Depression noch immer Tabuthema
Berlin – In Deutschland braucht es mehr Aufmerksamkeit und intensivere Aufklärung über Depressionen, damit die Erkrankung bei Betroffenen rechtzeitig erkannt wird. „Das gelingt nur, wenn in unserer Gesellschaft offen über Depressionen gesprochen wird und Betroffene und ihr Umfeld der Krankheit gemeinsam und entschlossen begegnen“, sagte Detlef Dietrich, ärztlicher Direktor der Burghof-Klinik in Rinteln, anlässlich des heutigen 16. Europäischen Depressionstages. Dietrich ist Vertreter der European Depression Association (EDA) in Deutschland.
Obwohl Depressionen zu den Volkskrankheiten zählten, seien sie vielfach immer noch ein Tabuthema, kritisierte er. In Deutschland seien jedes Jahr circa 5,3 Millionen Menschen von einer Depression betroffen. Die Erkrankung sei unter anderem ein wichtiger Grund für Suizide, Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung.
„Depressionen können wirkungsvoll behandelt werden, insbesondere wenn sie frühzeitig erkannt werden. Das setzt voraus, dass die Betroffenen über ihre Erkrankung informiert sind und hierüber sprechen. Einer der ersten Ansprechpartner ist der Hausarzt“, so Dietrich.
„Depressionen sind in der Gesellschaft und Arbeitswelt noch immer ein heikles Thema“, bestätigte auch Iris Hauth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Aus Angst vor Stigmatisierung verheimlichten viele Betroffene ihre Krankheit zu lange und versuchten, „irgendwie weiterzumachen“, so die ärztliche Direktorin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses in Berlin-Weißensee.
Die Fachgesellschaft fordert einen offenen Umgang und ein stärkeres politisches und gesellschaftliches Engagement für Aufklärung, Prävention, Therapie und Rehabilitation von Depressionen.
Die EDA ist eine Allianz aus Experten und Erfahrenen sowie medizinischen Fachkräften und Organisationen aus 17 europäischen Ländern. Seit 2004 setzen sich ihre Mitglieder dafür ein, das Bewusstsein der Bevölkerung für die Volkskrankheit Depression zu stärken. Der Europäische Depressionstag betont in diesem Jahr die Bedeutung offener Kommunikation über Depression mit dem Motto: „Der Depression heute gemeinsam und entschieden begegnen!“
Laut EDA sind in Europa etwa 50 Millionen Menschen mindestens einmal in ihrem Leben von einer Depression oder depressiven Phase betroffen, das entspricht elf Prozent der Bevölkerung. Knapp vier Millionen Deutsche seien aktuell an Depressionen erkrankt. Aber nach Expertenschätzungen erhalte lediglich ein Drittel der in Deutschland Erkrankten professionelle Hilfe. Dies liege vor allem an Unwissen, Vorurteilen und dem immer noch vorherrschenden Stigma psychischer Erkrankungen, so die EDA.
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