Vermischtes

Die doppelte Coronakrise: Bergmann-Klinikum auf Lösungssuche

  • Mittwoch, 22. April 2020
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Potsdam − Nach dem Ausbruch des Coronavirus SARS-CoV-2 im Klinikum Ernst von Berg­mann bahnen sich personelle Konsequenzen an. Der Aufsichtsrat des größten Potsdamer Krankenhauses tagte gestern hinter verschlossenen Türen, um über die Zukunft der Ge­schäftsführung zu beraten.

Das Gremium empfahl dem Vernehmen nach, die beiden Geschäftsführer zunächst zu beurlauben und eine externe Kommission einzusetzen. Zuvor hatte die B.Z. aus Berlin darüber berichtet.

Letztlich entscheidet Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Er hatte die Be­ur­laubung und die Kommission laut Berichten vorgeschlagen. Heute berät der Hauptaus­schuss der Stadtverordneten­versammlung über das weitere Vorgehen.

Die Klinik, die nach Angaben der Stadt etwa eine halbe Million Menschen in der Region versorgt, ist der Coronahotspot in Brandenburg, die Landesregierung zeigt sich besorgt. Seit Mitte März häuften sich Fälle von Infizierten. Gestern wurden dort noch 59 Corona­pa­tienten behandelt, davon elf auf der Intensivstation. Bisher starben 39 Coronapatien­ten, wie das Klinikum mitteilte.

Das war passiert: Am letzten März-Wochenende berichtete die Klinik über eine auffällige Zahl positiv getesteter Patienten, von denen die Mehrheit allerdings keine Symptome aufweise. Daraufhin testete das Haus alle stationären Patienten − das erhöhte die Zahl der Coronainfizierten nochmals. Daraufhin trennte die Klinik die Coronapatienten von denen, die nicht infiziert waren. Seit 1. April verhängte die Stadt einen Aufnahmestopp, nur Notfälle dürfen herein.

Daraufhin kamen Experten des Robert-Koch-Instituts nach Potsdam, die unter anderem vorschlugen, das Ernst von Bergmann als zentrale COVID-19-Klinik einzurichten. Das lehn­te die Stadt ab. Die Experten kritisierten auch, dass es Umzüge ganzer Stationen und Bereich gab − dabei könne es noch zu weiteren Virus-Übertragungen gekommen sein.

OB Schubert kündigte am 7. April Ordnungswidrigkeitsverfahren der Stadt gegen drei lei­tende Ärzte und zwei Geschäftsführer an. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie sich straf­bar gemacht haben − es geht um Meldepflichten. Der OB bewertete es später positiv, dass die Klinik am letzten März-Wochenende Maßnahmen ergriff − aber es fehlte seiner An­sicht nach an noch mehr Transparenz.

Mitte April drohte die Stadt dem Klinikum dann mit einem Zwangsgeld, wenn es gefor­der­te Daten zum Coronavirusausbruch in der Einrichtung nicht übermittelt.

Am vergangenen Wochenende nun räumte die Klinikspitze erstmals Versäumnisse ein, nachdem der Hauptausschuss des Stadtparlaments intern tagte. „Im Zeitraum vom 13. bis 26. März ist im Klinikum Ernst von Bergmann eine kritische Entwicklung im Rahmen der Coronapandemie nicht ausreichend erkannt worden“, teilte die Geschäftsführung mit.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bezeichnet die Stimmung unter den Beschäftigten des Klinikums laut einem Sprecher als „derzeit sehr angespannt.“ Bevor der Aufsichtsrat gestern tagte, wurde bekannt, dass die Virologin Sigrid Baumgarte die Klinik verlassen hat − schon nach wenigen Tagen als Verstärkung im Krisenstab.

Eine Sprecherin erklärte, dem Klinikum stehe kurzfristig der Hygienefacharzt und Virolo­ge Andreas Knaust als externer Experte zur Seite, der bei Labor Berlin − einem Unterneh­men von Charité und Vivantes − als Leiter Diagnostik Mikrobiologie tätig ist. Knaust kenn­t die Klinik: Er war bis September 2017 Chefarzt für Mikrobiologie und Kranken­haus­hygiene in Potsdam.

dpa

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