilfen für die Zivilbevölkerung gegangen, so Müller.
Vielmehr habe die humanitäre Hilfe nur noch als Druckmittel gedient, um politische Positionen durchzusetzen. Solche und vergleichbare Einschränkungen und Repressionen würden die Möglichkeiten, Menschen in Not beizustehen, stark beschneiden. Müller: „Das gibt uns Anlass zu großer Sorge.“
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