Vermischtes

Ein Viertel ungewollt schwangerer Frauen mit Partnergewalterfahrung bricht ab

  • Freitag, 20. Juni 2025
/Tiko, stock.adobe.com
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Nordhausen – Die Wahrscheinlichkeit für eine ungewollte Schwangerschaft ist bei Frauen, die Gewalt in der Partnerschaft erlebt haben, um das Fünffache erhöht. Das Risiko für einen Schwangerschaftsabbruch ist um das Dreifache erhöht.

Das wurde gestern bei einer Fachtagung der Hochschule Nordhausen berichtet, bei der Ergebnisse der ELSA-VG-Studie (Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Vulnerable Gruppen) vorgestellt wurden, die Erfahrungen von Frauen, die zum Zeitpunkt der ungewollten Schwangerschaft Gewalt in ihrer Partnerschaft erfahren haben, fokussierte.

Frauen mit Gewalterfahrung berichteten demnach häufiger als Frauen ohne Gewalterfahrung, von medizinischem Personal nicht einfühlsam, respektvoll und freundlich oder mit Neutralität behandelt worden zu sein.

„Sie wurden auch eher mit Vorwürfen konfrontiert, warum sie sich nicht von dem Partner trennten. Sie erhalten zudem häufiger ungebetene Informationen von ihren behandelnden Ärzten und Ärztinnen, insbesondere zur Kindsabgabe und zur Adoption“, berichtete Dennis Jepsen vom Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsmedizin Halle (Saale).

Die quantitative und qualitative Datenerhebung ELSA-VG wertete anhand von Einwohnermeldedaten und narrativ-biografischen Onlineinterviews zwischen November 2020 und April 2024 Daten von 4.589 Frauen mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren aus. Die Studienergebnisse wurden noch nicht veröffentlicht.

„Die meisten der befragten Frauen mit Gewalterfahrung berichteten von psychischer Gewalt, wenngleich es Überschneidungen mit körperlicher und sexueller Gewalt gibt“, sagte Petra J. Brzank, Professorin an der Hochschule Nordhausen und Projektleiterin der ELSA-VG-Studie. Bei mehr als der Hälfte der Frauen sei Isolation durch den Partner, also auch von der Familie und Freundinnen, häufig vorgekommen. Ein Drittel habe auch von ökonomischer Gewalt berichtet.

Bei Dreiviertel der Frauen hat Brzank zufolge die Gewaltdynamik bereits vor der Schwangerschaft bestanden. Bei dem übrigen Viertel sei sie entweder während der Schwangerschaft aufgekommen oder habe erst danach begonnen. Frauen mit Gewalterfahrung berichteten häufiger, dass die Schwangerschaft schwer war, beziehungsweise sie gar nicht akzeptieren zu können.

Zur Lebenssituation: Frauen mit Gewalterfahrung berichten der Studie zufolge deutlich häufiger, eine unsichere Erwerbssituation zu haben, beispielsweise Sozialhilfe zu empfangen, oder keinen Ausbildungsabschluss zu haben. „Die Gesundheit betroffener Frauen war subjektiv schlechter und sie sind auch häufiger in psychotherapeutischer Behandlung“, so die Projektleiterin.

Bei der Suche nach Informationen zur Schwangerschaft oder zu einem Abbruch gab es keine Unterschiede, berichtete sie. Allerdings griffen Frauen mit Gewalterfahrungen zur Unterstützung häufiger auf Beratungsstellen zurück und weniger auf ihr soziales Umfeld, sprich auf Freundinnen oder die Mutter.

Etwa ein Viertel derjenigen mit Gewalterfahrungen berichteten laut Brzank, dass die Schwangerschaft abgebrochen wurde. Sie berichteten hier auch häufiger, dass sie bei der Entscheidungsempfindung häufiger mit Unsicherheit, Zukunftsängsten, Schuldgefühl und Selbstvorwürfen konfrontiert waren. Sie äußerten auch häufiger Sorge vor der Reaktion von nahestehenden Personen.

Die Entscheidung zum Abbruch sei oftmals gar nicht mit dem gewalttätigen Partner besprochen worden, auch weil sie diesem in vielen Fällen nichts von der Schwangerschaft mitteilten. Wenn er allerdings eingeweiht wurde, dann habe er die Entscheidungsgewalt über die Schwangerschaft, also über Ausgang und Abbruch übernommen.

Die psychische Gesundheit der betroffenen Frau war der Studie zufolge nicht bestimmt durch eine ungewollte Schwangerschaft oder einen Abbruch an sich, sondern durch die Gewalteinwirkungen durch den Partner und die allgemeine psychische und körperliche Verfassung der Frau.

ELSA-VG ist eine Teilstudie der ELSA-(Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung)-Studie, die 2020 bis 2024 durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aufgrund eines Beschlusses des Bundestages gefördert wurde. ELSA zielt auf die Verbesserung der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung ungewollt schwangerer Frauen auf Grundlage wissenschaftlicher Daten ab.

„Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ging davon aus, dass alle Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch hatten, psychisch belastet sind, und hat deshalb die Studie in Auftrag gegeben“, erinnerte sich Brzank. Das stimme so nicht.

Die Zielsetzung der Studie und aller Teilstudien sei daher in Richtung Versorgungsforschung gegangen. Untersucht wurde, mit welchen strukturellen und personellen Herausforderungen sowie Belastungen betroffene Frauen konfrontiert waren und welche Ressourcen ihnen zur Verfügung standen. 

PB

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