Vermischtes

Contergan-Kompetenz-Netzwerk will für Wissenstransfer sorgen

  • Montag, 22. Juli 2024
/picture alliance, Oliver Berg
/picture alliance, Oliver Berg

Köln/Berlin – Die Conterganstiftung hat ein Netzwerk von zehn multidisziplinären medizinischen Kompetenz­zentren ins Leben gerufen, die individuelle Therapieansätze für Contergangeschädigte entwickeln und dieses Wissen auch Ärzten zugänglich machen wollen.

Denn obwohl zum Conterganskandal der Ende 1950er- beziehungsweise Anfang 1960er-Jahre viel geforscht worden sei, drohe das Wissen um seine medizinischen und sozialen Folgen allmählich verloren zu gehen, warnt die Stiftung.

Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal wüssten immer weniger über die Schädigungen durch Tha­lidomid, erklärt Dieter Hackler, Vorstandsvorsitzender der Conterganstiftung, dem Deutschen Ärzteblatt. Eine Conterganschädigung werde als seltene Erkrankung eingestuft, da neue Schädigungen dieser Art nicht zu er­warten seien.

Betroffen seien aber dennoch momentan etwa 2.200 Menschen in Deutschland. Sie befänden sich in der sieb­ten Lebensdekade und litten nicht mehr allein an Primärschäden durch das Medikament, das einst von ihren Müttern während der Schwangerschaft eingenommen wurde, sondern zunehmend auch an Folgeerkrankungen und Spätschäden.

Diese würden nicht nur das Skelett, sondern auch innere Organe, Gefäßverläufe und die Psyche betreffen, so die Stiftung. Dies mache eine spezialisierte medizinische, pflegerische und therapeutische Betreuung und Versorgung notwendig.

Da Menschen mit Conterganschädigung oftmals verkürzte oder gar gänzlich fehlende Gliedmaßen hätten, würden bei ihnen klassische Behandlungs- und Therapieansätze nicht greifen. Bereits Alltägliches, wie etwa Blutdruckmessen, könne wegen der geschädigten Extremitäten mit abweichenden Gefäßverläufen zu Proble­men führen.

Eine Lösung könne das Netzwerk von zehn im gesamten Bundesgebiet verteilten multidisziplinären medizini­schen Kompetenzzentren sein, aufgebaut und gefördert durch die Conterganstiftung, so Hackler. Dieses Netz­werk sei seit 2023 komplett und habe jetzt seine Arbeit aufgenommen.

Zum Teil bestehe es aus Kliniken, die bereits viel Jahre mit der Conterganthematik vertraut seien. Ebenso ge­hörten kleinere, spezialisierte Einrichtungen dazu. Auch psychologische Hilfe werde angeboten; besondere „Contergansprechstunden“ sorgten für einen niederschwelligen Zugang.

An den Kompetenzzentren werden, neben einer bedarfsgerechten Ausstattung und Behandlung, Studien, Pra­xiswissen und relevante Informationen für die spezifischen Anforderungen der Betroffenen zusammengetra­gen. In einem nächsten Schritt – so der Plan – soll auch die Ärzteschaft außerhalb der Zentren von diesem Exper­tenwissen profitieren und bedarfsweise darauf zugreifen können.

„Das Netzwerk hat Modellcharakter und kann auch Pate stehen für den Umgang mit anderen seltenen Erkran­kungen oder in Sachen Versorgung anderer älterer Menschen mit Behinderungen“, wünscht sich Hackler. Ein Anfang sei gemacht.

Die Conterganstiftung hat den gesetzlichen Auftrag, Leistungen für Menschen zu erbringen, deren Behinderung auf thalidomidhaltige Präparate der Grünenthal GmbH zurückzuführen ist. Zu den Kernaufgaben gehören die Auszahlung von Renten sowie die jährliche Leistung für spezifische Bedarfe.

Außerdem bearbeitet die Stiftung Neu-, Revisions- und Kapitalisierungsanträge und berät die Betroffenen. Sie fördert Forschungsvorhaben mit Mitteln der Stiftung, die die Teilhabe der Betroffenen am gesellschaftlichen Leben unterstützen und Beeinträchtigungen mildern, die durch Spätfolgen hervorgerufen werden.

ER

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung